Wahlen in den NiederlandenAn «Teflon-Mark» führt kein Weg vorbei
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte scheint alle Kehrtwendungen, Fehler und Stürme schadlos zu überstehen. Der Rechtsliberale dürfte bei den Parlamentswahlen am Mittwoch erneut als Sieger hervorgehen.
Mark Rutte ist ein Mann ohne Eigenschaften, anscheinend unangreifbar und auch nach über zehn Jahren im Amt unermüdlich. Kritik perlt an ihm ab, und Krisen hinterlassen keine Kratzer, als wäre er mit Teflon beschichtet. Nicht umsonst trägt der Ministerpräsident der Niederlande den Spitznamen «Teflon-Mark». Der 54-Jährige dürfte mit seiner rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) bei den Parlamentswahlen diesen Mittwoch wieder mit Abstand stärkste Kraft werden und auch die nächste Regierung anführen.
Was finden die Niederländerinnen und Niederländer an dem Politiker, der schon viele Kehrtwendungen hingelegt hat und alle Krisen anscheinend unbeschadet überlebt? Nein, auch in der Corona-Krise machte Mark Rutte keine gute Figur. Zuerst war er Anhänger der Herdenimmunität. Weshalb sollte die Regierung ihrer freiheitsliebenden Bevölkerung vorschreiben, eine Maske zu tragen? Die Kurskorrektur kam, als die Neuinfektionen explodierten und Patienten nach Deutschland ausgeflogen werden mussten. Plötzlich galt eine Ausgangssperre, und die Niederlande machten international Schlagzeilen mit gewaltsamen Protesten von Corona-Leugnern.
Typ idealer Schwiegersohn
Die Niederländer waren einst stolz, in einem Land zu leben, in dem alles perfekt funktioniert. Jetzt sind sie in der EU Schlusslicht beim Impfen. Mark Rutte lässt sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen, versprüht stets demonstrativen Optimismus. Im Wahlkampf gibt er sich als stets gut gelaunter Manager der Firma Niederlande. Man sieht ihn selten ohne sein Lachen, stets freundlich und charmant, Typ idealer Schwiegersohn. Mark Rutte ist zehn Jahre an der Macht, und eigentlich weiss man immer noch nicht viel über ihn.
Er lebt bescheiden in einer kleinen Etagenwohnung, ist ein guter Klavierspieler, fährt mit dem Velo zum Regierungssitz, die Aktentasche locker am Lenker. Er ist einer, der keine Überraschungen mag und gerne jedes Jahr am selben Ort in die Ferien fährt. Mark Rutte hat ein paar treue Kumpels aus jungen Jahren, ist aber überzeugter Junggeselle und besuchte jeden Sonntag seine Mutter, bis diese vor knapp einem Jahr im Pflegeheim starb. Fix auch der Termin in einer Hauptschule, wo Mark Rutte jeden Donnerstag eine Stunde Gesellschaftskunde unterrichtet.
Der Ministerpräsident ist einer von ihnen geblieben, irgendwie normal und nicht abgehoben. Und so haben die Niederländerinnen Mark Rutte auch den Skandal um die Kinderbeihilfen verziehen, der im Januar zum Rücktritt der Koalition führte. Die Viererkoalition von Ruttes Rechtsliberalen mit den Christdemokraten (CDA), den Linksliberalen (D66) und der Christenunion (CU) ist nur noch geschäftsführend im Amt, der Skandal im Wahlkampf aber kaum ein Thema. Vielleicht weil die Opfer hauptsächlich Familien mit Migrationshintergrund waren.
Über Jahre haben die Behörden eine ideologische Kampagne gegen angeblichen Betrug bei Kinderbeihilfen geführt, über 20’000 Familien mit falschen Anschuldigungen zum Teil in den Ruin getrieben. Aber seine Regierung habe doch die letzten Jahre auch viel Gutes getan. So hat sich der Langzeitpremier schon immer aus der Affäre ziehen können. 2010 war der Rechtsliberale eher überraschend ein erstes Mal an die Macht gekommen. Er war dafür einen Pakt mit dem islamfeindlichen Geert Wilders eingegangen, damals ein Tabubruch. Der Rechtspopulist tolerierte die Koalition mit den Christdemokraten, bis die Finanzkrise kam und Wilders mit seiner Freiheitspartei (PVV) ein Sparprogramm nicht mehr mittragen wollte. Der Pakt endete mit einem nachhaltigen Zerwürfnis.
Mark Rutte steuerte das Land darauf in einer Koalition mit den Sozialdemokraten (PVDA) durch die Krise. Am Ende waren die Finanzen saniert, die Wirtschaft wieder im Gang, die Sozialdemokraten wurden seither aber zu einer Kleinstpartei degradiert. Mark Ruttes Popularität schadete der harte Sparkurs nicht. Die letzten vier Jahre hat der Manager der Firma Niederlande in der Viererkoalition immer mal wieder rechts geblinkt, also gerne über Identität und die Werte der Niederländer geredet. Immerhin hat er so Geert Wilders und dessen jugendliches Pendant Thierry Baudet in Schach halten können. Gemeinsam kommen die beiden Rechtspopulisten nicht über 15 Prozent.
Visionen sind nicht sein Ding
Nun rückt Mark Rutte im Wahlkampf unter dem Motto «Gemeinsam sind wir stärker» wieder etwas nach links, verspricht etwa einen höheren Mindestlohn und Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Mark Rutte ist ideologisch flexibel. Visionen sind ohnehin nicht sein Ding. Wer Visionen hat, soll seiner Meinung nach zum Arzt gehen. Kein Wunder, hat er ein nüchternes Verhältnis zur EU, im Wahlkampf allerdings ohnehin ein Nichtthema. Laut Umfragen kann die rechtsliberale VVD von Mark Rutte am Mittwoch mit 25 Prozent der Stimmen rechnen. Das klingt nach wenig, ist aber doppelt so viel, wie seine nächsten Herausforderer erwarten können. Für den Führungsanspruch reicht es in der extrem fragmentierten politischen Landschaft und mit einer Parlamentskammer, in der künftig 15 Parteien mit Abgeordneten vertreten sein könnten. An Mark Rutte führt so schnell kein Weg vorbei.
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