Geröll vom Asteroiden Bennu«Wir haben den nächsten Schritt auf dem Weg zum Leben entdeckt»
Eine Nasa-Sonde brachte 2023 eine 4,5 Milliarden Jahre alte Probe auf die Erde. Die Analyse des schwarzen Staubs zeigt Erstaunliches über die Anfänge des Sonnensystems.
![Wissenschaftler im Naturhistorischen Museum in London halten eine 100mg Probe des Asteroiden Bennu, die von der NASA zur Erde gebracht wurde.](https://cdn.unitycms.io/images/6U2XMX0QqDGB8BbSp3bkD5.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=7D2g0IoFo6A)
- Die US-Raumsonde Osiris-Rex sammelte Proben vom Asteroiden Bennu und brachte sie 2023 auf die Erde.
- Analysen zeigen: Der schwarze Staub ist vollgepackt mit chemischen Zutaten des Lebens.
- Die Ergebnisse legen nahe, dass Wasser zwar für Lebensvorgänge notwendig ist – jedoch nicht zu viel davon.
Gut 120 Gramm Staub und feines Geröll, tiefschwarz – zwei Hände voll Dreck, wenn man so will. Doch chemische Analysen zeigen, dass dieses Material vollgestopft ist mit biologischen Grundbausteinen, Aminosäuren, Salzen und Nukleobasen, die sich mit weiteren Zutaten zum Erbmolekül DNA zusammenfügen könnten.
Das wäre kaum weiter bemerkenswert, wenn diese Probe von der Erde wäre. Sie stammt jedoch vom Asteroiden Bennu, der zurzeit gut 64 Millionen Kilometer von der Erde entfernt durch das Sonnensystem rast. Licht braucht drei Minuten für diese Distanz.
![Die verbrannte Rückkehrkapsel der NASA OSIRIS-REx-Mission mit Asteroidenproben nach der Landung am Utah Test and Training Range in Dugway, Utah, mit Berglandschaft im Hintergrund, September 2023.](https://cdn.unitycms.io/images/3zDwjFkj4fm9AfOKG6e_Ds.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=TXbP7NRJiIE)
Am 24. September 2023 landete der Bennu-Staub luftdicht verpackt in einer Kapsel in der Wüste des US-Bundesstaates Utah. Die Nasa-Sonde Osiris-Rex hatte die Probe bei einem Rendezvous mit Bennu im Jahr 2018 eingesammelt und im Vorbeiflug an der Erde abgeworfen. Der Asteroid ist schätzungsweise 4,5 Milliarden Jahre alt, ein Bote aus der Zeit, als sich das Sonnensystem gerade entwickelte.
Jetzt liegen die ersten detaillierten Analyseergebnisse des Asteroiden-Materials vor: Die Resultate lesen sich wie die Zutatenliste für die Entstehung von Leben. In den Anfängen des Sonnensystems muss Bennu aus einem grösseren frühen Himmelskörper herausgerissen worden sein. Jedenfalls zeigen die chemischen Spuren, dass Bennu einst reichlich Wasser hatte, das verdunstete und eine salzige Brühe hinterliess. Darin, so die Annahme, konnten sich aus einfachen chemischen Grundbausteinen wie Ammoniak und Formaldehyd komplexere Moleküle formieren.
Salzmineralien und Aminosäuren in Bennu-Probe
Nasa-Wissenschaftler Daniel Glavin und internationale Kollegen berichten in «Nature Astronomy», 14 der 20 Aminosäuren im Bennu-Staub entdeckt zu haben, die in den meisten irdischen Organismen vorkommen – sie schreiben von «terrestrischer Biologie».
Sie stiessen auch auf 19 Aminosäuren, «die in der bekannten Biologie selten oder gar nicht vorkommen». Dazu jene fünf sogenannten Nukleobasen, aus denen sich das Erbmaterial DNA und das Schwestermolekül RNA zusammensetzt, die die biologischen Baupläne für die molekulare Maschinerie des Lebens in den Zellen speichern.
