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Corona-Star der SPD
Der Genosse mit dem Füllhorn

Hunderte von Milliarden und Dutzende von Gesetzen gegen die Corona-Pandemie: Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
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Olaf Scholz, in normalen Zeiten ein knochentrockener Politiker, greift zur «Bazooka», um mit Milliarden die Schäden zu beheben, die das Coronavirus anrichtet. Er schmeisst mit Geld um sich, um mit «Wumms» aus der Krise zu kommen. Und Deutschland, dieses sonst so sparsame Land, jubelt dem Sozialdemokraten zu.

In einer ARD-Umfrage avancierte der Finanzminister gerade zum meistgeschätzten Politiker hinter Angela Merkel. Die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» widmete ihm ein lobendes Porträt, das die These verfolgt, Scholz habe im Grunde immer schon so gedacht, wie er heute handle.

Und jetzt Kanzlerkandidat?

In der «Zeit» stellte sich der 61-Jährige wegen des von ihm und Merkel ermöglichten Schuldenfonds der EU in eine Reihe mit dem amerikanischen Gründervater Alexander Hamilton. Im «Spiegel» sinnierte er über den Soziologen Max Weber und über Charisma in der Politik, auch das fehlende. Schon rufen seine Freunde die SPD dazu auf, ihn gleich nach der Sommerpause zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2021 zu küren.

Denkt man ein paar Monate zurück, ist Scholz’ Höhenflug nichts weniger als eine Erweckung von den Toten. Ende November hatten die SPD-Mitglieder ihn noch gedemütigt wie kaum einen Spitzenpolitiker vor ihm. Statt den Vizekanzler zum Parteichef zu küren, wählten sie lieber die kaum bekannten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. «Nur nicht Scholz!» setzte sich durch. Viele hätten danach aufgegeben, aber nicht Scholz. Er biss die Zähne zusammen – und regierte einfach weiter.

Ein Profi, aber kein Linker

Seit der langjährige Bürgermeister 2018 aus Hamburg nach Berlin zurückgekehrt war, verfolgte er entschlossen einen Plan: erst mit guter Regierungsarbeit überzeugen, dann ein fortschrittliches sozialdemokratisches Programm für 2021 entwickeln, Kanzlerkandidat der SPD werden – und schliesslich Kanzler. Wer ihm entgegnete, für eine 15-Prozent-Partei sei das höchste Ziel unerreichbar, wurde belehrt: Die erste Wahl nach dem Abgang von Kanzlerin Merkel sei viel offener, als alle dächten.

Der ehemalige Jungsozialist Scholz, ein pragmatischer Profi, der immer nach Kompromissen sucht, war in der Partei stets weniger beliebt als im Volk. In Hamburg wusste er absolute Mehrheiten hinter sich, der linke Flügel der SPD aber macht ihn bis heute für die neoliberalen «Sündenfälle» von Kanzler Gerhard Schröder verantwortlich. Scholz verteidigt ihn bis heute.

Vor der Pandemie war der Finanzminister für Linke ein «rotes Tuch». Während Walter-Borjans und Esken Milliardeninvestitionen und höhere Sozialleistungen forderten, sass Scholz auf dem Geld wie vor ihm der Christdemokrat Wolfgang Schäuble, der Hüter der «schwarzen Null». Die Corona-Krise machte aus dem Kassenwart mit den zusammengekniffenen Lippen den Genossen mit dem Füllhorn – aus dem die Milliarden nur so heraussprudelten.

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Um Unternehmen zu retten, spannte er einen gigantischen Schutzschirm auf. Um Solidarität in Europa zu ermöglichen, erlaubte er der EU, eigene Schulden aufzunehmen. Um den Konsum anzukurbeln, senkte er die Mehrwertsteuer. Den Genossen hüpfte das Herz im Leib. Und Scholz vergass nie zu betonen, das sei alles nur möglich, weil er vorher so vernünftig gewirtschaftet habe.

An der Spitze, aber mit wenig Einfluss: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nach ihrer Wahl als SPD-Vorsitzende im November 2019.

Ist der Krisenmanager des Moments nun auch der logische Kanzlerkandidat der SPD für 2021? Aus Sicht der Partei ist das erheblich weniger klar, als es in der Öffentlichkeit scheint. Sicher ist, dass die SPD ihren Kandidaten diesmal schneller bezeichnen möchte als 2017 und 2013, als Martin Schulz und Peer Steinbrück am Beginn des Wahljahres jeweils wie Sturzgeburten über ihre Partei gekommen waren.

Programm oder Person? Mitte oder links?

Die neuen Chefs Walter-Borjans und Esken haben die SPD in den letzten Monaten nach links geführt und zielen offen auf eine links-links-grüne Mehrheit nach der Wahl: Dann müsste die SPD nur noch vor den Grünen liegen, um den Kanzler zu stellen. Für eine prononciert linke, frische Kampagne aber wäre der technokratische Grosskoalitionär Scholz ziemlich sicher der falsche Kandidat. Eine eigene gute Alternative hat der linke Flügel aber nicht zu bieten.

So steht die SPD davor, einen anderen ihrer traditionellen Fehler zu wiederholen: 2013 und 2017 reichte der ungeliebte Parteichef Sigmar Gabriel die Kandidatur jeweils an beliebtere Kandidaten weiter. Vor allem dem ehemaligen Finanzminister Steinbrück verpasste er aber ein derart linkes Programm, dass dieser im Wahlkampf wie sein eigenes Dementi klang. Dass Programm und Person nicht zusammenpassen, könnte nun auch Scholz blühen – zumindest falls die linke Parteispitze sich tatsächlich dazu durchringt, ihn zum Kandidaten zu erklären.