Schweizer im NHL-PlayoffJosi rannte vergebens an, Kukan war spektakulär unspektakulär
Wer war dominant? Wer überraschte? Ein detaillierter Blick auf die komplett unterschiedlichen Rollen der Schweizer.
Pre-Playoff. Oder Qualifier. Die am Sonntag zu Ende gegangene erste Phase des NHL-Playoff in Zeiten von Corona kannte diverse Namen. Die 8 Serien, um die Teams auf den Setzlisten 9 bis 16 (die Top 8 waren bereits qualifiziert) zu bestimmen, sie sorgten im Vorfeld für viele Fragezeichen: Würde das Konzept mit den «Bubbles» in Edmonton und Toronto funktionieren? Würden Spiele ohne Zuschauer im Stadion wirklich Playoff-würdig sein? Kann in einer kurzen Best-of-5-Serie (statt des üblichen Best of 7) echtes Playoff-Feeling aufkommen? Grösstenteils dürften all diese Fragen mit einem Ja beantwortet werden.
Dieses Pre-Playoff, es war auch aus Schweizer Sicht äusserst interessant. Sechs Schweizer in fünf Teams standen im Einsatz, vier davon in tragenden Rollen – in sehr unterschiedlichen Rollen. Es folgt ein detaillierter Blick auf die Leistungen von Roman Josi (Nashville), Kevin Fiala (Minnesota), Nino Niederreiter (Carolina) und Dean Kukan (Columbus) – aber auch die nur marginal eingesetzten Yannick Weber (Nashville) und Gaëtan Haas (Edmonton) sollen nicht unerwähnt bleiben. Denn auch wenn nur Niederreiters Hurricanes und Kukans Blue Jackets siegreich blieben und für den Rest bereits Saisonende ist: Spezielle sportliche Storys schrieben alle.
Roman Josi: Immer und immer wieder – bis zum bitteren Ende
Was soll man noch zu Roman Josis Leistungen sagen? Der Berner ist einer der besten Offensiv-Verteidiger der Welt, vielleicht sogar der beste. Er steht in der finalen Auswahl für die Wahl des besten Abwehrspielers der NHL-Saison. Warum das so ist, zeigte Josi noch und noch. Seine Nashville Predators unterlagen zwar überraschend dem Underdog Arizona Coyotes in 4 Spielen, zu behaupten, Josi habe nicht alles unternommen, um das Aus abzuwenden, wäre falsch. Ja, vielleicht wollte er sogar zu viel, der Captain der Predators.
Es ist in Nashville quasi so etwas wie Tradition, dass man zwar wie alle anderen Teams auch sechs Verteidiger aufs Matchblatt setzt, jedoch oft nur vorwiegend mit deren vier spielt. Das sind dann Josi, sein ständiger Partner Ryan Ellis sowie Mattias Ekholm und Dante Fabbro. Das Forcieren dieses Quartetts nimmt vor allem dann, wenn die Predators zurückliegen, teilweise absurde Ausmasse an – insbesondere Josi/Ellis werden dann bis zur Schmerzgrenze ausgepresst. Und weil die Predators gegen die ihre Eiszeit deutlich breiter verteilenden Coyotes trotz optischer Überlegenheit häufig zurücklagen, ergaben sich am Ende der Serie folgende Einsatzzeiten in der Abwehr: Josi stand durchschnittlich pro Partie 26:56 Minuten auf dem Eis, es folgten Ellis (26:39), Ekholm (24:08) und Fabbro (20:35). Für Verteidiger Nummer 5 (Jarred Tinordi / 10:35) und vor allem 6 (der Schweizer Yannick Weber / nur 8:38 Minuten) bleiben da nur Brosamen.
Josi erhielt also genug Gelegenheit, um eine seiner grössten Stärken unter Beweis zu stellen. Wie nur wenige Verteidiger versteht er es, den Puck aus der eigenen Zone ins Angriffsdrittel zu tragen, kaum je bleibt er hängen, er ermöglicht seinem Team regelmässige problemlose Zoneneintritte ohne viel Schnickschnack. Das wären Traumbedingungen für Erfolg. Wären – denn das Problem der Predators war gegen teilweise zwar limitierte, aber bissige Coyotes immer wieder das gleiche. Josi (oder Ellis) trugen den Puck nach vorne, doch dann geschah viel zu wenig.
Es gäbe unzählige ähnliche Beispiele, schauen wir uns dieses hier aus Spiel 1 an:
Und so blieb Nashville vier Spiele lang trotz Vorteilen in fast allen statistischen Bereichen nur der Frust. Dafür sorgte auch Coyotes-Goalie Darcy Kuemper, der eine grossartige Serie spielte, aber bei weitem nicht der einzige Grund für das überraschende Weiterkommen Arizonas war.
