Grünem Star vorbeugenDer Druck im Auge steigt – werden die ersten Symptome bemerkbar, ist es oft schon zu spät
Ein Glaukom ist weltweit die zweithäufigste Ursache für Erblindungen. Wer im Alter noch gut sehen will, sollte seine Augen regelmässig kontrollieren lassen.
- Der Augendruck sollte ab 50 regelmässig kontrolliert werden, um einem Glaukom vorzubeugen.
- Glaukom kann zu Sehverlust führen.
- Bei früher Erkennung kann der Prozess meist gestoppt werden.
- Experten empfehlen, bei Risikofaktoren bereits ab 40 Untersuchungen durchzuführen.
Ursula Loppacher (Name geändert) hatte Glück: Weil bereits ihr Vater an einem Glaukom erkrankt war, liess sie ihren Augeninnendruck bereits kurz nach ihrem 40. Geburtstag zum ersten Mal messen. Tatsächlich wurde bei ihr ein leicht erhöhter Druck festgestellt. Aufgrund der Diagnose erhielt sie eine Behandlung, was eine verhängnisvolle Entwicklung verhinderte.
Das Glaukom – auch unter dem Begriff «grüner Star» bekannt – ist eine Augenerkrankung und kann längerfristig zu einer Sehbehinderung oder gar zu Erblindung führen. Der weitaus häufigste Grund dafür ist ein erhöhter Augeninnendruck. Dieser entsteht im kleinen Raum zwischen Linse und Hornhaut, in dem das sogenannte Kammerwasser zirkuliert – nicht mit der Tränenflüssigkeit zu verwechseln.
Unbemerkter Schaden am Sehnerv
Das Kammerwasser versorgt Linse und Hornhaut mit Nährstoffen, wehrt Keime ab und schwemmt schädliche Stoffe heraus. Normalerweise sind Produktion und Abfluss dieser Flüssigkeit so eingestellt, dass der Druck stabil und ungefährlich bleibt. Manchmal ist jedoch der Abfluss behindert, oder es wird zu viel Kammerwasser gebildet – oder beides.
Wenn dann der Druck steigt, kann der Sehnerv Schaden nehmen und sich das Gesichtsfeld von den Rändern her zunehmend einengen. Das Perfide daran ist, dass Betroffene dies meist erst in weit fortgeschrittenem Stadium bemerken. Denn das Gehirn vermag die entstehenden Lücken anfangs noch zu kompensieren. Bis sich die ersten Symptome bemerkbar machen, ist der Sehnerv meist schon unwiderruflich geschädigt.
Hoher Blutdruck mitverantwortlich
Nach ihrer Diagnose erhielt Ursula Loppacher Augentropfen verschrieben, die den Augendruck normalisieren sollten. Dennoch musste sich die heute 69-Jährige später am Universitätsspital Basel einer umfassenden Abklärung unterziehen. Schliesslich wurde das linke Auge gelasert und das rechte operiert. Doch damit konnte das Fortschreiten der Erkrankung nicht gestoppt werden.
Die Spezialistinnen und Spezialisten suchten deshalb nach anderen Ursachen, die für das Problem verantwortlich sein könnten – etwa ein Tumor. Sie fanden jedoch nichts ausser einem leicht erhöhten Blutdruck. Seit sie dagegen Medikamente einnimmt und regelmässig Augentropfen benutzt, hat Loppacher die Glaukomerkrankung allmählich in den Griff bekommen.
Glaukom: Häufig, aber kaum bekannt
Das Glaukom ist weltweit die zweithäufigste Ursache für Erblindungen, gleich nach dem grauen Star (Katarakt). Bei Letzterem handelt es sich um eine fortschreitende Trübung der Linse mit zunehmendem Alter. Der graue Star wird von den Betroffenen jedoch bemerkt und kann relativ einfach operiert werden. Der Eingriff, bei dem die Linse ersetzt wird, findet in der Schweiz jährlich rund 100’000-mal statt.
Vom grünen Star sind in der Schweiz ein bis zwei Prozent der über 40-Jährigen betroffen, und jährlich verlieren bis zu 200 Menschen deswegen das Augenlicht. Doch die Früherkennung sei beim Glaukom noch immer ein vernachlässigtes Thema, sagt Konstantin Gugleta, stellvertretender Chefarzt an der Augenklinik des Universitätsspitals Basel. «Man stirbt zwar nicht daran, aber eine starke Einschränkung des Sehvermögens oder gar eine Erblindung bedeuten eine grosse Einbusse an Lebensqualität.»
