Im braunen SumpfEin rechtspopulistischer Star scheitert an sich selber
Der Niederländer Thierry Baudet hat das rechtspopulistische Forum für Demokratie zum Erfolg gebracht und stürzt jetzt über neonazistische Umtriebe bei der Parteijugend.
Nach dem Höhenflug folgt nun der Absturz: Thierry Baudet war in den Niederlanden mit seinem rechtspopulistischen Forum für Demokratie (FVD) einst angetreten, die traditionellen Parteien das Fürchten zu lehren, und ist damit weit gekommen. Nun muss der telegene Schnellaufsteiger nach neonazistischen Umtrieben bei der Parteijugend den Vorsitz abgeben und auf die Spitzenkandidatur bei den Parlamentswahlen im kommenden März verzichten.
Die Berichte über Antisemitismus und Rechtsextremismus in der Jugendorgansation der Partei seien schrecklich: «Das sind Dinge, mit denen ich nichts zu tun haben will», versuchte der 37-Jährige sich vom Skandal beim Nachwuchs zu distanzieren. Um sich kurz danach als Opfer zu präsentieren. Er könne es nicht zulassen, dass «die Medien der Partei den Prozess» machten.
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Die Amsterdamer Tageszeitung «Het Parool» hat den braunen Sumpf in der Jugendorganisation des Forums (JFVD) publik gemacht: Juden würden internationale Pädophilennetzwerke betreiben und Frauen massenhaft in die Prostitution drängen, schrieb ein Parteimitglied in einer Whatsapp-Gruppe. Auf Instagram postete ein führender Aktivist ein Foto der NS-Schrift «Der Untermensch», versehen mit dem SS-Motto «Meine Ehre heisst Treue». Dies und anderes war am Ende selbst für die Mehrheit im Forum zu viel, das unter seinem Frontmann lange erfolgreich Tabus verletzt und hart am rechten Rand politisiert hat.
Im Aufstieg schien Thierry Baudet auf einer Welle des Erfolgs zu reiten. Seine Karriere begann 2015 mit dem erfolgreichen Referendum gegen den Assoziierungsvertrag der EU mit der Ukraine. Das war, als die Niederlande mit der direkten Demokratie experimentierten. Beflügelt vom Erfolg, schaffte der Gründer des Forums für Demokratie 2017 den Einzug in das niederländische Parlament. Dort inszenierte er sich als Bildungsbürger, stellte seinen Flügel ins Abgeordnetenzimmer, spielte Brahms und hielt seine erste Rede auf Lateinisch.
Die EU auflösen
«Wir haben die Absicht, die EU aufzulösen», sagte er vor den Europawahlen im Mai 2019 im Interview mit dieser Zeitung. Thierry Baudet ist eine jugendlichere und intellektuellere Version von Geert Wilders, dem anderen niederländischen Rechtspopulisten, den er zeitweise in den Umfragen überholte. Gleichzeitig wirkt der smarte Jurist und Historiker merkwürdig altmodisch, wenn er für die Rückkehr ins 19. Jahrhundert der Nationalstaaten wirbt.
Thierry Baudet, mit einer Iranerin liiert, leugnet den Klimawandel, bewundert Russlands Wladimir Putin und verficht die rechtsextreme Theorie vom «grossen Austausch», wonach Europas Eliten durch die Förderung der muslimischen Zuwanderung die demografische Transformation des Kontinents vorantrieben. Bei den Regionalwahlen im vergangenen Jahr wurde das Forum für Demokratie überraschend stärkste Kraft, Thierry Baudet bereits als künftiger Ministerpräsident gehandelt.
Im Abstieg scheint der rechtsradikale Hoffnungsträger das Gefühl für die Stimmungslage verloren zu haben. In der Corona-Krise ist Thierry Baudet einen Zickzackkurs gefahren, forderte zuerst harte Massnahmen, verbreitete dann Verschwörungstheorien. Nun haben die eigenen Parteigenossen ihn zum Rückzug von den Spitzenämtern gedrängt. Thierry Baudet ist nicht der erste Populist, der an sich selbst scheitert.
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