Der Frust zeigte sich bei allen, auch beim Captain. Josi, permanent auf Trab, stand nicht nur einmal auch bei Gegentoren im Fokus – nicht selten nach einer Anhäufung von kräftezehrenden Shifts mit nur wenig Erholungszeit dazwischen. Und so war beim ansonsten so besonnenen Berner plötzlich auch die emotionale Zündschnur kurz, als er in der Schlussphase von Spiel 3 sich eine kleine Keilerei mit Arizonas Abwehrstar Oliver Ekman-Larsson lieferte. Es geschah 90 Sekunden vor Schluss, beim Stande von 1:4, dies in der einzigen Partie der Serie, die keine 24 Stunden nach dem vorigen Spiel stattfand. Rücksicht auf die Eiszeiten hatte Nashvilles Coaching-Crew dennoch keine genommen: Ellis spielte an jenem Abend knapp 29 Minuten, Josi über 27 (Weber nur 5, Tinordi nur 8). Auch das war irgendwie sinnbildlich für die für Nashville durch und durch frustrierende Serie.
Kevin Fiala: Magier allein auf weiter Flur
Der spektakulärste Schweizer Spieler des Pre-Playoff? Nein, das war trotz allem nicht Josi, sondern Kevin Fiala. Auch ihm blieb am Ende zwar der sportliche Frust: Der Stürmer der Minnesota Wild schied mit ebenfalls 1:3 Siegen gegen die Vancouver Canucks aus – trotz 3:0-Erfolg in Partie 1 in einem für die Wild fast perfekten Playoff-Spiel. Minnesota bestätigte danach aber die Vorurteile und zeigte sich als defensiv zwar solides, aber auch langsames, eher altes und in der Offensive einfallsloses Team, das es tatsächlich fertigbrachte, in den ersten drei Spielen null Tore bei 5-gegen-5-Hockey zu erzielen. Zum Glück war da Fiala.
Ja, gegen Ende der Serie liess auch er etwas nach, wurde der Frustpegel beim Ostschweizer höher. Da löste er einmal tatsächlich eine Keilerei aus, weil er den gegnerischen Goalie grundlos wegschubste und an frühere Disziplinlosigkeiten erinnerte. Doch zuvor war Fiala nichts weniger als der beste Stürmer Minnesotas. Der Luftikus, der in seinen Jugend- und Flegeljahren manchen Coach in die Verzweiflung trieb, bestätigte seine Wandlung in diesem Playoff eindrücklich. Die vier Skorerpunkte, davon drei Tore, sind nur das eine. Die Reife, die Dominanz, ja sogar das defensive Gewissen – Fiala überzeugte facettenreich.
Dass Fiala, wenn er Lust hat, ein verblüffender Künstler am Puck sein kann, ist nichts Neues. Doch der Flügelstürmer legte gegen Vancouver auch solch herausragende Shifts aufs Eis:
Wie wichtig Fiala mittlerweile im Team der Wild ist, wie sehr er Schritt für Schritt auf der Hierarchieleiter hochgeklettert ist, zeigen einerseits die Eiszeit und die Rollenverteilung: Hinter den beiden Altstars Eric Staal und Zach Parise erhält Fiala am drittmeisten Auslauf. Er und Center Staal bildeten gegen Vancouver die einzige Konstante in der Paradeformation, rundherum rotierte Headcoach Dean Evason diverse Spieler.
Wie hoch Evason und sein Coaching-Team Fiala einschätzen, zeigen aber auch kleine Details wie dieses hier: Es folgen aus den ersten beiden Spielen gegen Vancouver im Schnelldurchlauf 13 der 15 Angriffsauslösungen der ersten Powerplay-Formation der Wild. Sie haben eines gemein: Stets laufen sie über Fiala, kein einziges Mal kann Vancouver den Zoneneintritt Minnesotas verhindern:
Nino Niederreiter: Viel Kampf, viel Krampf – viel Erfolg
Wenn wir nun bei Kevin Fiala und seinem Spiel vor allem die Leichtigkeit des Seins bewundern konnten, landen wir nun quasi am anderen Ende des Spektrums. Playoff-Eishockey ist nicht immer nur schön, das durfte Carolinas Nino Niederreiter gegen die Rangers einmal mehr erfahren. (Nicht dass er es nicht schon gewusst hätte …) Schön ists aber, wenn man gewinnt, und das taten die Hurricanes gegen die New York Rangers: 3:0 Siege, 11:4 Tore – kein anderes Team beendete seine Serie derart souverän wie Carolina. Doch der Schein trügt, gerade für Niederreiter und seine Linienpartner. Der Churer hat eine Serie voller Kampf, Krampf, Bandenduelle, Checks und kaum mit offensiven Highlights hinter sich.
