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Jungfraubahnen-Chef im Interview
«Es sind Qualität und Innovation gefragt – Trägheit ist wenig hilfreich»

Auf Preiserhöhungen will Jungfraubahnen-Chef Urs Kessler im laufenden Jahr verzichten.
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Wintersportorte müssen schliessen oder ihr Angebot einschränken, weil es zu warm ist. Ist es mit Skifahren in tiefen Lagen bald vorbei, Herr Kessler?

Die Wintersaison 2022/23 ist sicher eine der herausforderndsten, die ich erlebt habe. Die Folgen für den gesamten Wintersportmarkt sind nicht zu unterschätzen. In den niederalpinen Gebieten lernen die meisten Leute das Skifahren. Und die Wintersaison ist wichtig für die ganze Wertschöpfung einer Tourismus­destination. Daran hängen Leistungs­erbringer wie Hotellerie und Bergbahnen und damit auch Arbeitsplätze.

Ist der milde Winter ein normaler Ausreisser oder schon ein weiteres Zeichen für den Klimawandel?

Es ist ein Trend, der sich nicht abstreiten lässt. Ich glaube nicht, dass sich dieser Trend brechen lässt. Er wird sich in Zukunft noch beschleunigen. Tatsache ist: Wer langfristig im Wintersport tätig sein will, kann auf künstliche Beschneiung nicht mehr verzichten. Schneesicherheit ist ein Standard, ohne den es nicht geht.

«Wir arbeiten auf eine Hochsaison hin, die zwölf Monate dauert.»

Was bedeutet das für den Tourismus?

Der Wintersport wird langfristig ein stagnierendes, wenn nicht leicht rückläufiges Geschäft sein. Es wird deshalb für die betroffenen Gebiete überlebenswichtig sein, ihre Abhängigkeit vom Wintersport zu verringern. Bei den Jungfraubahnen ist das bereits der Fall. Wir erwirtschaften 80 Prozent des Umsatzes mit der Frühlings-, Sommer- und Herbstsaison und 20 Prozent mit der Wintersaison. Bei vielen niederalpinen Tourismusregionen ist es häufig umgekehrt. Darüber hinaus arbeiten wir mit neuen Angeboten auf eine Hochsaison hin, die zwölf Monate dauert.

Was für Angebote sind das?

Auf der First bieten wir schon längere Zeit ein Abenteuerprogramm an. Beispielsweise kann man zu viert mit einem Tempo von 84 Stundenkilometern das 800 Meter lange Stahlseil von der First nach Schreckfeld hinuntergleiten. Wir haben so den jährlichen Ertrag aus dem Sommerverkehr von 3,7 Millionen Franken auf 14 Millionen Franken erhöht.

Ist das auch ein Rezept für die Regionen in tiefen Lagen?

Die niederalpinen Gebiete müssen nicht nur ein zweites Standbein für den Sommer aufbauen. Wie wir auch sollten sie auch in den Wintersport investieren. Im Geschäftsjahr 2019 – dem letzten normalen Jahr vor Ausbruch der Pandemie – haben die Jungfraubahnen jeden siebten Franken aus den Wintersport­abonnements verdient. Das hat es uns erlaubt, eine halbe Milliarde Franken in das Generationenprojekt V-Bahn zu investieren. Damit gemeint ist das neue Terminal in Grindelwald Grund, von dem eine Dreiseilumlaufbahn zum Eigergletscher sowie eine 10er-Gondelbahn zum Männlichen führen sowie eine neue Haltestelle für den öffentlichen Verkehr. Das hat uns geholfen, im Winter konkurrenzfähiger zu werden.

Apropos Corona: Ist die Pandemie vorbei?

Ja, das ist sie. Die Jungfraubahnen kehren in grossen Schritten zur Normalität zurück. Es zeichnet sich ein Steigerungslauf ab. 2023 wird wohl ein gutes Übergangsjahr. Ab 2024 dürften wir dann wieder vollständig auf dem Vorkrisenniveau sein. Allerdings gibt es mit Blick auf die wichtigen Auslandsmärkte noch Unsicherheiten.

Die da wären?

