Migros-Frau überrascht mit WechselAufstieg im Schnellzugstempo
Der globale Logistikkonzern Kühne+Nagel beruft erstmals eine Frau ins Topmanagement. Sarah Kreienbühl kommt vom orangen Riesen – wo sie nicht nur gut angekommen sein soll.
Effizient und zielstrebig sei sie, wird ihr nachgesagt. Sarah Kreienbühl, Personal- und Kommunikationschefin der Migros, ist seit ihrem Start vor rund vier Jahren intern rasch aufgestiegen. Per April wechselt die 52-Jährige – und das ist sogar für Insider überraschend – zum internationalen Logistikkonzern Kühne+Nagel.
Dort wird mit Kreienbühl zum ersten Mal in der 132-jährigen Geschichte eine Frau in die Geschäftsleitung einziehen. Sie folgt auf Lothar Harings, der mit 63 Jahren in Pension geht. Kühne+Nagel dürfte froh um dieses Engagement sein. Die Firma geriet in den vergangenen Monaten unter Zugzwang, weil andere börsenkotierte Firmen aus Diversity-Überlegungen zunehmend Frauen ins Topmanagement berufen hatten.
Sie musste zahlreiche Leute entlassen
Frauen mit Geschäftsleitungserfahrung sind deshalb stark gefragt auf dem Transfermarkt, und solche mit Affinität zur männerdominierten Logistikbranche besonders. In der Mitteilung zum Wechsel betont Kühne+Nagel, mit Kreienbühl eine «hervorragend qualifizierte Führungspersönlichkeit» in die Geschäftsleitung berufen zu können.
Kreienbühl war Anfang der 90er-Jahre Welt-, Europa- und Schweizer Meisterin in verschiedenen Tanz-Disziplinen und unternahm später anspruchsvolle Bergtouren auf Viertausender, wie die «Handelszeitung» berichtete. Jetzt zeigt Kreienbühl, dass sie nicht nur privat über Durchhaltewille und Ambitionen verfügt.
Bei der Migros, wo die Mitarbeitenden einschneidende Veränderungen lange Zeit nicht allzu gewohnt waren, hat sie trotz Gegenwind einiges erreicht: Unter Kreienbühls Führung wurde die Kulturförderung, Migros-Kulturprozent genannt, umgebaut. Auch die Klubschulen und die Konzernkommunikation hat die Topmanagerin neu aufgestellt. Und das viel gelesene «Migros-Magazin» rückte näher an die Marketingkommunikation. Das alles ging nicht ohne harte Massnahmen: Kreienbühl musste – nicht besonders Migros-mässig – zahlreiche Leute entlassen.
Von der Genossenschaft zum Weltkonzern
Eine Person mit regelmässigem Kontakt zu Migros-Führungskadern sagt: «Sarah Kreienbühl ist sehr kompetent, sie hat klare Visionen und will etwas erreichen.» Eine Haltung, die auch weniger positiv verstanden werden kann. So scheint Kreienbühls fordernder Stil nicht bei allen gut angekommen zu sein. «Sie hatte nicht nur Freunde. Einige Kollegen waren irritiert darüber, dass sie sich einmischte und Vorschläge einbrachte, die ausserhalb ihres Wirkungsfeldes liegen», sagt eine andere Person, die der Migros-Führung nahesteht.
Ob nun «zu forsch» oder «kompetent und visionär»: Kreienbühl wird sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Bei Kühne+Nagel, dem 24-Milliarden-Konzern mit Sitz in Schindellegi SZ, wo sie als Personalchefin knapp 80’000 Mitarbeitende in 100 Ländern betreuen wird, ist ihr Arbeitsfeld weit internationaler. Die Betriebskultur dürfte sich markant von derjenigen der Genossenschaft mit dem orangen M unterscheiden.
Wer bei der Migros Kreienbühls Nachfolge übernehmen wird, ist noch nicht klar. Gut möglich, dass die Migros den Abgang nutzt, die Verflechtung von Personalwesen und Kommunikation/Marketing zu entwirren. Es kann nämlich zu heiklen Entscheidungen kommen, wenn die oberste Personalchefin gleichzeitig wesentliche Geschäftsbereiche verantwortet – sprich Verlagsleiterin ist und das 100-Millionen-schwere Kulturprozent verwaltet.
Korrektur: In der ersten Version stand, Sarah Kreienbühl sei für die Werbebudgets der Migros verantwortlich. Das stimmt nicht. Wir haben die Stelle nachträglich korrigiert.
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