![Asteroid Bennu, aufgenommen von der OSIRIS-REx-Raumsonde aus 136 km Entfernung, mit hervorgehobenen Kontrasten zwischen Licht und Schatten.](https://cdn.unitycms.io/images/E7DI-y0Lq0aAeVInNolKTY.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=OtZqUOUoRDA)
Im «Nature»-Artikel beschreibt ein Team um Timothy McCoy, Kurator für Meteoriten am Smithsonian’s National Museum of Natural History in Washington D.C., eine Vielzahl von Salzmineralien in den Bennu-Proben, darunter natriumhaltige Phosphate und natriumreiche Karbonate, Sulfate, Chloride und Fluoride.
Die Entdeckung deute darauf hin, dass die extraterrestrischen Solen eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung organischer Verbindungen gewesen seien.
![OSIRIS-REx-Proben mit Gestein und Staub vom Asteroiden Bennu, aufgenommen am 11. Oktober 2023. Wasser- und Kohlenstoffmoleküle sichtbar.](https://cdn.unitycms.io/images/DeOEg5064ck9lYf1o0ohiH.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=gZKu2hMQMgw)
Aus früheren Asteroidenproben und den Untersuchungen von Meteoriten habe man bereits gewusst, dass es eine Menge organischer Moleküle im All gebe, sagt Frank Brenker, Professor für planetare und extraterrestrische Prozesse am Schwiete-Cosmolab an der Goethe-Universität Frankfurt, der an dem «Nature»-Artikel mitgearbeitet hat. In seinem Labor wurde ein Teil der Bennu-Proben untersucht. «Aber jetzt wissen wir mehr über das Umfeld, in dem sich diese Bausteine des Lebens entwickeln können. Wir haben den nächsten Schritt auf dem Weg zum Leben entdeckt.»
Bei den früheren Funden von organischen Verbindungen in Proben aus dem All konnte man sich nie ganz sicher sein, ob sich die organischen Moleküle nicht doch beim Eintritt in die Erdatmosphäre bildeten. Durch den hermetischen Abschluss der Bennu-Proben in der Osiris-Rex-Kapsel sei eine solche Kontamination jedoch ausgeschlossen, sagt Brenker.
Salzkrusten wie auf Bennu gibt es auch auf der Erde
Die Ergebnisse legen nahe, dass Wasser zwar für Lebensvorgänge notwendig ist, für die Entstehung von Leben sollte es jedoch nicht zu viel davon geben. Vereiste Felsbrocken, von denen das Wasser allmählich ins All verschwindet, wären demnach geeignete Wiegen des Lebens, genauso wie vielleicht eine austrocknende Pfütze.
«Wir sehen in den Proben eine Abfolge von Mineralen, die man auch finden würde, wenn Flüssigkeit nach und nach verdampft, die Konzentration der salzhaltigen Elemente nimmt zu», sagt Brenker. So ähnlich, als würde man auf der Erde mineralhaltiges Wasser durch warme Felsritzen pressen.
![Wissenschaftler in Schutzkleidung untersuchen in einem Reinraum die Rückkehrkapsel der NASA-OSIRIS-REx-Mission mit Asteroidenproben, Dugway, Utah, 24. September 2023.](https://cdn.unitycms.io/images/50Wn3c3GqzG9ve3tJr5Rn8.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=DIFho5GeeCg)
Solche Salzkrusten wie auf Bennu gebe es auch auf der Erde. In ihnen könnten die richtigen Bedingungen herrschen, unter denen sich einfache Vorläufermoleküle zu jenen molekularen Aggregaten zusammensetzen, die die Maschinerie des Lebens antreiben. «Wenn man alle chemischen Verbindungen auf Bennu zusammenpackt, hat man bereits fast alles, was es zum Leben braucht.»
Damit ist klar: Bedingungen, unter denen zumindest einfaches Leben entstehen könnte, sind wahrscheinlich nicht selten im Sonnensystem und wahrscheinlich auch nicht im Weltall. «Wir schauen zum ersten Mal praktisch vor der eigenen Haustür und finden gleich so viele Zutaten des Lebens», sagt Brenker.
Damit erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, weitere organische Verbindungen zu finden, vielleicht sogar funktionstüchtige Biomoleküle oder mikrobielles Leben auf einem der zahlreichen Monde im Sonnensystem.
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