Es fehlen Flüge, um die Gäste aus dem Ausland nach Europa und in die Schweiz zu fliegen. Weiter kommen die Botschaften in Asien nicht nach, um die nötigen Visa auszustellen. Schliesslich treibt die Inflation die Kosten in die Höhe. Preise für Flugtickets aus Asien in die Schweiz haben sich praktisch verdoppelt.

Wie geht es also mit dem Schweizer Tourismus nach der Pandemie weiter?

Entscheidend ist, dass die Branche rasch wieder in einen Wettbewerbsmodus schaltet. Der Erfolg von heute ist die Gefahr von morgen. Die Pandemie hat vielfach zu einer gewissen Selbstzufriedenheit geführt. Die Krise hat der Tourismus ordentlich gemeistert, es lässt sich auch von zu Hause aus arbeiten, die Gäste aus dem Ausland und aus der Schweiz kehren zurück. Es läuft also. Aber genau diese Haltung ist gefährlich. Wir stehen in einem direkten Konkurrenzkampf mit europäischen Destinationen. Da sind Qualität und Innovation gefragt. Trägheit ist wenig hilfreich.

Aber was wird sich davon abgesehen konkret ändern?

Die Pandemie hat den Trend zu Individualreisen eingeläutet und möglicherweise sogar verstärkt. Ich rechne damit, dass diese Entwicklung nachhaltig sein wird. Es wird aber nicht das Ende von Gruppenreisen sein. Vergessen wir nicht: In Asien gibt es viele Menschen, die kein Englisch sprechen. Für sie werden also in Gruppen organisierte und geführte Reisen nach wie vor die erste Wahl für Ferien im Ausland sein, denn sie sind auf Reiseführer angewiesen. Die Gruppen dürften aber kleiner werden.

Sie geben das Stichwort: Wann kehren die wichtigen Touristen aus Asien zurück?

Seit der zweiten Jahreshälfte 2022 sehen wir eine stetige Rückkehr dieser Gästegruppe. Es könnten mehr sein, aber wie bereits erwähnt fehlen die Flugkapazitäten. Uns kommt zugute, dass wir als grösste Bergbahnunternehmung der Schweiz während der Pandemie keine unserer rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen haben. So waren wir personell auf die Rückkehr von asiatischen Touristen vorbereitet.

Was für Signale haben Sie aus China, dem bedeutendsten asiatischen Markt für den Schweizer Tourismus?

Bekanntlich hat die chinesische Regierung Anfang Jahr die strengen Corona-Massnahmen für Reisen ins Ausland gelockert. Am Valentinstag waren deshalb die ersten 25 Personen aus dem Festland-China auf dem Jungfraujoch. Die Rückmeldungen aus dem Reich der Mitte stimmen mich zuversichtlich. Ich rechne damit, dass ab Ende März erste Einzelreisende und weitere Gruppen zurückkehren. Ab April wird es auch wieder drei Direktflüge pro Woche mit der Swiss von Shanghai nach Zürich geben. Ab Mai bis zum Sommer erwarte ich eine ansehnliche Gästezahl aus China.

Der Preis für den Skipass ist von 777 auf 850 Franken gestiegen. Wann ist die Schmerzgrenze erreicht?

Den Top-4-Skipass haben wir ins Leben gerufen. Er ist gültig für die vier grossen Oberländer Skigebiete Adelboden-Lenk, Gstaad-Saanenland, Meiringen-Hasliberg und die Jungfrau-Ski-Region. Die Preise für Kinder und Jugendliche haben wir aber nicht erhöht. Wichtig ist das Gesamtpaket. Der Zustand der Anlagen muss tadellos und der Zugang zu den Pisten jederzeit gewährleistet sein. Über die Schmerzgrenze der Preise entscheidet der Markt. Die Wintersportgäste reagieren sensibel auf Preiserhöhungen.

Gibt es im laufenden Jahr weitere Preiserhöhungen?

Das ist nicht geplant. Im Gegenteil: Für die laufende Wintersaison haben wir das Angebot angepasst. In jedem Skipass ist neu die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln inbegriffen. Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit und zeigt bereits Wirkung: Es reisen mehr Gäste mit dem öffentlichen Verkehr an.