So tickt der EM-GastgeberAserbeidschan – zero points!
Am Samstag spielen die Schweizer in Baku – wo die Demokratie keine Chance hat und Helme toter Soldaten zur Schau gestellt werden.
Schon bei der Ankunft in Aserbeidschan wird jedem klar, wer in diesem Land das Sagen hat. Auch die Schweizer Nationalmannschaft ist auf dem Baku Heydar Aliyev International Airport gelandet auf dem Weg zu ihrem ersten EM-Spiel in der aserbeidschanischen Hauptstadt. Politik ist in dem Land am Kaspischen Meer Familiensache: Die Familie Alijew regiert seit bald 40 Jahren und beherrscht alles. In den sogenannten Panama Papers wurde aufgedeckt, wie der Clan zusammen mit Verbündeten über verschlungene Wege Gold-, Silber- und Kupferbergwerke, Telecom-, Erdöl- und Baukonzerne kontrolliert.
Ilham Alijew ist seit 2003 Präsident des Landes, seine Frau hat er zur Vizepräsidentin gemacht, Töchter und Sohn besitzen grosse Firmenimperien. Das Volk bleibt in dem Erdölstaat von Geld und Macht weitgehend ausgenommen. Wahlen finden zwar regelmässig statt, doch seit der Machtübernahme der Alijews 1993 hat die internationale Gemeinschaft keine einzige davon als frei und fair beurteilt.
Wer gegen den Clan vorgeht, lebt gefährlich
Die amerikanische Nichtregierungsorganisation Freedom House vergibt Baku regelmässig null Punkte in ihrem Demokratie-Ranking: Keine Meinungsfreiheit, keine Versammlungsfreiheit, keine Pressefreiheit, keine unabhängige Justiz. Wer sich gegen den Clan auflehnt, führt ein gefährliches Leben. Journalisten, Oppositionelle oder Menschenrechtler werden diffamiert, bedroht oder auch eingesperrt.
Übernommen hat Ilham Alijew seine Macht direkt vom Vater, nach dem der Flughafen Baku benannt ist. Hejdar Alijew hatte das Gebiet schon vor der Unabhängigkeit, also zu Sowjetzeiten, fest im Griff. Er wurde 1967 Chef des aserbeidschanischen KGB und später Mitglied des mächtigen Politbüros in Moskau. Dann führten zwei andere Präsidenten das Land Anfang der 90er-Jahre in die Unabhängigkeit, aber auch ins Chaos.
Der Krieg mit Armenien um Berg-Karabach, eine armenische Exklave in Aserbeidschan, drohte das Land zu zerreissen. Schliesslich wurde der gewählte Präsident verjagt, und Vater Alijew trat 1993 an, die Heimat zu retten. Er schloss einen Waffenstillstand mit Armenien, Hunderttausende Aserbeidschaner mussten danach die von Armenien besetzten Gebiete rund um Berg-Karabach verlassen.
Letztes Jahr hat es Sohn Alijew geschafft, diese aserbeidschanischen Gebiete zurückzuerobern, und seither ist auch er, der anfänglich als Gigolo verschrien war und politisch nicht für voll genommen wurde, ein Held und hat die Nation geschlossen hinter sich. Selbst die Opposition lobt den Staatschef für seinen militärischen Erfolg.
Beim Spiel der Schweiz gegen die Türkei werden die Sympathien des Publikums in Baku klar verteilt sein.
Alijew, der sich seit dem Krieg gerne in Kampfmontur zeigt, ist so populär wie noch nie. Bei der Siegesfeier in Baku jubelten ihm die Menschen zu und trugen Bilder von ihm durch die Strassen. Mit zum Sieg beigetragen hat auch die Türkei, die Alijew mit modernen Waffen beliefert hat und die Rolle des grossen Bruders einnimmt. Beim Spiel der Schweiz gegen die Türkei am 20. Juni werden die Sympathien des Publikums im Stadion in Baku deshalb klar verteilt sein.
Unlängst hat der Präsident in der Hauptstadt einen «Kriegstrophäen-Park» eröffnet, nicht weit vom Fussballstadion entfernt, wo die Schweiz spielt. Im Eingang werden die Helme toter armenischer Soldaten zur Schau gestellt, die Alijew regelmässig als «Hunde» beschimpft. Es folgen erobertes Kriegsgerät und nachgestellte Kriegsszenen, ausgestattet mit finster blickenden Wachsfiguren, die armenische Soldaten darstellen sollen.
Zwar hat das Kritik ausgelöst, barbarisch sei das, rassistisch. Doch grosse Wellen hat es nicht geworfen. Denn wie man mit Kritik umgeht, weiss Alijew schon lange: zu Hause mit Repression und im Ausland mit Geld. Millionen von Franken hat er etwa in den Europarat geschleust, manche Parlamentarier sollen «Monatslöhne» in der Höhe von 10’000 Franken bekommen haben, damit sie gegen alle Resolutionen stimmen, die Aserbeidschan kritisieren. Auch in den USA wurden grosse Summen in Lobbyisten investiert. Von der sogenannten Kaviardiplomatie ist in diesem Zusammenhang die Rede.
Der Geldschirm schützt den aserbeidschanischen Autokraten recht gut, wenn man seine Lage etwa mit der seines weissrussischen Amtskollegen vergleicht. Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko wird mit westlichen Sanktionen eingedeckt und durfte wegen Wahlmanipulationen und Polizeigewalt die Eishockey-Weltmeisterschaft nicht durchführen. Baku dagegen trug gerade den Grossen Preis von Aserbeidschan aus, und nun beginnt die EM, ohne dass sich jemand daran stört.
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