Medienkonferenz des BundesratsDer Bundesrat will einen Gegenvorschlag zur «Blackout stoppen»-InitiativeDie Vorgeschichte
Der Bundesrat rüttelt am 2017 beschlossenen Verbot des Baus neuer Atomkraftwerke. Er kündigt an, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten. Die Medienkonferenz zum Nachlesen.
Das Wichtigste in Kürze:
Der Bundesrat rüttelt am 2017 beschlossenen Verbot des Baus neuer Atomkraftwerke. Er will den Bau grundsätzlich ermöglichen.
Die Regierung will eine Vorlage erarbeiten, um damit einem Anliegen der Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» Rechnung zu tragen.
Man teile die Haltung des Initiativkomitees, dass Technologieoffenheit eine Voraussetzung darstelle, um den steigenden Strombedarf auch langfristig klimaschonend, sicher und zuverlässig decken zu können.
Die Vernehmlassung soll bis Ende März 2025 dauern, danach werde das Parlament die Initiative und den Gegenvorschlag beraten.
Die Grünen haben bereits Widerstand angekündigt.
Die Medienkonferenz ist zu Ende
Albert Rösti schliesst die Medienkonferenz.
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Referendum wäre «wichtig und richtig»
Auch er habe 2017, als er gegen die Energiestrategie gekämpft habe, nicht damit gerechnet, dass es so schnell einen Paradigmenwechsel geben würde, sagt Rösti. Er wolle niemandem einen Vorwurf machen für frühere Entscheide. Auch rechne er damit, dass ein Referendum ergriffen werde. Eine Abstimmung findet nicht automatisch statt, weil es sich um einen indirekten und keinen direkten Gegenvorschlag zur Initiative handelt. Aus Sicht des Bundesrats ist dies angemessen, weil das Neubauverbot 2017 im Gesetz festgehalten wurde. Falls es eine Abstimmung gebe, solle diese im gleichen Rahmen stattfinden. Rösti sagt, er würde ein Referendum als «absolut richtig erachten.» Und präzisiert: «Richtig und wichtig.»
«Wir brauchen mehr Strom»
«Wir werden kein Kernkraftwerk bauen, falls genügend andere Projekte zustande kommen», sagt Rösti und ruft dazu auf, Projekte für erneuerbare Energien nicht zu blockieren. «Dieses Land braucht mehr Strom.»
Braucht es überhaupt Subventionen?
Geht der Bundesrat auch davon aus, dass es neue Subventionen bräuchte, damit ein AKW überhaupt gebaut werden könne – oder kann Rösti solche Subventionen ausschliessen? «Weder noch.» Dies werde sich zeigen, falls dereinst ein Projekt auf dem Tisch liege, so der Energieminister.
Weshalb schlägt der Bundesrat keine Subventionen für AKW vor?
Stromkonzerne machen klar, dass sie keine neuen AKW bauen würden, sofern der Bundesrat keine neuen Subventionen für die Kernkraft beschliesst. Weshalb also will der Bundesrat im Rahmen der geplanten Gesetzesänderungen nicht definieren, wie hoch Subventionen ausfallen würden?
Rösti sagt: «Es wäre vermessen, zu sagen, wie teuer ein solches Projekt in weiss nicht wie vielen Jahren sein wird.» Die Spannbreite der Angaben der Stromkonzerne sei immens. Das sei nachvollziehbar, denn es liege ja noch kein konkretes Projekt vor. So lange es das Neubauverbot gebe, werde sich niemand überlegen, ein konkretes Projekt zu starten. Falls es ein konkretes Projekt gebe, könne die Bevölkerung erneut darüber abstimmen. Kombiniert mit Informationen dazu, wie hoch die Kosten seien.
Langfristige Strategie: «Wenn wir nicht heute beginnen, kommen wir vielleicht zu spät».
Auf kurze oder sogar mittlere Frist müsse man nicht über neue Atomkraftwerke nachdenken, so Rösti. Aber auf lange Frist, mit einem Zeithorizont von 15 Jahren, könne es nötig werden. «Wenn wir nicht heute beginnen, kommen wir vielleicht zu spät».
