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Automatisiertes Autofahren
Unfallfachleute warnen davor, das Steuer loszulassen

Autofahrer auf der Strasse in der Nacht, aufgenommen in Zuerich am 5. Mai 2000. (KEYSTONE/Martin Ruetschi) === COPYRIGHTPFLICHTIG === [Vorlage: Dia]

Ein Werktagsmorgen, dichter Verkehr auf der Autobahn, erhöhte Vorsicht ist geboten. Doch der VW-Fahrer ist entspannt, er surft im Internet, trinkt einen Kaffee – sein Auto fährt selbstständig.

Der Traum vom autonomen Fahren: Ein weiterer Schritt in diese Zukunft ist gemacht. Vergangene Woche hat der Bundesrat die Vernehmlassung zu zwei Verordnungen eröffnet, mit denen er das automatisierte Fahren regeln will. Solche Autos, argumentiert er, könnten nicht nur den Verkehrsfluss verbessern sowie den Verkehr ökologischer machen, sondern auch mehr Verkehrssicherheit bringen.

Assistenzsysteme verhindern Unfälle

Bereits erlaubt ist der teilautomatisierte Betrieb von Fahrzeugen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Assistenzsysteme, welche die Autofahrer unterstützen, etwa Parkierungs- oder Notbremsassistenten. Dies entspricht der Stufe 2 des automatisierten Fahrens.

Unfallexperten anerkennen das Potenzial dieser Techniken. «Moderne, sicherheitsrelevante Instrumente können Unfälle vermeiden», sagt Christoph Leibundgut, Sprecher der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). Zum Beispiel, indem sie die Umgebung des Fahrzeugs überwachen und im Bedarfsfall unverzüglich reagieren würden, etwa mit einer Notbremsung, die eine folgenschwere Kollision verhindere.

Deswegen empfiehlt die BFU bereits heute, sicherheitsrelevante Fahrerassistenzsysteme nicht auszuschalten. 95 Prozent aller Verkehrsunfälle sind laut BFU auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. Und etwa die Hälfte der schweren Unfälle liesse sich bereits jetzt vermeiden, wenn alle Fahrzeuge mit modernen Fahrerassistenzsystemen ausgestattet wären.

«Falsche Reaktionen» möglich

Jetzt will der Bundesrat neu die Automatisierungsstufe 3 erlauben. Das bedeutet: Autofahrerinnen und Autofahrer dürfen das Lenkrad künftig loslassen. Zugleich müssen sie aber in der Lage sein, «die Fahrzeugbedienung jederzeit wieder selber auszuüben», wie es im Verordnungsentwurf heisst.

Diese Zwischenstufe zum vollautomatisierten Fahren birgt jedoch «neue Risiken», insbesondere in zeitkritischen Situationen, wie die BFU erläutert. Warum? Wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Mensch mehrere Sekunden braucht – typischerweise vier bis sechs –, um in der Fahrsituation angemessen zu reagieren. Und es dauert noch länger, wenn der Fahrer abgelenkt wird, etwa, weil er liest. «Falls ihm weniger Zeit zur Verfügung steht, um das Fahrzeug wieder selber zu steuern, drohen falsche Reaktionen», sagt BFU-Sprecher Leibundgut. Denkbar sei etwa, dass der Fahrer erschrecke und übersteuere.

Der Unfallversicherer Suva sieht es wie die BFU: Automatisiertes Fahren bietet langfristig die Chance, die Sicherheit im Strassenverkehr zu erhöhen und Unfälle zu verhindern. «Auf dem Weg dahin gibt es kurz- und mittelfristig aber auch Risiken, die thematisiert werden müssen», sagt Suva-Sprecherin Simone Isermann. «Automatisiertes Fahren darf nicht zu zusätzlichen Unfällen führen, sei dies wegen des Menschen oder der Technik.»

«Lebenslanges Lernen wird für die Autofahrer endgültig zur Pflicht.»

Michael Gehrken, Fahrlehrerverband

Bedenken haben auch die Fahrlehrer. Michael Gehrken, Präsident des Schweizerischen Fahrlehrerverbands L-Drive Schweiz, spricht von «grossen Risiken» für die Verkehrssicherheit, die der Übergangsprozess zum vollautomatisierten Fahren berge. «Mit jeder Neuerung werden wir einen enormen Ausbildungsbedarf haben.»

Das Nebeneinander verschiedener Stufen der Automatisierung werde den Verkehrsalltag kaum einfacher gestalten. «Lebenslanges Lernen», sagt Gehrken, «wird für die Autofahrer endgültig zur Pflicht.»

