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Englands Auferstehung an der EM
Immer dieses Drama! König Charles sorgt sich um «Blutdruck der Nation»

10.07.2024, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Fußball, UEFA Euro 2024, EM, Niederlande - England, Finalrunde, Halbfinale, Stadion Dortmund, Englands Trainer Gareth Southgate jubelt über den Sieg. Foto: Friso Gentsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Friso Gentsch)
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Das englische Königshaus – ohnehin kein Ort frei von Dramen – hat in diesem Jahr nun wirklich schon genug mitgemacht: die Krebserkrankung von König Charles. Das anfängliche Versteckspiel um die ebenfalls erkrankte Prinzessin Kate Middleton. Es ist nur allzu verständlich, dass der König und seine Familie gerne auf zusätzliche Anstrengungen verzichten würden.

Am Mittwochabend sandte der Palast jedenfalls eine Nachricht an sein Nationalteam, das in Deutschland dank eines 2:1 gegen die Niederlande gerade den EM-Final erreicht hatte. Und darin versteckt waren gleich zwei Botschaften: eine Gratulation, klar. Aber auch eine eindringliche Bitte: «Wenn ich euch ermutigen dürfte, den Sieg zu sichern, bevor Wundertore in letzter Minute oder ein weiteres Elfmeterdrama nötig würden.» Das würde «die Belastung für den kollektiven Puls und Blutdruck der Nation» erheblich mildern.

Und der König hat ja recht: Bellinghams Fallrückzieher in der 95. Minute gegen die Slowakei, der Elfmeter-Erfolg gegen die Schweiz und im Halbfinal nun das Siegtor von Ollie Watkins erneut in der Nachspielzeit – darauf kann nicht nur ein angeschlagener 75-Jähriger verzichten, sondern auch der Rest der Nation. Wobei sich einige Fans denken werden: «Wieso sollen wir ausgerechnet jetzt damit aufhören? Unser Drama funktioniert doch!»

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Die Engländer jedenfalls sind – wie auch immer sie das nun wieder geschafft haben – angekommen in diesem Turnier. Sie wirken selbst in der Begegnung mit Spanien nicht mehr wie der hoffnungslose Aussenseiter. Und das verdankt die Insel einem Mann, der vor einer Woche noch als Hauptgrund für die schwachen Auftritte in der Gruppenphase galt: Gareth Southgate. 

Was konnte man nicht alles lesen über den englischen Trainer? Zu passiv, zu mutlos, zu unmodern. Wechselt zu spät, verschwendet das offensive Talent, hält zu lange an falschen Spielern fest und weiss nicht mal, wie man modernen Fussball überhaupt buchstabiert. Überall Kritik. Doch jetzt ist er plötzlich die grosse Hoffnung auf den ersten englischen EM-Titel überhaupt. 

«Niemand kann Southgate jetzt noch fehlenden Mut unterstellen», schreibt Ex-Profi Jamie Carragher im «Telegraph», «dass er Harry Kane ausgewechselt hat, war nicht nur nötig, sondern auch mutig.» Im verlorenen Final der EM 2021 hatte Southgate seinen Captain auf dem Feld gelassen und auf einen Impuls von aussen verzichtet – ein Fehler, den er nun im Halbfinal gegen die Niederlande nachträglich korrigiert hat. 

«Jeder Trainer darf einen Fehler machen», schreibt Carragher, «wichtig ist, dass er ihn nicht ein zweites Mal macht. Und Southgate hat seine Lektion gelernt und könnte nun mit einem grossen Turniersieg dafür belohnt werden.» Der 53-Jährige ist seit Mittwochabend der erste Trainer überhaupt, der England in einen Final führt, der ausserhalb der Insel ausgetragen wird. 

Gareth Southgate wird zum rücksichtslosen Abenteurer

Die Auswechslung von Kane und Phil Foden, das hätten viele Southgate nicht zugetraut. Den Captain und einen der grossen Stars zu ersetzen durch jene zwei, die den Halbfinal dann entscheiden sollten: Cole Palmer mit seiner Vorlage auf Watkins. «Southgate, der Technokrat mit seinem Klemmbrett, hat sich in einen rücksichtslosen Abenteurer verwandelt», schreibt der «Guardian». Und auch sonst ist es vielerorts an der Zeit, sich bei Southgate zu entschuldigen. 

«Er nimmt keine guten Wechsel vor, erinnert ihr euch? Er holt nicht das Beste aus den Spielern heraus. Er ist ein Schuft, er ist mittelmässig. Southgate dürfte also ziemlich überrascht sein von seinem Sieg gegen die Niederlande. So wie all die Kritiker überrascht sein dürften von zwei Finalteilnahmen, einem Halbfinal und einem Viertelfinal dieses untalentierten Trainers», steht im «Guardian», der zuletzt natürlich auch heftig kritisiert hatte. Jetzt heisst es: «Diese späte Southgate-Ära, sie ist verwirrend, aber auch grossartig.»

Die Ernüchterung der Gruppenphase ist längst der Euphorie gewichen. Nach dem verlorenen Final 2021 wähnen sich die Engländer bereit, nicht zuletzt, weil sie ja inzwischen sogar im Elfmeterschiessen die alten Geister vertrieben haben. Selbst die grösste aller Aufgaben scheint Southgate gelungen zu sein: «Egal, was von nun an noch geschieht, der Trainer hinterlässt ein Team und eine Nation, die wieder vereint sind», schreibt die «Times». 

Fehlt eigentlich nur noch, dass die Engländer am Sonntag in Berlin nicht nur ein siegreiches Endspiel hinlegen, sondern auch ein dramafreies. Damit das Königshaus sich nicht schon wieder um seine Nerven und seinen Blutdruck sorgen muss. Nach dem Erfolg gegen die Niederlande scheinen die Engländer ihrem Trainer und ihrem Team aber sogar dieses Wunder zuzutrauen.