England zieht in EM-Final einAusgerechnet der Kane-Ersatz wird zum englischen Helden
Der Halbfinal gegen die Niederlande steuert direkt auf die Verlängerung zu. Dann fasst sich der eingewechselte Stürmer Ollie Watkins ein Herz und schiesst sein Team ins Endspiel von Berlin.
Fast wirkt es so, als hätten sich die Engländer und Niederländer übernommen. Als ginge ihnen nach dieser berauschenden ersten Halbzeit die Luft aus. Der EM-Halbfinal in Dortmund ist nun so, wie man das im Vorfeld befürchtet hatte: ein Abwarten, ein Abtasten. Bloss nicht den entscheidenden Fehler machen.
Es sind schon 65 Minuten absolviert, als sich die erste Chance nach der Pause ereignet. Die Niederländer haben sie in Person ihres Captains Virgil van Dijk. Nach einem Freistoss setzt sich der Abwehrchef des FC Liverpool durch und spitzelt den Ball aufs Tor. Jordan Pickford pariert. Und feiert sich gleich selbst.
Die Szene gibt den Niederländern Auftrieb, sie übernehmen das Spieldiktat, angetrieben von ihrem Anhang. 110’000 niederländische Fans sind über die Grenze ins nahe gelegene Dortmund gereist, längst nicht alle haben ein Ticket. Aber jene, die eines haben, bevölkern im Westfalenstadion beileibe nicht nur die imposante Südtribüne. Und sorgen dafür, dass sich diese Partie für die Oranje wie ein Heimspiel anfühlt.
Der Joker lässt England jubeln
Xavi Simons taucht im Strafraum auf, doch noch einmal trifft er den Ball nicht so perfekt wie bei seinem Führungstor. Die Partie steuert direkt auf die Verlängerung zu, ein Tor von Bukayo Saka wird wegen Offside aberkannt. Gareth Southgate wechselt Harry Kane und Phil Foden aus, sie sind nach der Pause abgetaucht. Es ist dennoch ein mutiger Entscheid, weil die Offensivkräfte klingende Namen tragen. Es ist aber der richtige Entscheid: Ollie Watkins, der für Kane gekommen ist, wird zum Sinnbild für diese Engländer, die sich Mal für Mal aus heiklen Lagen befreien. Die immer und immer wieder eine letzte Antwort bereit haben.
Es läuft schon die neunzigste Minute, als er sich den Ball schnappt. Und er zögert nicht, sondern schliesst sofort aus der Drehung ab. Sein Schuss ist wuchtig und präzise, Goalie Bart Verbruggen ist chancenlos. Die Engländer ziehen in den Final ein, wie schon bei der EM 2021. Im Endspiel treffen sie am Sonntag in Berlin auf Spanien.
Latte hier, Pfosten da
Dass die Erwartungen an die Affiche aus neutraler Sicht nicht allzu hoch waren, lag vor allem an den Engländern. Aber nicht nur: Auch der niederländische Trainer Ronald Koeman steht im Ruf, Fussballspezifisches pragmatisch zu sehen, dementsprechend war er bis vor kurzem umstritten. Doch Erfolg ist das beste Argument, selbst in einer Nation, in welcher der «Voetbal total» entstanden ist.
Dann beginnt das Spiel – und man traut seinen Augen nicht: Simons stiehlt den Ball und wuchtet ihn zur Führung ins Tor. Da sind erst sieben Minuten gespielt. Als eine Viertelstunde absolviert ist, weist Kane schon mehr brauchbare Szenen als im Viertelfinal gegen die Schweiz aus. Er schiesst zwar drüber, wird aber von Denzel Dumfries getroffen. Penalty ist der korrekte Entscheid, Kane verwandelt eiskalt.
Das 1:1 nimmt keines der Teams zum Anlass, innezuhalten, im Gegenteil: Es geht intensiv und mitreissend weiter. Foden missbraucht die Niederländer als Slalomstangen und tunnelt Goalie Verbruggen, Dumfries rettet auf der Linie. Auf der Gegenseite trifft der niederländische Verteidiger mit seinem Kopfball die Latte.
Dann will es Foden wie Lamine Yamal am Vorabend machen, er zieht nach innen und mit links ab. Sein Schlenzer wird länger und länger, bis er an den Pfosten prallt. Gerade die Engländer wirken da noch wie Häftlinge, die nach langer Zeit freikommen. Sie wollen Verpasstes nachholen.
1:1 steht es zur Pause, nur 1:1. 1:1 steht es auch, als die letzten Minuten anbrechen. Dann kommt Watkins – und lässt die Engländer doch noch jubeln.
Spielende
Nein, denn kurz darauf ist die Partie vorbei! Die Engländer schocken die Niederlande in der letzten Spielminute. Ollie Watkins schiesst die Three Lions in den EM-Final gegen Spanien.
Danke fürs Mitfiebern. Gleich folgt hier eine kurze Zusammenfassung.
90+2’
Die letzten Minuten laufen, England wechselt noch zweimal, die Niederländer stürmen. Aber gelingt in diesen letzten Sekunden tatsächlich noch der Ausgleich?
