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Meinung

Kommentar zur Urteilsaufhebung
Auch Harvey Weinstein hat ein Recht auf Fairness

FILE - Former film producer Harvey Weinstein appears in court in Los Angeles, Oct. 4 2022. New York’s highest court has overturned Weinstein’s 2020 rape conviction and ordered a new trial. The Court of Appeals ruled Thursday, April 25, 2024 that the judge at the landmark #MeToo trial prejudiced him with improper rulings, including a decision to let women testify about allegations that weren’t part of the case. (Etienne Laurent/Pool Photo via AP, File)
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Der früher sehr mächtige Hollywood-Produzent Harvey Weinstein kommt wohl wieder vor Gericht. Das Berufungsgericht des US-Bundesstaats New York hat ein Urteil aufgehoben, das 2020 gegen ihn wegen einer Vergewaltigung und eines sexuellen Übergriffs gefällt wurde. 23 Jahre sollte er dafür in Haft, nun muss der Prozess wieder aufgerollt werden. Viele der fast hundert Frauen, die seit 2017 schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben hatten, zeigen sich entsetzt. Tarana Burke, die den Hashtag #Metoo erfunden hat, sagt, sie sei «am Boden zerstört».

Doch ist dies wirklich ein Schlag für die «Me Too»-Bewegung, wie einige nun vermuten? Schon als sich nach der ersten Berichterstattung der «New York Times» im Oktober 2017 immer mehr Frauen zu Wort meldeten, wurde klar, dass nur sehr wenige der Vorwürfe gegen Weinstein überhaupt für Ermittlungsbehörden relevant sein würden: Die ihm vorgeworfenen Begrapschungen, Bedrohungen, auch Vergewaltigungen lagen teils Jahrzehnte zurück – und damit ausserhalb aller Verjährungsfristen. Zudem gilt sexuelle Belästigung in den USA oftmals nicht als Straftat, sondern kann nur zivilrechtlich verfolgt werden. Und dass Harvey Weinstein seine Macht, seinen Einfluss in Hollywood missbraucht hatte, um den Ruf und die Karrieren derjenigen, die sich ihm verweigerten, zu zerstören; dass er seine Opfer mithilfe von Anwälten, Schweigevereinbarungen oder Drohungen zum Schweigen brachte: Das alles war ohnehin nichts, was Strafgerichte hätten ahnden können.

Schwierige Beweisführung

Wie schwierig Taten wie seine aufzuklären und zu ahnden sind, zeigte sich bereits in dem Prozess von 2020. Die beiden Frauen, die Weinstein sexuelle Übergriffe vorwarfen, hatten eingeräumt, auch einvernehmlichen Sex mit ihm gehabt zu haben. Um die Anklage zu stützen, wurden Zeuginnen zugelassen, deren Vorwürfe zwar nicht Teil dieser Anklage waren, die aber ein Verhaltensmuster von Weinstein bestätigen sollten. Dieses Muster gibt es zwar – doch genau in dessen Heranziehen sieht das Berufungsgericht nun die Schwachstelle des Prozesses: Niemand dürfe aufgrund von Taten verurteilt werden, die gar nicht angeklagt waren, sondern die nur bemüht werden, um eine «Neigung zu kriminellem Verhalten zu begründen», wie es nun in dem Beschluss heisst. Mit anderen Worten: Die Richterinnen und Richter entschieden sich, keine Kompromisse bei der Fairness des Verfahrens zuzulassen.

Das ist auch deshalb richtig, weil es ein faires Verfahren ja auch umgekehrt für Betroffene von sexuellen Übergriffen geben muss. Eine der grossen Errungenschaften der «Me Too»-Bewegung besteht darin, ein Bewusstsein für die Schwierigkeiten geschaffen zu haben, die die Einschaltung von Polizei und Justiz für eine Frau mit sich bringt. Weshalb auch viele erst nach langer Zeit die Kraft und den Mut dazu finden. Mehrere US-Bundesstaaten haben darauf reagiert und zeitweise die Verjährungsfristen für Sexualdelikte aufgehoben. Innerhalb einer bestimmten Frist konnten auch lang zurückliegende Taten zur Anzeige gebracht werden.

Dass das Verfahren gegen Weinstein nun wiederholt werden dürfte, bedeutet zwar eine Belastung für die Frauen, die sich erneut im Gerichtssaal der Konfrontation mit Weinstein und seiner Verteidigung stellen müssen. Aber die Entscheidung war für einen Rechtsstaat unabdingbar. Und sie bedeutet nicht, dass Weinstein nun freikäme. 2022 fällte ein Gericht in Los Angeles ein weiteres Vergewaltigungsurteil gegen ihn. Es hat bisher Bestand.