Die Grenzen von Mercedes’ «Drive Pilot»

Gehrken deutet es an: Dieser Übergang wird dauern. Noch ist in der Schweiz kein automatisiertes Fahrsystem der Stufe 3 zugelassen. In Europa haben bis jetzt einzig die Mercedes S-Klasse und der Mercedes EQS diese Zulassung erhalten. Das System heisst «Drive Pilot».

In Deutschland dürfen diese Wagen auf Autobahnen damit fahren – allerdings nur, wenn das Tempo auf unter 60 fällt, der Verkehr also stockt. Dann darf der Fahrer die Steuerung der Maschine überlassen.

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Doch das neue System stosse an seine Grenzen, bilanzierte unlängst der Allgemeine Deutsche Automobil-Club. Der «Drive Pilot» funktioniere etwa bei Dunkelheit, Nebel oder Regen nicht, ebenso bei Baustellen und in Tunneln.

Warum das System eine Art Vorsichtsanker hat, liegt auf der Hand: Im Level-3-Betrieb geht die Verantwortung der Fahraufgabe auf den Hersteller über. Nicht der Fahrer müsste sich bei einem Unfall vor dem Gesetz verantworten, sondern der Hersteller.

Robotaxis dürfen nicht mehr fahren

Dass es heikel werden kann, zeigt sich bei einem aktuellen Fall. Die Robotaxi-Firma Cruise darf nach zwei Unfällen mit Fussgängern vorerst keine Autos ohne Menschen am Steuer mehr auf die Strassen von San Francisco schicken. Diese Modelle seien nicht sicher genug, urteilt die kalifornische Verkehrsbehörde. Fahrzeuge des Konkurrenten Waymo dürfen dagegen weiter fahrerlos durch San Francisco fahren.

(FILES) Members of SafeStreetRebel, a group of anonymous anti-car activists, place a cone on a self-driving robotaxi to disable it in San Francisco, California on July 11, 2023. California authorities on October 24, 2023 suspended testing of Cruise driverless cars put to work in the US state as robotaxis by General Motors, citing safety concerns following a series of accidents and other problems. (Photo by Josh Edelson / AFP)

Cruise gilt als Vorreiter beim autonomen Fahren. Zum Verhängnis wurde dem Tochterunternehmen von General Motors offenbar insbesondere ein Unfall Anfang Oktober: Eine Frau geriet unter ein Cruise-Fahrzeug und wurde mehrere Meter mitgeschleift. Das zeige, dass diese Autos nicht sicher genug seien, urteilt die Behörde. Dem Unfallbericht zufolge wurde die Fussgängerin zunächst von einem anderen Wagen mit einem Menschen am Steuer angefahren und vor das selbstfahrende Auto geschleudert. Das selbstfahrende Auto habe zwar sofort gebremst, den Zusammenstoss aber nicht mehr verhindern können.

Besonders kritisch sieht die Verkehrsbehörde, was danach geschah. Das Robotaxi blieb zunächst stehen, versuchte dann aber, an den Strassenrand zu fahren. Die unter dem Wagen steckende verletzte Frau sei dabei rund sechs Meter mitgeschleppt worden, und der Wagen habe ein Tempo von gut elf Kilometern pro Stunde erreicht. Cruise teilte am Dienstag mit, man prüfe, wie die Software für die Reaktion auf solche seltenen Ereignisse verbessert werden könne.

Bund plant Überwachung

Das Beispiel zeigt, wie stark die Autofahrer und andere Verkehrsteilnehmer künftig darauf angewiesen sind, wie gut die Technik funktioniert. Die Schweiz ist hier vom Ausland abhängig, denn die Zulassung der verschiedenen Automatisierungssysteme geschieht auf europäischer Ebene.

Der Überprüfung, ob ein neues System alle Anforderungen erfüllt, kommt laut Bundesrat in Zukunft eine «zunehmende Bedeutung» zu. Denn die Zahl der Softwares in der Fahrzeugtechnik steigt laufend, und es wird immer wieder Anpassungen in den technischen Reglementen geben. Automatisierte Fahrzeuge würden zwar ein hohes Potenzial für die Verbesserung der Verkehrssicherheit aufweisen, «sind aber auch mit Risiken verbunden, wenn sie nicht sachgemäss verwendet werden», schreibt der Bundesrat.

Das federführende Bundesamt für Strassen plant deshalb eine Marktüberwachung. Es wird bei Bedarf die Konformität der Automatisierungssysteme selber überprüfen. «Es geht um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden», sagt Sprecher Thomas Rohrbach.

Bis die ersten Autos mit Automatisierungsstufe 3 in der Schweiz fahren werden, dürfte es aber nicht mehr allzu lange dauern. Das Bundesamt geht davon aus, dass die neuen Regeln des Bundesrats 2025 in Kraft treten werden.