Wie will Rösti das Parlament überzeugen?
Ein Journalist weist darauf hin, dass das Parlament in den letzten Jahren diverse Anträge im Parlament, das Neubauverbot zu kippen, abgelehnt habe. Rösti entgegnet, dazu habe nie eine richtige Vernehmlassung stattgefunden. Das Parlament solle sich nun eingehend mit dem Thema befassen.
Erste Journalistenfrage: Gibt es weitere Unterstützungen für den Bau von Kernkraftwerken«?
Nein, sagt Rösti. Es gebe bisher keine Anfragen oder Gesuche für konkrete Neubauprojekte. Der Bundesrat wolle zuerst über den Grundsatz entscheiden. Dies, damit sich die Bevölkerung – mit einem fakultativen Referendum – über die Aufhebung des Neubauverbots äussern könne.
«Fachkräfte im Land behalten»
Laut Rösti sieht der Bundesrat noch ein zusätzliches Argument für diese Öffnung. Es müsse verhindert werden, dass Fachkräfte im Bereich der Kernenergie ins Ausland abwandern würden. Dies sei schwierig, solange ein Technologieverbot gelte. Die Fachkräfte würden heute lieber in europäische Länder ziehen, wo Atomenergie inzwischen als grüne Energie anerkannt sei.
Bundesrat will Alternativ zu Erneuerbaren bieten
Falls es nicht möglich sein werde, die Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien sicherzustellen, will der Bundesrat den Bau neuer Kernkraftwerke ermöglichen. Es gehe darum, langfristig eine Alternative zu bieten – und nicht darum, den Ausbau der Erneuerbaren zu bremsen. Dies auch, weil der Strom der bestehenden Kernkraftwerke dereinst ersetzt werden müsse.
Beschwerden bei Wasserkraftwerken und Solarenergieprojekten
Der Bundesrat beobachte Schwierigkeiten beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, so Rösti. Trotz Stromgesetz seien diverse Beschwerden hängig bei Projekten für die Wasserkraft. «Genau diese Projekte geben uns die Winterproduktion». Sie seien wichtig und würden auch wichtig bleiben. Er als zuständiger Bundesrat wolle sich dafür einsetzen, dass diese Projekte gebaut werden könnten. Dasselbe gelte bei Solarprojekten. Dort gebe es ein weiteres Hindernis: Die technische Machbarkeit.
Erneuerbare Energien gegen Kernenergie auszuspielen sei «sinnlos»
Das Volk habe jüngst mit dem Ja zum Stromgesetz den Willen bestätigt, Solar-, Wind- und Biogasanlagen sowie die Wasserkraft auszubauen, so Rösti. Es sei aber «sinnlos», die verschiedenen Energieformen gegeneinander auszuspielen. Die Schweiz brauche alle, um genügend Energie produzieren zu können.
«Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden»
Rösti sagt: «Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden». Seit die Bevölkerung den Atomausstieg beschlossen habe, habe sich die Situation radikal geändert. Dafür gebe es mehrere Gründe. So habe die Schweiz beschlossen, Netto-Null Treibhausgasemissionen anzustreben bis 2050. Zudem habe der Ukraine-Krieg gezeigt, dass im Winter schnell Energiemangellagen entstehen könnten. Auch sei der Bedarf für Energie grösser, als 2017 angenommen. Und: Der Zubau der erneuerbaren Energien gehe deutlich langsamer voran, als erwartet.
