Transatlantische BeziehungAlte Freunde schlagen neues Kapitel auf
Die USA, die europäischen Verbündeten in der Nato und die EU versuchen nach der Ära von Donald Trump den Neustart. Alte Konflikte bleiben jedoch auf dem Tisch.
Eigentlich sollte bei dem Treffen vor allem die transatlantische Freundschaft beschworen und bekräftigt werden. Ein alter Streit hat jedoch zum Auftakt den Neustart überschattet: US-Aussenminister Antony Blinken hat am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel mit Nachdruck den Stopp der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 gefordert. Das war nicht der einzige Klartext, der die Freude über den amerikanischen Freund zumindest bei einigen der europäischen Verbündeten etwas trübte.
Sind die Flitterwochen schon vorbei? Präsident Joe Biden habe sehr deutlich gesagt, dass er die Pipeline für eine schlechte Idee halte – schlecht für Europa und schlecht für die USA, mahnte Blinken. Nord Stream 2 stehe im Widerspruch zu den eigenen Zielen der EU im Bereich der Energiesicherheit. Zudem habe die Pipeline das Potenzial, die Interessen der Ukraine, Polens und einer Reihe weiterer enger Partner oder Verbündeter zu untergraben. In der Allianz sind die USA nicht allein mit ihrer Kritik an der Leitung für noch mehr russisches Gas. Antony Blinken schloss nicht aus, dass die USA weitere Sanktionen beschliessen könnten, um die Inbetriebnahme der fast fertigen Röhre zu verhindern.
Eine euphorische Begrüssung
Die Amerikaner und die Europäer sind nach der Ära von Donald Trump wieder beste Freunde. Das sollte der Besuch von Antony Blinken in Brüssel demonstrieren. Jens Stoltenberg, der sonst eher hölzerne Nato-Generalsekretär, empfing den Gast fast euphorisch: «Wir haben jetzt eine einmalige Gelegenheit, das transatlantische Band zu stärken und ein neues Kapitel in der Beziehung zwischen Nordamerika und Europa aufzuschlagen», sagte der Norweger. Die USA hätten in der Nato etwas, was keine andere Supermacht habe, nämlich 29 Freunde und Verbündete. Das war wohl noch ein Reflex aus der Trump-Ära, in der Stoltenberg den Laden nur mit Mühe zusammenhalten und den damaligen US-Präsidenten immer wieder von der Nützlichkeit des Bündnisses zu überzeugen versuchte.
Er sei nach Brüssel gekommen, um die «felsenfeste» Verpflichtung der USA gegenüber dem Bündnis zu bekräftigen, sagte Blinken. Die USA wollten die Allianz «wiederaufbauen und beleben». Es ist nicht lange her, dass Donald Trump mit dem Austritt drohte und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Nato für «hirntot» erklärt. Glaubt man Stoltenberg und Blinken, braucht es das Militärbündnis mehr denn je, gegen neue Bedrohungen wie hybride Kriegsführung und Desinformation im Internet, um Demokratien zu destabilisieren. Aber auch gegen ein «aggressives Russland». Und die Nato müsse sich auf die Herausforderung einstellen, die China für die regelbasierte internationale Ordnung darstelle, sagte Blinken. In der Allianz gehen die Meinungen zum Umgang mit der aufsteigenden Militärmacht in Asien durchaus auseinander.
Ja, Demokratien seien weltweit in Bedrängnis, und auch die USA hätten da in den letzten Monaten ein schlechtes Beispiel abgegeben, sagte Blinken mit Blick auf die Trump-Ära. Das Glas sei aber halb voll und nicht halb leer. Die USA seien noch aus jeder Prüfung gestärkt hervorgegangen. Autokratien seien im Vormarsch und forderten die westlichen Demokratien heraus. Das konnte auch als Kritik an autoritären Entwicklungen in den Nato-Mitgliedstaaten Polen und Ungarn verstanden werden.
Streitpunkt Afghanistan
Irritationen hatte es zuletzt zwischen den USA und den europäischen Verbündeten auch im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Einsatz in Afghanistan gegeben. Es sah so aus, als würde Biden die Politik der Alleingänge von Donald Trump fortsetzen und einen Abzug bis zum 1. Mai ohne Absprache mit den europäischen Verbündeten forcieren. «Wir sind zusammen reingegangen und werden auch zusammen rausgehen», versuchte Blinken die Partner zu beruhigen.
Der Kontrast zu Vorgänger Mike Pompeo konnte nicht grösser sein. Donald Trumps Chefdiplomat hatte bei einem Auftritt vor gut zwei Jahren in Brüssel Furore gemacht, als er die internationale Ordnung grundsätzlich infrage stellte. Multilateralismus sei heute oft ein Selbstzweck. Kritik übte Pompeo damals auch an der EU: «Stellt die EU sicher, dass die Interessen ihrer Bürger über jene von Bürokraten hier in Brüssel gestellt werden?» Antony Blinken will diesen Mittwoch nach dem zweitägigen Nato-Treffen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen aufsuchen. Auch in der EU-Schaltzentrale ist die Freude gross über die Rückkehr des amerikanischen Freundes.
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