«Pintflation» in GrossbritannienDie Briten leiden unter teurem Bier – und jetzt wird es noch schlimmer
Die grösste Pubkette führt «dynamische Preise» ein. Abends und am Wochenende ist das Pint schon mal 20 Pence teurer als sonst. Wird das die Wirte retten – oder die Leute vertreiben?
Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, aber im Grunde geht man in Grossbritannien sehr viel höflicher miteinander um als anderswo. Das gilt auch dann, wenn es darum geht, eher unangenehme Nachrichten zu verkünden. Zum Beispiel, wenn der Bierpreis steigt.
Genau das hat nun die grösste britische Pubkette Stonegate angekündigt, und zwar mit einem System, das sich «Dynamic Pricing» nennt. Vereinfacht gesagt funktioniert das so: Je mehr Leute im Pub sind, desto teurer ist das Bier.
Damit der zu erwartende Aufschrei nicht ganz so laut wird, haben sich die Marketingstrategen bei Stonegate etwas einfallen lassen. In all den Pubs, in denen es ab sofort dynamische Preise gibt, liegen auf den Tischen kleine Kärtchen, auf denen steht: «Polite Notice», was man durchaus mit «höfliche Anmerkung» übersetzen kann. Auf den Kärtchen wird dann erklärt, dass in diesem Pub das System dynamischer Preise praktiziert wird. Laut Stonegate kann der Preis für ein Pint um bis zu 20 Pence steigen (fallen soll er nicht). Das sind umgerechnet etwa 22 Rappen.
Stonegate betreibt in Grossbritannien 4000 Pubs, darunter die bekannten Ketten Slug and Lettuce sowie Craft Union. In insgesamt 800 Pubs soll es nun vor allem abends und an Wochenenden dynamische Bierpreise geben. Stonegate begründet das mit den gestiegenen Kosten. Je mehr in einem Pub los sei, desto mehr Personal brauche man. Und zwar nicht nur an der Bar, sondern auch vor der Tür und in der Küche beim Gläserwaschen.
Diese Argumente finden längst nicht alle überzeugend. So spricht etwa der Chef der Konsumentenorganisation Campaign for Real Ale, Tom Stainer, von einem «beunruhigenden» Schritt. Die Preise seien für die Pubgäste nicht mehr wirklich transparent und nachvollziehbar.
«Unsere Befürchtung ist, dass dies die Menschen eher davon abhält, ins Pub zu gehen.»
Dabei zeigt Stainer durchaus Verständnis: Gerade in Zeiten hoher Inflation täten sich viele Pubs schwer, das Geschäft am Laufen zu halten. Einen Extraaufschlag hält er aber nicht für die richtige Lösung. Stainer glaubt, dass die Sache auch nach hinten losgehen könnte: «Unsere Befürchtung ist, dass dies die Menschen eher davon abhält, ins Pub zu gehen.»
Die Lage der britischen Pubs war tatsächlich schon mal besser. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres gaben 150 Pubs in England und Wales ihr Geschäft auf. Das sind 50 pro Monat. 2022 sah es noch ein wenig besser aus, da schlossen im Durchschnitt 32 Pubs pro Monat. Der Hauptgrund waren vor allem die massiv gestiegenen Energiekosten. Hinzu kommt: Es ist in manchen Gegenden nicht leicht, Personal zu finden.
Mit am höchsten sind die Bierpreise in London
Ob «Dynamic Pricing» dafür sorgt, dass sich das Geschäft wieder bessert, wird sich zeigen. Eines steht jedenfalls schon jetzt fest: Der Preis für ein Pint ist binnen eines Jahres je nach Region stark gestiegen. Das zeigen Daten des nationalen Statistikamts ONS. Im Landesdurchschnitt kostet ein Pint Lager in diesem Sommer 4,56 Pfund. Letztes Jahr waren es um diese Zeit noch 4,07 Pfund. Mit am höchsten sind die Bierpreise in London. Dort zahlt man für ein Pint normalerweise zwischen sechs und sieben Pfund, Tendenz steigend.
Mancherorts ist auch das eingetreten, was die Gastro-Analysten von CGA vor einem Jahr prognostiziert hatten: Der Preis für ein Pint werde 2023 auf 8,48 Pfund steigen, hiess es damals, womöglich auch mehr. Aus kontinentaleuropäischer Sicht wären das dann schon fast zehn Euro für 0,5683 Liter Bier. Kein Wunder, dass es im wortspielverliebten Grossbritannien bereits einen Begriff für die anhaltende Teuerungswelle im Pub gibt: «Pintflation».
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