Rösti erklärt Ablehnung der «Blackout stoppen»-Initiative
Die «Blackout stoppen»-Initiative wolle alle klimaschonenden Technologien zulassen. Der Bundesrat empfehle, sie abzulehnen, aus drei Gründen. So könne das Neubauverbot mittels einer Gesetzesänderung gestrichen werden. Es brauche keine Verfassungsänderung. Zweitens müssten Bund und Kantone sich für die Energieversorgung einsetzen. Die Initiative wolle die alleinige Verantwortung dem Bund übertragen. Doch die heutige Kompetenzordnung funktioniere, der Bundesrat wolle daran nichts ändern. Drittens sei die Notversorgung mittels Gaskraftwerken mit der Initiative in Frage gestellt
Die Medienkonferenz beginnt
Bundesrat Albert Rösti, der dem Umwelt- und Energiedepartement vorsteht, sagt, die Schweiz habe heute eine gut funktionierende Energieversorgung. Sie sei das Rückgrat unserer Wirtschaft. Eine Mangellage sei das grösste Risiko für die Wirtschaft. «Deshalb müssen wir – und das ist meine höchste Priorität – unserer inländischen Stromproduktion Sorge tragen», so Rösti.
Der Bundesrat will einen Gegenvorschlag zur «Blackout stoppen»-Initiative
Die Regierung hat am Mittwoch entscheiden, einen indirekten Gegenvorschlag zur «Blackout stoppen»-Initiative auszuarbeiten. Die Volksinitiative stammt aus SVP- und FDP-Kreisen und hat zum Ziel, den Neubau von AKW wieder zu ermöglichen. Der Bundesrat will den Initianten nun entgegenkommen und einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative ins Parlament bringen. Er schlägt vor, das Neubauverbot aus dem Kernenergiegesetz streichen. Damit wolle man «die langfristige Sicherheit der Energieversorgung» gewährleisten, wie es in den Informationen zum Entscheid heisst.
Der Bundesrat wolle damit «die Möglichkeit offenhalten, das heute verfügbare Mass an klimaschonendem, inländischem, ganzjährig und rund um die Uhr verfügbaren Strom zu sichern». Dabei handle es sich nicht um den konkreten Entscheid für den Neubau eines AKWs. Einzig das Technologieverbot solle aufgehoben werden. Energieminister Albert Rösti begründet den Entscheid des Bundesrats an einer Medienkonferenz.
Die Ausgangslage
Energieminister Albert Rösti hat schon vor zwei Wochen im Bundesrat beantragt, einen Gegenvorschlag zur «Blackout stoppen»-Initiative zu entwickeln. Recherchen dieser Redaktion haben gezeigt: Rösti schlug seinen Bundesratskolleginnen und -kollegen vor, das bestehende AKW-Neubauverbot aus dem Gesetz zu streichen. Dies mit einem indirekten Gegenvorschlag zur Initiative. Der Bundesrat schickte Rösti in eine zweite Runde, er sollte seine Pläne verfeinern. Heute hat der Bundesrat erneut darüber diskutiert. Der SVP-Energieminister hat sich durchgesetzt. Er kann bis Ende Jahr eine Botschaft ausarbeiten. Das Parlament wird dann zuerst über den Vorschlag befinden. Eine Volksabstimmung gibt es nur, falls anschliessend ein Referendum ergriffen wird.
Die Vorgeschichte
Vor sieben Jahren wurde das AKW-Neubauverbot im Gesetz festgehalten. Rund 58 Prozent der Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sprachen sich an der Urne für die Energiestrategie aus – und damit auch für das Neubauverbot. Die Pläne stammten von der damaligen Bundesrätin und Energieministerin Doris Leuthard. Entstanden waren sie unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Fukushima.
Kernkraft-Befürworter argumentieren, die Energiestrategie sei gescheitert. Dies habe etwa die Energiemangellage im Winter 2022 gezeigt. Parlamentarier von SVP und FDP überlegen sich auch bereits, wie neue AKW subventioniert werden könnten. Linke und grüne Parlamentarier halten dagegen – und die Grünen haben auch bereits klar gemacht, dass sie einen Wiedereinstieg in die Atomkraft bekämpfen würden. Eine entscheidende Rolle wird im Parlament die Mitte spielen. (fem/rhy)
Lesen Sie hier mehr zur Vorgeschichte der Atomkraftdebatte in der Schweiz – oder hören Sie hier unseren Podcast «Apropos» dazu.
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