Umweltminister in Dubai Klimaschützer zielen auf Rösti – sein Departement kontert
Die Schweiz ist nicht mehr in der Koalition der hoch ambitionierten Länder: Albert Rösti wird für einen Entscheid kritisiert, den er gar nicht getroffen hat.
Albert Rösti (SVP) muss sich regelmässig Kritik von Klimaschützern anhören. So auch jetzt wieder. Am Sonntag hat der Umweltminister an der Klimakonferenz in Dubai erklärt, warum die Schweiz nicht mehr Teil der sogenannten «High Ambition Coalition» ist. Das ist die Gruppe jener Länder, die sich für einen engagierten Klimaschutz starkmacht.
«Dieser Austritt kommt einem klimapolitischen Hochverrat gleich», sagt Jonas Kampuš vom Klimastreik. Er verweist auf die Schweizer Bevölkerung, die sich diesen Sommer mit der Zustimmung zum Klimaschutzgesetz zum Pariser Abkommen bekannt habe – und damit zum Ziel, alles zu unternehmen, damit sich die Erde nicht um mehr als 1,5 Grad erwärme.
Die Schweiz war seit 2015 Teil der Koalition, die den Klimaverhandlungen mit ehrgeizigen Zielen jeweils Schub geben will. Allerdings fehlen mit Ländern wie den USA, China, Indien und Russland die wichtigsten Emittenten.
Nun steht die Finanzierung im Vordergrund
Umweltminister Rösti begründete die Abkehr von der Gruppe mit dem neuen Fokus der internationalen Klimapolitik. In einer ersten Phase stand im Vordergrund, CO₂-Reduktionsziele zu setzen. Hier, sagte Rösti am Sonntag zu SRF, «war die Schweiz vorne dabei, weil sie auch Vorreiterin war in verschiedenen internen Gesetzgebungen».
Jetzt aber geht es vermehrt um die Klimaschutz-Finanzierung, wo die Schweiz laut Rösti bereits einen «grossen Leistungsausweis» habe. Letztes Jahr habe sie 500 Millionen Franken bereitgestellt. In Zukunft sei es nun wichtiger, die Geberbasis zu verbreitern. Also Private und Länder, die auch grosse CO₂-Emittenten sind, für die notwendigen Zahlungen einzubeziehen.
Den Klimaschützern genügt diese Begründung nicht – zumal aus ihrer Sicht die Schweiz weit mehr Geld einzahlen müsste. Sie sehen sich vielmehr bestätigt, dass mit Rösti, dem ehemaligen Präsidenten von Swissoil und Auto-Schweiz, die «fossile Lobby» im Bundesrat vertreten sei. Der Klimastreik fordert das Parlament auf, Rösti am Mittwoch abzuwählen.
Ursprung vor Röstis Amtsantritt
Nur: Der Entscheid für den Austritt hat seinen Ursprung im letzten Jahr – als noch Röstis Vorgängerin Simonetta Sommaruga (SP) im Amt war. Damals wurde klar, dass sich die Mitglieder der «High Ambition Coalition» vom Kernthema Emissionsminderung auf das Thema Finanzierung verlagern.
In der Folge beschloss das Bundesamt für Umwelt, das dem Departement Uvek angehört, den Austritt – das war im Januar 2023, da hatte Rösti sein Amt erst gerade angetreten. Der Gesamtbundesrat habe diese Haltung im September im Verhandlungsmandat für die Klimakonferenz in Dubai bestätigt, so das Uvek. Damit konfrontiert, hält Jonas Kampuš an der Kritik des Klimastreiks fest. Die Forderung bleibe die gleiche: Die Schweiz müsse in dieser Koalition bleiben.
«Es zählt, was man liefert»
Der Austritt beschäftigt auch die Wirtschaft. «Er setzt ein falsches Signal», sagt Christian Zeyer, Co-Geschäftsführer des Verbands Swisscleantech. Dieser Schritt sei aber schon fast in der Tradition der Schweizerischen Klimapolitik, die nicht richtig vom Fleck komme.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse dagegen warnt, den Austritt überzubewerten. Dieser sei vor allem «konferenzpolitischer Natur», sagt Geschäftsleitungsmitglied Alexander Keberle. «Es zählt, was man liefert, nicht, zu welchem Grüppchen man gehört.» Und da müsse sich die Schweiz im internationalen Vergleich nicht verstecken.
Die Schweiz plant eine Reduktion der CO₂-Emissionen um 50 Prozent.
Vorne mit dabei ist die Schweiz allerdings nicht. Das zeigt der von der Umweltorganisation Germanwatch veröffentlichte Klimaschutz-Index 2024. Das ist eine Rangliste von 63 Ländern plus EU, die zusammen für mehr als 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Die Schweiz belegt Platz 21. Das ist zwar ein Rang besser als 2022, im Vorjahr rangierte sie aber noch an 15. Stelle. Als ungenügend taxieren die Autoren unter anderem die nationale Klimapolitik.
Spitzenreiter ist nach wie vor Dänemark, das bis 2030 die CO₂-Emissionen gegenüber 1990 um 70 Prozent senken will. Die Schweiz dagegen plant eine Reduktion um 50 Prozent, und dies nicht nur im Inland. Mindestens ein Drittel will sie mit Klimaschutzmassnahmen im Ausland erreichen – womit sie weltweit eine Sonderrolle innehat. So sieht es der Entwurf des neuen CO₂-Gesetzes für die Zeit von 2025 bis 2030 vor. Der Nationalrat wird nächste Woche darüber diskutieren.
Rösti will weg von fossiler Energie
Was im Lärm um Röstis Austrittserklärung unterzugehen droht: Der SVP-Bundesrat hat sich in Dubai für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis 2050 starkgemacht. Er forderte die Staatengemeinschaft auf, diesen Schritt zu machen sowie bis 2030 die erneuerbaren Energieträger zu verdreifachen und gleichzeitig die Effizienz zu verdoppeln.
Auch wenn sich Rösti damit, wie Kritiker anmerken, nur an das Mandat des Gesamtbundesrats gehalten hat: Seine Aufforderung wird von der Schweizer Wirtschaft begrüsst. «Sie ist wichtig und visionär», sagt Keberle von Economiesuisse. Fossile Energien seien zunehmend veraltet, und alle Staaten müssten bis 2050 gemeinsam einen geordneten Ausstieg finden. «Ein klares Bekenntnis wäre aus Sicht der Wirtschaft ein wichtiger Schritt für mehr Investitionssicherheit in der Schweiz.» Gefordert seien nun vor allem auch die Staaten mit steigendem Erdölverbrauch.
Letzterem widerspricht Swisscleantech. Zwar begrüsst Christian Zeyer Röstis «klare Worte». «Die eigenen Taten müssen ihnen aber entsprechen.» Hier liege das eigentliche Problem: Die bestehenden Massnahmen im CO₂-Gesetz seien zu wenig ambitioniert, so Zeyer, der Nationalrat müsse die Vorlage nächste Woche verschärfen.
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