TOR ENGLAND 2:1
WOW! Da hat sich wohl jeder schon mit der Verlängerung gerechnet, über die rechte Seite wird Watkins angespielt, er löst sich von van Dijk und trifft aus der Drehung! Der Schuss war perfekt – und der Wechsel Watkins für Kane scheinbar der goldrichtige! Kudos Southgate! 2:1 für England!
88’
Noch einmal ein Vorstoss der Engländer, Flanke auf den eingewechselten Cole Palmer. Er versucht sich aus der Distanz, aber der Ball geht knapp drüber.
86’
Nur noch wenige Minuten sind zu spielen, das Spiel wird ungemütlicher. Zuerst leistet sich Saka ein taktisches Foul, dann reklamiert Niederlande-Captain van Dijk etwas zu vehement. Gelbe Karte für beide.
83’
Dann wieder ein blitzschneller Vorstoss der Niederländer, so schnell geraten sie wieder vor das englische Tor – aber genau der letzte Pass auf Weghorst, der findet sein Ziel dann nicht.
81’
Und dann runzeln einige Zuschauer (und Autoren des Livetickers) ihre Stirn. Doppelwechsel bei den Engländern, Captain Harry Kane und Kreativmaschine Phil Foden werden für Ollie Watkins und Cole Palmer ausgewechselt.
79’
Die Engländer dem Liveticker zum Trotz! Wieder mal ein toller Angriff, ein sehr toller sogar. Foden lanciert Walker über rechts, seine flache Flanke findet Saka, der den Ball direkt im Tor unterbringt! Aber nur kurz währt der Jubel, Walker stand im Abseits. Aber ja, genau mehr von solchen Angriffen wieder, bitte!
78’
Simons kommt bei einem Abpraller zu einem Abschluss, aber weil dieser zu überhastet geschieht, trifft er den Ball nicht wunschgemäss. Keine Gefahr für Pickford.
75’
Also sehr viel gibt es in dieser Phase des Spiels gerade nicht zu sagen. Die Niederlande kontrolliert jetzt mehr das Spiel, spiegelt aber scheinbar die Kreativität der Engländer in der zweiten Halbzeit. Zu solide wohl die Verteidigung der beiden Teams. Oder zu harmlos der Angriff?
72’
Bellingham erntet sich eine gelbe Karte, im Zweikampf mit de Vrij kommt er zu spät.
68’
Und wieder kommt die Niederlande zu einer Chance – oder auf jeden Fall zu einer halben. Gakpo flankt von der linken Seite auf den zweiten Pfosten, wo Weghorst wartet, Pickford greift ein und trifft denn Ball aber nur ungenau und klärt so zum Eckball.
65’
Und da ist sie, die erste gute Chance der zweiten Halbzeit! Veermann zirkelt einen weiten einen weiten Freistoss vor das englische Tor, wo van Dijk den Ball unverhofft aus kurzer Distanz auf das Tor bringen kann. Pickford reagiert glänzend und pariert zum Eckball.
Gakpo existiert noch
Beim Viertelfinal gegen die Türkei war Cody Gakpo gefühlt omnipräsent, heute bislang quasi unsichtbar. Soeben hat er sich aber doch mal kurz in Szene gesetzt, er dribbelt sich über die linke Seite. Was ein ansehnlicher Angriff hätte werden können, versandet dann allerdings wegen einer schlechten Flanke.
56’
Vorher wieder ein Ansatz an Offensivbemühungen von niederländischer Seite, Reijnders Zuspiel auf Dumfries geht aber ins Seitenaus. Sonst ist der Start in diese zweite Halbzeit im Vergleich recht lasch.
52’
Wie schon kurz vor der Pause sind die Engländer gerade im Verwaltungsmodus. Aber momentan finden sie keine Lücken in den niederländischen Reihen. Die Oranje wirkt nun defensiv besser organisiert.
50’
Und noch eine Info von den Kollegen: Mit seinem jüngsten Treffer ist Harry Kane nun der alleinige Rekordhalter an Toren in EM-K.-o.-Spielen. Mit seinem insgesamt sechsten Treffer lässt der englische Captain Antoine Griezmann hinter sich.
47’
Und der eingewechselte Wout Weghorst fackelt nicht lange, einige Sekunden nach Wiederanpfiff foult er gleich mal John Stones.
46’
Weiter geht es in Dortmund. Und bei beiden Teams gibt es jeweils einen Wechsel: Bei der Niederlande steht Weghorst für Malen auf den Platz, bei England ersetzt Shaw jetzt Trippier.
Pausenfazit
Fünf eher unkreative Spiele hat es gedauert – und im EM-Halbfinal beginnt die englische Nationalmannschaft nun endlich damit, Fussball zu spielen. Xavi Simons verpasst den Engländern mit seinem Tor aus der Distanz in der 7. Minute früh eine kalte Dusche. Dann wachen die «Three Lions» endlich aus ihrem langen, langen Winterschlaf auf. Der Ausgleichstreffer – Kane, per Penalty in der 18. Minute, ist zwar eher unspektakulär, aber vorher und nachher dürfen die Fans in Dortmund eine chancenreiche Partie bestaunen. Zur Pause heisst es schliesslich 1:1. Gleich geht’s weiter!
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