Kontrolle beim Optiker genügt nicht
Häufig sind es die Optikerinnen und Optiker, die Personen mit einem auffälligen Befund an einen Augenarzt oder eine Augenärztin überweisen. Im Optikgeschäft wird meist routinemässig eine berührungsfreie Augendruckmessung mithilfe eines Luftstrahls durchgeführt. Dies gebe einen ersten, hilfreichen Anhaltspunkt, sagt Gugleta. «Doch allein mit dieser Untersuchung besteht die Gefahr, dass ein beginnendes Glaukom verpasst wird.» Besser ausgebildet für Augenuntersuchungen aller Art sind Optometristen und Optometristinnen.
Genauere Hinweise auf ein beginnendes Glaukom liefert das sogenannte Tonometer, mit dem der Augeninnendruck durch leichtes Eindellen der Hornhaut gemessen wird. Eine Augendruckmessung reicht jedoch nicht immer aus. Denn manchmal nimmt der Sehnerv Schaden, obwohl die Werte im normalen Bereich liegen. Umgekehrt muss ein erhöhter Druck nicht zwingend zu einer Schädigung des Sehnervs führen. Augenärzte beurteilen deshalb den Sehnerv mit dem Biomikroskop und messen die Dicke der Hornhaut. Weiter steht die Gesichtsfelduntersuchung zur Verfügung, welche einen wichtigen Hinweis auf den Verlauf liefert. Der Patient muss dabei auf Lichtpunkte reagieren, die innerhalb eines halbkugelförmigen Bildschirms aufleuchten.
Ab 40 oder 50 zur Kontrolle
Ab welchem Alter und wie oft die Früherkennungsmassnahmen durchgeführt werden sollen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Während Professor Gugleta die Untersuchung ab dem 55. bis 60. Lebensjahr empfiehlt, rät das Universitätsspital Zürich auf seiner Website Menschen kaukasischer Abstammung ab 50 dazu und Menschen mit afro- oder lateinamerikanischen Wurzeln bereits ab 40, denn bei dieser Bevölkerungsgruppe besteht ein erhöhtes Risiko. Auch bei familiärer Vorbelastung, Arteriosklerose, hohem Blutdruck, Diabetes und starker Kurzsichtigkeit ist eine Untersuchung bereits ab 40 angezeigt.
Die Kosten für eine Augendruckmessung belaufen sich auf knapp 50 Franken. Je nach Befund können weiterführende Untersuchungen hinzukommen. Die Grundversicherung der Krankenkasse übernimmt die Kosten für eine reine Vorsorgeuntersuchung ohne besonderen Anlass im Prinzip nicht. Doch in der Praxis gibt es so viele Risikofaktoren, vor allem in fortgeschrittenem Alter, dass in der Regel dennoch über die Kasse abgerechnet werden kann.
Anfangs gut behandelbar
Im Anfangsstadium kann ein Glaukom meist mit Augentropfen gut behandelt werden. Die enthaltenen Wirkstoffe setzen je nach Ursache an verschiedenen Stellen an: Entweder vermindern sie die Produktion des Kammerwassers, oder sie verbessern den Abfluss. Der Prozess kann zwar damit nicht rückgängig gemacht, aber gestoppt werden. Vermögen Augentropfen das Problem nicht zu entschärfen, stehen Operationen oder Eingriffe per Laser zur Wahl.
In seltenen Fällen kann sich ein Glaukom auch in kürzester Zeit entwickeln. Der sogenannte Glaukomanfall geht mit plötzlich auftretenden Kopfschmerzen und Übelkeit einher. Er muss notfallmässig behandelt werden: Wenn es mit medikamentösen Massnahmen nicht zu einer Besserung kommt, kann mit einem chirurgischen Eingriff oder einer Laserbehandlung eine schnelle Absenkung des Augeninnendrucks erzielt werden.
Ursula Loppacher ist froh, dass sie sich rechtzeitig untersuchen liess. «Es ist eine unheimliche Krankheit», sagt die ehemalige Pflegefachfrau. «Der Prozess schreitet langsam voran, ohne dass man etwas davon merkt.» In den letzten drei Jahren musste sie beidseitig auch den grauen Star operieren lassen und erhielt eine neue Linse. Da diese etwas kleiner ist als die natürliche, wird die vordere Augenkammer etwa grösser, was sich positiv auf den Augeninnendruck auswirkt.
Zudem muss Loppacher Blutdruckmedikamente einnehmen und weiterhin täglich Tropfen in ihre Augen geben, um den Druck stabil zu halten. Mit diesen Massnahmen konnte sie Einschränkungen der Sehkraft bis heute vermeiden. «Das ist wichtig, weil ich viel lese, Sport im Freien treibe und Auto fahre.»
Der Artikel wurde am 30.1. leicht angepasst.
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