NHL-PlayoffAuch mal draufhauen: Wie die Schönspieler ihr Trauma überwanden
Der ewige Favorit Tampa ist nun auch im Playoff erfolgreich und steht im NHL-Final. Die Erfolgsstory der Lightning ist dennoch nicht nur romantisch.
4:1 gegen Columbus, 4:1 gegen Boston und nun 4:2 gegen die New York Islanders. Der Weg in den Final der Tampa Bay Lightning ist beeindruckend. Nicht nur, weil sich die Mannschaft aus dem US-Bundesstaat Florida auf sehr schnellem Weg durchgesetzt hat. Sondern weil sie dies ausschliesslich gegen Gegner tat, die im unerbittlichen Playoff-Alltag als besonders lästige Widersacher gelten, die alle Register des Spiels mit der Härte, der Provokation, der unspektakulären, aber umso effizienteren Defensive ziehen können. Oder kurz: All das in die Waagschale werfen können, was gegen die als übertalentierte Schönspieler und nervenschwache Favoriten verschrienen Tampa Bay Lightning als bestes Gegenmittel galt. Bis jetzt.
Zu Beginn der Wandlung steht das penible Erstrunden-Aus vor einem Jahr. Mit 62 Siegen in 82 Spielen hatte Tampa den als unerreichbar geltenden NHL-Rekord von 1995/96 (Detroit Red Wings) egalisiert gehabt und scheiterte im Playoff dann prompt am krassen Underdog Columbus. Eine unglückliche Niederlage in Spiel 1 (3:4 nach 3:0-Führung) reichte, um das Nervenkostüm der Lightning nachhaltig zu schwächen, es folgten drei Pleiten mit 5:15 Toren und 1000 Fragen von Fans und Medien, ob das «System Tampa» trotz aller spielerischer Brillanz vielleicht doch nicht für den ultimativen Erfolg gemacht ist.
Die spielerische Leichtigkeit, sie ist noch da
Es ist nicht so, als würde Tampa ein Jahr später nicht weiterhin für spielerische Leichtigkeit oder technische Magie am Puck stehen. All dies garantiert allein schon das Sturm-Duo Nikita Kucherov und Brayden Point. Wenn die beiden bei einem längst entschiedenen Spiel den Zauberstab auspacken und Treffer wie den folgenden zum 6:1 gegen die Islanders in Spiel 1 zelebrieren, dann überschlägt sich Social Media nach wie vor mit solchen entzückten Posts:
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Und genauso wenig haben sie den Ruf der Star-Truppe gänzlich abstreifen können, deren Protagonisten die Liga auch mit solchen, bei technisch brillanten Teams nicht selten vorkommenden Mätzchen und anderen unnötigen Dingen nerven:
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Etwas hat sich aber verändert. Die Lightning, von Jon Cooper gecoacht, einem Trainer, der trotz seiner 53 Jahre als modern und offen für Analytics gilt, sind zwar nicht von ihrem Weg abgekommen, sie suchen ihr Heil in erster Linie immer noch mit Tempo, Puckbesitz, Offensive und Spielkontrolle. Sie haben aber auch die andere, weniger schöne Seite des rauen Playoff-Eishockeys adaptiert.
Sie bezwangen in der Reprise vom Vorjahr Columbus zwar scheinbar deutlich mit 4:1 Siegen. Sie überstanden dabei aber eine Serie mit lauter Unwegsamkeiten wie Spiele mit fünffachen Overtimes und trotzten dem erneut exzellent auf sie eingestellten Underdog mit viel Widerstandskraft. Es ist äusserst fraglich, ob die Lightning vom Vorjahr diese Herausforderung gemeistert hätte.
Auch dem taktischen Hexenmeister Barry Trotz getrotzt
Sein bisheriges Meisterstück legte Tampa aber im Halbfinal ab gegen die New York Islanders, dem vielleicht in der eigenen Zone am besten organisierten NHL-Team – eine Mannschaft, gecoacht vom schlauen Erfolgstrainer und taktischen Defensiv-Hexenmeister Barry Trotz, die auch noch ungehemmt auf alte Tugenden wie brachiale Härte setzt und damit reihenweise besser besetzte Teams mental und physisch zermürben kann.
Spiel 2 dieser Serie, das mit 2:1 an Tampa ging, war nichts anderes als eine 60 Minuten lange Schlacht mit Bodychecks, Provokationen, Stockschlägen und anderen Aktionen nicht nur am Rande der Legalität. Das Erstaunliche: Die Lightning hielten nicht nur dagegen, sondern waren in dieser für sie ungewohnten Disziplin teilweise federführend. Das bekam zum Beispiel Brock Nelson, einer der besten Stürmer der Islanders, mehrfach zu spüren.
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Den Wandel brachten nicht nur, aber vor allem Transfers. Vor und vor allem während der Saison verpflichtete Tampa sowohl in der Defensive wie auch in der Offensive physische Rollenspieler wie Barclay Goodrow, Blake Coleman, Zach Bogosian oder gar einen Luke Schenn, der so ziemlich alles verkörpert, was als physisches «Old School»-Hockey gilt. All diese Spieler markieren nicht in erster Linie mit Skorerpunkten oder Firlefanz ihre Präsenz …
Die Tampa Bay Lightning standen in den letzten Jahren als Posterboys fürs moderne Eishockey und eine von Analytics getriebene Organisation einerseits. Und für die Old-School-Experten dienten sie andererseits als Beweis, dass es mit schönem Eishockey allein im Playoff nichts zu gewinnen gibt. Die Lightning haben es im Playoff 2020 geschafft, beide Welten zu vereinen. Im Final treffen sie ab Samstag auf Dallas, dem Überraschungsteam aus der Western Conference. Die Lightning sind klarer Favorit.
Auch, weil sie Momente wie diesen hier aus Spiel 6 am Donnerstag aufs Eis zaubern können. Es ist der vielleicht perfekte Shift der Lightning inklusive Krönung, eine Demonstration der spielerischen Dominanz mit zwei offensiv aktiven Verteidigern (#77 Viktor Hedman und #81 Erik Cernak) sowie einem vor Kreativität nur so strotzenden Sturmtrio Kucherov/Point/Ondrej Palat – das Quintett spielt das Abwehrbollwerk der Islanders müde:
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