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Glänzender Europameister
Spaniens Übermannschaft dominiert die Konkurrenz

BERLIN - King Felipe VI of Spain with Henri Delaunay trophy, coupe Henri Delaunay celebrates victory with Spain goalkeeper David Raya, Dani Carvajal of Spain, Robin Le Normand of Spain, Nacho of Spain, Daniel Vivian of Spain, Mikel Merino of Spain, Alvaro Morata of Spain, Fabian Ruiz of Spain, Joselu of Spain, Dani Olmo of Spain, Ferran Torres of Spain. Alejandro Grimaldo of Spain, Spain goalkeeper Alejandro Remiro, Aymeric Laporte of Spain, Alex Baena of Spain, Rodri of Spain, Nico Williams of Spain, Martin Zubimendi of Spain, Lamine Yamal of Spain, Pedri of Spain, Mikel Oyarzabal of Spain, Jesus Navas of Spain, Spain goalkeeper Unai Simon, Marc Cucurella of Spain, Fermin Lopez of Spain, Ayoze Perez of Spain finish of the UEFA EURO 2024 Final match between Spain and England at the Olympiastadion on July 14, 2024 in Berlin, Germany. ANP | Hollandse Hoogte | MAURICE VAN STEEN (Photo by ANP via Getty Images)
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Es ist nur ein Schnipsel von diesem Finalabend der EM 2024, auf den ersten Blick unbedeutend und doch so vielsagend. Die Spanier haben die ersten Jubelszenen mit dem Pokal hinter sich, als Fabian Ruiz zum hohen Gast in der Runde geht, der sich elegant zurückhält. Mit aller Schüchternheit und gebührender Ehrerbietung überreicht Fabian den Pokal an Felipe VI.

Der spanische König ist vor Ort an einem Tag, als er Prioritäten setzen muss. Er hat nicht den Ausflug nach Wimbledon gewählt, wo Carlos Alcaraz auf beeindruckende Art den Final gegen Novak Djokovic gewinnt. Er verbringt den Abend in Berlin, wo die Fussballer im Final gegen England bestätigen, dass sie derzeit die Besten Europas sind.

Felipe VI. schaut sich die Trophäe an, stemmt sie vor der jubelnden Mannschaft in die Höhe und gibt sie an die zurück, die sie gewonnen haben. An diese Spieler, die ein Turnier dominiert haben wie lange keine mehr. Sieben Siege in sieben Spielen, 15:4 Tore, viel wunderbarer Fussball von vielen wunderbaren Spielern – keiner kann auch nur den geringsten Zweifel haben, dass im Berliner Olympiastadion die richtige Mannschaft gewonnen hat.

Ein paar kleingeistige deutsche Fussballanhänger mögen Marc Cucurella auch im Final auspfeifen, weil er im Viertelfinal gegen Deutschland für ein durchaus strafbares Hands im eigenen Sechzehner straffrei davongekommen ist. Dass es damals keinen Elfmeter gegeben hat, mag einer der Glücksmomente gewesen sein, den selbst eine Übermannschaft auf dem Weg zu einem Titel braucht. Ein Glücksmoment wie auch in der 90. Minute gegen England, als Dani Olmo auf der Torlinie einen Kopfball von Marc Guéhi abwehren muss.

Aber sonst? Machen diese Spanier grundsätzlich nur Eindruck mit ihrer Art, wie sie Fussball spielen und manchmal gar zelebrieren. Mit Aussenverteidigern wie Dani Carvajal und eben Cucurella, die so viel Druck nach vorn entwickeln. Mit Rodri, vor allem ihm, und Fabian Ruiz im Mittelfeld. Mit Lamine Yamal, Dani Olmo und Nico Williams als offensivem Trio, das mit seiner ansteckenden Spiellust begeistert. Und vorne drin mit dem alten, unbequemen Recken Alvaro Morata. 