Im Gegensatz zu Fiala wechselten Niederreiters Sturmpartner so gut wie nie. Drei Spiele lang hiess es fast durchwegs: links Niederreiter, in der Mitte der Amerikaner Vincent Trocheck, rechts der junge Tscheche Martin Necas. Und auch wenn allen drei Stürmern durchaus auch Offensivrollen zugemutet werden können (Trocheck schoss vor erst zwei Jahren 31 Tore für Florida), war das die dritte Linie Carolinas, die vorwiegend auf die dritte und die vierte Linie der Rangers prallte. Das tönt nicht nur so, das war es auch oft: ein Murks, mit wenigen Torchancen hüben wie drüben.
Immerhin: Was die Eiszeit angeht, ist es bei Carolina kein grosser Nachteil, in Linie 3 zu spielen. Headcoach Rod Brind’Amour verteilt die Einsätze in der Regel einigermassen gleichmässig, zudem darf Niederreiter fix in der 2. Powerplay-Formation der Hurricanes ran.
Und wir wollen hier ja nicht nur die schönen, glänzenden Seiten des Eishockeys zelebrieren. Zu einem zähen Playoff-Fight gehört das hier eben auch: Es folgen Niederreiters Szenen entlang der Banden, weil es vor allem davon unzählige gab.
Wir hätten ja gerne auch offensive Highlights von Niederreiter und seinen Linienpartnern gezeigt. Aber die Hauptbeschäftigung war nebst Banden-Duellen vor allem die Knochenarbeit, sich in der eigenen Zone zu verteidigen. Hin und wieder prallte das Trio auch auf die Rangers-Stars Mika Zibanejad oder Artemi Panarin. Und auch wenn es in diesen Szenen hin und wieder den Anschein macht, als mache Niederreiter fast zu viel in der eigenen Zone, als jage er den Puck, um ja nichts anbrennen zu lassen, gelingt ihm (und Trocheck und Necas) am Ende genau dies: nichts anbrennen zu lassen. Das Trio kassierte in drei Spielen kein einziges Gegentor und erzielte selber eines.
Als Niederreiter seine NHL-Karriere vor fast zehn Jahren bei den New York Islanders begann, wurde er unter anderem genau dafür kritisiert, zu wenig von all dem zu machen, was wir hier gerade sahen. Und auch wenn am Ende im Playoff vor allem der Sieg zählt: So ganz zufrieden dürfte der Schweizer mit dieser Serie gegen die Rangers nicht gewesen sein. Es ist noch nicht so lange her, dass er auch bei den Hurricanes als Offensivkraft in der ersten Linie neben Star-Center Sebastian Aho brillierte.
Apropos Aho: Seine Linie mit Andrei Swetschnikow und Teuvo Teräväinen schoss die Hurricanes fast im Alleingang weiter, die Linien 2 bis 4 trugen offensiv praktisch nichts zu den drei Siegen bei. Für weiteren Erfolg im Playoff 2020, zum Beispiel nun in Runde 1 gegen Boston, dürfte das wohl zu wenig sein.
Dean Kukan: Der Schweizer «Unsung Hero»
Wir hatten nun einen Offensiv-Verteidiger der Weltklasse, einen Stürmer mit Brillanz beim Puckhandling sowie einen Angreifer, der vor allem mit «Drecksarbeit» beschäftigt war. Was fehlt? Genau: Ein Defensiv-Verteidiger. Hier kommt nun Dean Kukan ins Spiel. Und eigentlich ist es typisch, dass der Zürcher in Diensten der Columbus Blue Jackets als letzter der vier Schweizer mit tragenden Rollen genannt wird. Kukan fliegt stets unter dem Radar. Zu Unrecht, wie ein genauer Blick auf seine Shifts zeigt.
Columbus ist der Aussenseiter schlechthin in diesem Pre-Playoff. Doch die Blue Jackets haben schon vor einem Jahr bewiesen, dass sie mit ihrem disziplinierten und gradlinigen Defensiv-Eishockey grosse Favoriten stürzen können: Ihr 4:0 gegen Tampa in Runde 1 ist die vielleicht grösste NHL-Sensation der Neuzeit. Und nun wiederholte Columbus diesen Effort, mit einem 3:2 gegen das hoch favorisierte Toronto. Mittendrin war, zumindest in vier Spielen, auch Kukan. Spiel 3 verpasste er, nachdem ihn in der Partie zuvor ein harter Check kurzfristig ausser Gefecht gesetzt hatte.
