Kampf um Merkels NachfolgeAuf einmal ist Scholz der neue Liebling
Weil Armin Laschet und Annalena Baerbock schwächeln, ist Olaf Scholz zum bevorzugten Kanzlerkandidaten aufgestiegen. Und zieht nun auch seine Partei in die Höhe.
Noch im Mai galt Olaf Scholz als der «unsichtbare Dritte», der im Schatten des Duells von Christdemokraten und Grünen unterzugehen drohte. Drei Monate später wird der 63-jährige Sozialdemokrat von manchen Medien bereits als «lachender Dritter» dargestellt, der gegen alle Erwartung Angela Merkel als Nachfolger im Kanzleramt ablösen könnte.
Scholz’ verblüffender Aufstieg verdankt sich im Kern dem Absturz der beiden Favoriten. Erst machte sich die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wiederholt etwas grösser, als sie ist, dann lachte der Christdemokrat Armin Laschet im Flutgebiet an unpassender Stelle und galt fortan als Hallodri. Scholz hingegen tat, was er ohnehin am besten kann: als Vizekanzler regieren, als Finanzminister Geld verteilen, dröge, aber verlässlich – und fast immer ohne falsche Töne.
Seine Affären schaden ihm nicht
Während Laschet und Baerbock in der Gunst des Publikums sanken, stieg Scholz immer weiter auf. Eine Umfrage des Forsa-Instituts ergab am Mittwoch, dass 29 Prozent der Deutschen sich am liebsten ihn als nächsten Kanzler wünschen, nur 15 Prozent Baerbock, sogar nur 12 Prozent Laschet. Die Zahlen belegen freilich auch, dass das Angebot insgesamt nur sehr wenige Deutsche überzeugt.
Scholz’ persönliche Zustimmungswerte waren schon zuvor gut gewesen. Dass er bei der skandalösen Milliardenpleite des Finanzdienstleisters Wirecard als höchster Aufseher versagt und auch im sogenannten Cum-Ex-Skandal als früherer Hamburger Bürgermeister eine zweifelhafte Rolle gespielt hatte, scheint die Wählerinnen und Wähler weniger zu interessieren als Baerbocks Schummeleien und Laschets Gesichtsausdrücke.
Die SPD überholt erstmals die Grünen und liegt nur noch zwei Punkte hinter CDU und CSU.
Bis vor kurzem war die SPD in den Umfragen gleichwohl bei etwa 15 Prozent wie einbetoniert. Nun zieht Scholz seine Partei erstmals spürbar in die Höhe. Bei Forsa erreichte sie gerade 21 Prozent. Die SPD überholt damit erstmals die Grünen (19 Prozent) und liegt nur noch zwei Punkte hinter CDU und CSU, die noch Mitte Juli doppelt so stark waren wie die Sozialdemokraten.
Wird das Szenario also doch noch wahr, das Scholz’ Leute den Berliner Journalisten seit Monaten weiszumachen versuchen, über das aber alle immer nur lachten? Scholz’ Kalkül geht so: Weil erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik kein Amtsinhaber zur Wahl steht, werden nach Merkels Abgang alle Karten neu gemischt. Die Wählerinnen und Wähler in der Mitte, vor allem die Frauen, werden am Ende denjenigen Kandidaten bevorzugen, der der Kanzlerin am meisten ähnelt: nämlich ihn, den sachlichen, vertrauten, kompetenten Merkel-Stellvertreter Scholz. Um ihr nachzufolgen, muss die SPD nicht mal als stärkste Partei aus der Wahl hervorgehen: Platz 2 und eine sogenannte Ampelkoalition mit Grünen und FDP reichen vollauf.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Am Berliner Parteisitz galt Scholz deswegen schon länger als «der Merkel», was allerdings höchstens zur Hälfte als Lob gemeint war. Auf dem Titelblatt des neusten Magazins der «Süddeutschen Zeitung» treibt der Vizekanzler die Merkel-Nachahmung nun auf die Spitze, indem er mit den Händen lächelnd deren Raute formt.
Was Scholz als quasi unvermeidlich darstellt, wäre natürlich im Ergebnis immer noch eine Sensation. Als Kanzleranwärter steht ihm vor allem seine eigene Partei im Weg. Noch vor zwei Jahren hatten die Genossen ihn als Vorsitzenden verschmäht und zogen ihm zwei politische Leichtgewichte vor. Danach bog die SPD programmatisch scharf nach links ab, kürte aber, aus Mangel an besseren Kandidaten, dennoch den sozial-liberalen Scholz zu ihrem Kanzleranwärter. Partei und Kandidat passen also nicht richtig zusammen – ähnlich wie 2013, als der vormalige Finanzminister Peer Steinbrück auch an diesem inneren Widerspruch scheiterte.
Wieso sollte die FDP Rot-Grün zur Macht verhelfen?
Vor allem aber zeigen die Umfragen, dass die SPD unter den drei grössten Parteien jene ist, denen die Deutschen am wenigsten zutrauen, die anstehenden Probleme zu lösen. Ihre Kompetenz wird – im Unterschied etwa zu jener der Union – derart gering eingeschätzt, dass der Forsa-Demoskop Manfred Güllner glaubt, die Partei habe ihr Umfragemaximum wahrscheinlich bereits erreicht. Am Ende wählen die Deutschen am 26. September Parteien, nicht Kanzler – wenigstens nicht direkt.
Schliesslich ist eine von Scholz geführte Ampelkoalition mit Grünen und FDP zwar rechnerisch recht sicher, politisch aber ziemlich unwahrscheinlich. Entscheidend wird sein, wie sich die FDP verhält: Parteichef Christian Lindner strebt ausdrücklich eine Koalition mit CDU/CSU und Grünen an – jenes Jamaika-Bündnis also, das er 2017 noch sabotiert hatte. Die Grüne Baerbock in einer Ampel zur Kanzlerin zu wählen, hat er ausgeschlossen. Bei Scholz ist Lindner vorsichtiger, meint aber, «es fehle ihm die Fantasie», sich ein solches Bündnis vorzustellen. In der Tat: Warum sollte die FDP Rot-Grün zur Macht verhelfen, wenn sie auch mit der Union regieren könnte?
Fehler gefunden?Jetzt melden.