Die Herrschaft von Spanien

Die Dominanz ist mit gutem Grund auch bei den Ehrungen total: Rodri wird zum besten Spieler des Turniers gewählt, Yamal, der 17-Jährige mit der Zahnspange, zum besten jungen Spieler des Turniers. Luis de la Fuente ist der Trainer des Turniers, er ist der Mann, der jedenfalls keine Gefahr mehr läuft, hart kritisiert zu werden wie noch vor sechzehn Monaten. Damals, nach einem 0:2 in der EM-Qualifikation in Schottland, musste er unter anderem in der Zeitung «AS» lesen, er habe eine Auswahl «ohne Talent und Charakter».

Spanien dominiert in diesem Jahrtausend den europäischen Fussball, unbeeindruckt von der finanziellen Kraftmeierei Englands. Das Nationalteam hat die vier Finals, die es erreicht hat, gewonnen; die Vereine sind in der Champions League in elf und in der Europa League in acht Endspielen unbesiegt (es sei denn, sie seien in einem Final auf eine spanische Mannschaft getroffen).

Auf BBC sagt Rio Ferdinand, der frühere grosse Verteidiger von England und Manchester United: «Diese Generation kann die nächsten drei, vier Turniere dominieren. Wieso nicht?» Er muss auch an Pedri und Gavi denken, zwei der aussergewöhnlichsten Talente in Europa, die im Final verletzt fehlen.

BERLIN, GERMANY - JULY 14: Mikel Oyarzabal of Spain scores his sides second goal during the UEFA EURO 2024 final match between Spain and England at Olympiastadion on July 14, 2024 in Berlin, Germany. (Photo by Qian Jun/MB Media/Getty Images)

Eine Halbzeit lang gelingt es England, diesen Spaniern Widerstand zu leisten. Aber kaum schleichen sich Unaufmerksamkeiten in sein Spiel, wird es dafür bestraft. Das ist beim 1:0 so, als sich Yamal im Rücken von Luke Shaw den Platz verschafft, um den entscheidenden Pass auf Williams zu spielen. Das ist beim 2:1 nicht anders, als sich die Spanier in höchstem Tempo über das ganze Feld kombinieren und letzten Endes durch Mikel Oyarzabal zum erfolgreichen Abschluss kommen.

Oyarzabal sagt, mit feuchten Augen: «Die schwierigsten Momente sind die wichtigsten. Ich habe nur meine Arbeit gemacht. Ich bin reingerutscht. Und rein ins Tor.» Das Schwierige kann sich manchmal so einfach anhören. Auf der Ehrentribüne schauen die grossen Altmeister Xavi und Andres Iniesta zufrieden auf ihre Erben. Und das Dach des Olympiastadions erleuchtet in Rot und Gelb, Spaniens Nationalfarben.

Drei Löwen und ein Graus

Auf der anderen Seite ist England, das stolze England, selbst ernannter Erfinder des Fussballs. Seit 1966 jagt es dem Traum nach, endlich wieder einmal ein Turnier zu gewinnen. Das Elend ist für das Land in der Hymne «Football’s Coming Home» zusammengefasst, so schmerzhaft wie treffend: «Alle haben es gesehen / Sie sind sich so sicher / Dass es England wieder versemmelt / Sich alle Träume in Luft auflösen.»

Zur Erinnerung: 1966 waren die Engländer Weltmeister, begünstigt durch das Wembley-Tor im Final gegen Deutschland. «Drei Löwen auf dem Trikot / Der Jules-Rimet-Pokal strahlt noch immer», heisst es im Lied auch. Ein paar Mal sind sie seither nahe dran: 1990 stehen sie im Halbfinal der WM, 1996 im Halbfinal der EM im eigenen Land, 2018 im Halbfinal der WM, 2021 im Endspiel der EM daheim im Wembley. Immer verlieren sie, ausser 2018 immer im Elfmeterschiessen. 