Kukans Stärke: sein fast schon spektakulär unspektakuläres Spiel in der Defensivzone, sein Verhalten in 1-gegen-1-Duellen. Was keinen Zuschauer je von den Sitzen reissen wird, lässt Trainer geradezu frohlocken. Werfen wir ein paar Blicke auf Kukan:
Und wenn ein Verteidiger so richtig «mühsam» spielt, dann kann das Stürmer irgendwann mal zum Austicken verleiten. Schweizer Eishockeyfans erinnern sich an Jason Spezza. Der Kanadier verstärkte in der Lockout-Saison 2012/13 die Rapperswil-Jona Lakers und war dabei nicht nur der geniale Spielmacher, sondern auch auf und neben dem Eis der gleiche Gentleman, wie man es von ihm in der NHL gewohnt ist. Und ausgerechnet dieser Spezza, mittlerweile 37, hatte in Spiel 4 genug von Kukan. Ja, er habe angesichts des drohenden Ausscheidens ein grundsätzliches Zeichen setzen wollen, liess sich Spezza danach zitieren. Doch diesen Szenen hier ging wenige Sekunden zuvor bereits ein Zusammenstoss zwischen dem Kanadier und dem Schweizer voraus. Als Kukan ihm kurz danach wieder in die Quere kam und ihm den Puck stibitzte, geschah das hier:
Kukans erster NHL-Fight der Karriere wird eine Randnotiz bleiben, viel wichtiger für den Schweizer Verteidiger diese Zahl: Er stand in der ganzen Serie gegen Toronto bei keinem einzigen Gegentor auf dem Eis. Es wird nun nicht einfacher: Nun wartet die Revanche mit Tampa auf die Blue Jackets und Kukan.
Yannick Weber: Das sechste Rad am Wagen
Bei Nashville als Verteidiger nicht zu den Top 4 zu gehören, bedeutet sehr oft, kaum zu spielen. Und Yannick Weber bildete gemeinsam mit Jarred Tinordi das dritte Abwehrpaar der Predators und kam entsprechend nur zu sehr wenigen Einsätzen. Am häufigsten prallten die beiden auf Arizonas dritte Sturmlinie. Vor allem, wenn die Predators zurücklagen, forcierten Nashvilles Coachs ihre Top 4 in der Abwehr – und das war zu Webers Ungunsten oft der Fall …
Regulär durchspielen konnte Weber somit nur Spiel 2, das Nashville nach 4:0-Führung 4:2 gewann. Auf diese Art und Weise (positiv) aufzufallen, ist gerade für Verteidiger, die gerne in einen regelmässigen Spielrhythmus kommen, fast unmöglich. Wenig Zweikämpfe, wenige (erste) Pässe, wenig Einfluss auf die Offensive: Webers drittes Playoff mit Nashville wird ihm als persönlich unspektakulärstes in Erinnerung bleiben. Wars auch der Abschied aus Nashville? Webers Vertrag ist mit dem Playoff-Out ausgelaufen.
Gaëtan Haas: Immerhin etwas Playoff-Luft geschnuppert
Gaëtan Haas, der frühere Biel- und Bern-Stürmer, durfte erst im letzten Spiel ran, als Ersatz für den verletzten Tyler Ennis. Somit erlebte Edmontons Center beim 1:3 gegen Chicago ein weiteres enttäuschendes Saisonende der Oilers hautnah mit. Es war in allen Belangen ein sportlich zwiespältiges Erlebnis: Zwar Center der dritten Linie, kam Haas auf nur 10 Minuten Eiszeit, weil Coach Dave Tippett seine drei Starstürmer McDavid, Draisaitl und Nugent-Hopkins fast das halbe Spiel lang aufs Eis schickte!
Haas tat, was er konnte, setzte zwei gute Checks an und kam zu einer halben Handvoll Offensiv-Aktionen, wirkliche Akzente konnte er aber in der limitierten Rolle nicht setzen.
Der Rest der Schweizer
Luca Sbisa (1:3-Out mit Winnipeg gegen Calgary), Denis Malgin (2:3-Sieg mit Toronto gegen Columbus) und Philipp Kurashev (3:1-Sieg mit Chicago gegen Edmonton) wurden nicht eingesetzt.
Last but not least: Verteidiger Jonas Siegenthaler war mit Washington bereits für die 1. Hauptrunde des Playoff qualifiziert und bestritt darum bislang nur eine sportlich (fast) wertlose Round Robin als Aufwärmrunde.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.