Nach Deutschland sind sie nun mit einer Auswahl gekommen, die so viel Talent hat, dass der Titel möglich ist. Dafür spricht auch, dass Gareth Southgate Spieler wie Marcus Rashford, Jack Grealish, Jadon Sancho oder Raheem Sterling daheim lässt. Die ersten Spiele sind ein Graus, sie sind das Gegenteil von dem, was die Premier League im Alltag bietet: Sie sind weder dynamisch noch unterhaltend und spektakulär. In den Hintergrund gerät der Fakt, dass Gastarbeiter wesentlich über die Qualität von Manchester City, Arsenal oder Liverpool bestimmen.

Fans sind aufgebracht und werfen Bierbecher nach Southgate. Er erträgt das so, wie er die heftigen Kritiken in der Presse erträgt: mit stoischer Ruhe. Dabei will doch auch er geliebt werden. Sagt er in diesen Tagen, als er sich mit seiner Mannschaft auf einmal dem Final annähert. Auf diesem langen Weg steht sie im Achtelfinal gegen die Slowakei vor dem Kollaps, bevor sie von Jude Bellingham in der fünften Minute der Nachspielzeit noch in die Verlängerung gerettet wird. Eigentlich spielt sie nur einmal richtig gut, in der ersten Halbzeit des Halbfinals gegen die Niederlande.

Aber da steht sie nun, im Final gegen Spanien, und verteidigt, was das Herz hergibt. Sie gleicht in der 73. Minute durch Cole Palmer aus und scheint danach für kurze Momente die Oberhand zu gewinnen. Am Ende bleiben trotzdem nur viele leere Blicke und feuchte Augen. «Viele müde Beine, viele müde Köpfe», diagnostiziert Harry Kane. 

BERLIN, GERMANY - JULY 14: Harry Kane of England and Gareth Southgate, Head Coach of England, show dejection after defeat to Spain in the UEFA EURO 2024 final match between Spain and England at Olympiastadion on July 14, 2024 in Berlin, Germany. (Photo by Stu Forster/Getty Images)

Der Captain ist das traurige Symbol eines Teams, das den Titel nicht nur für sich, sondern auch für das Land erobern wollte. 31 wird er in ein paar Tagen, und noch immer hat er trotz seiner immensen Klasse nicht einen einzigen Pokal gewonnen.

In das Mikrofon von BBC sagt Alan Shearer: «England hat zu viel Respekt gehabt, zu wenig Energie, zu wenig Qualität. Und das ist zu wenig gegen Spieler, die unter Druck gut sind und Fehler bestrafen.» Und als wäre das noch nicht genug, fügt er bei: «Der, der zuerst über der Ziellinie ist, gewinnt. Der Rest ist nirgends. Tut mir leid! Wir haben es nicht verdient.» Shearer ist als Mittelstürmer eine alte englische Legende. Und hörbar kein Freund weichgespülter Analysen.

Kanes Liebeserklärung

Die Niederlande und Deutschland haben zweimal einen WM-Final in Folge verloren. England ist nun die erste Mannschaft, die zweimal in Folge einen EM-Final verloren hat. Und Southgate sagt: «Wir sind nicht gut genug gewesen, um das Spiel zu gewinnen.» Dabei denkt er in erster Linie an die Fehler vor den beiden Gegentoren.

Southgate ist seit acht Jahren Trainer. 2016 übernahm er eine Mannschaft, die nach der Zeit mit Roy Hodgson am Boden lag und mit Häme überschüttet wurde. Seither ist es ihm gelungen, sie zu stabilisieren. Das Lob gilt trotz des schrecklichen Fussballs in der Gruppenphase dieser EM. 

Ende Jahr läuft Southgates Vertrag aus. Wie es weitergeht, lässt er in den Minuten nach dem Final offen. Erst müsse er mit den verantwortlichen Leuten im Verband reden, sagt er so freundlich wie unverbindlich. Ein Statement für den Trainer gibt Kane ab: «Wir lieben ihn.»