Interview zur AKW-AbschaltungAxpo-Chef fordert 1200 Windräder gegen den Blackout
Bis 2033 soll Beznau vom Netz gehen. Christoph Brand, CEO der Kraftwerkbetreiberin, warnt vor Problemen im Winter – und nennt Bedingungen für die Energiesicherheit.
- Axpo-Chef Brand warnt vor künftiger Energieknappheit im Winter.
- Er fordert Ergänzungen zur Solarkraft für eine stabile Energieversorgung.
- Brand sieht einen starken Ausbau der Windkraft und Diskussionen über reguläre Gaskraftwerke als notwendig.
- Ein neues AKW sieht er für die Axpo als ein zu hohes finanzielles Risiko.
Herr Brand, war der Weiterbetrieb des AKW Beznau über 2033 hinaus rein technisch nicht mehr möglich, oder wäre dieser einfach zu teuer geworden?
Der Entscheid ist eine komplexe Kombination aus technischen, regulatorischen und finanziellen Gründen. Unsere oberste Priorität ist, einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.
Ein sicherer Betrieb des AKW für mehr Jahre wäre also nicht möglich gewesen?
Wir haben festgestellt, dass eine Verlängerung der ursprünglichen Laufzeitplanung von 60 auf 64 Jahre ohne Kompromisse bei der Sicherheit möglich ist.
Durch die Abschaltung der beiden Atommeiler verliert die Schweiz rund zehn Prozent ihrer Stromproduktion. Wie soll diese kompensiert werden, ohne dass ein Blackout droht?
Ich rechne nicht mit einem akuten Problem. Es drohen aber Engpässe ab den 2040er-Jahren, weil der Strombedarf stetig wächst und auch die anderen Schweizer Atomkraftwerke vom Netz gehen werden. Daher ja, wir müssen Gas geben, sonst laufen wir auf ein grosses Problem zu.
Mit Gas geben meinen Sie wohl den Ausbau der Windkraft. Bürgerliche Politiker haben schon die Zahl von 9000 Windrädern genannt, auf die die Schweiz ohne Atomkraft angewiesen sein könnte.
9000 Windräder würden etwa sieben oder acht Atomkraftwerke ersetzen, eine solche Zahl dient der Panikmache und ist fernab von jeder Realität. Kurz- und mittelfristig sollten wir aber viel mehr Windräder bauen, weil diese für günstigen Strom im Winter sorgen. Auch wird die Schweiz nicht darum herumkommen, über das Thema Gaskraftwerke zu diskutieren, denn die Wasserkraft und die Sonnenenergie allein werden nicht ausreichen, da sollten wir uns keine Illusionen machen.
Wie sieht es denn mit neuen Atomkraftwerken aus?
Dazu sage ich: Wenn heute mit der Planung begonnen würde, könnte vielleicht Ende 2040er auch ein neues Atomkraftwerk ans Netz gehen. Nur ist dies aus heutiger Sicht für eine Investorin wie die Axpo ein zu hohes finanzielles Risiko.
Grundsätzlich sind Sie aber nicht gegen neue Atomkraftwerke?
Ich will nicht beurteilen, ob diese eine gute oder eine schlechte Option für die Schweiz sind, das ist eine politische Entscheidung. Aber man muss sehen, es reicht nicht aus, sich auf die Wasserkraft und den Ausbau der Sonnenenergie zu verlassen. Dieser Ausbau ist wichtig, aber es bräuchte auch etliche Windräder. Nur werden diese leider häufig abgelehnt.
Wie viele Windräder?
Wir rechnen in einem unserer Szenarien mit etwa 1200. Heute stehen in der Schweiz gerade mal 47. In Österreich über 1400.
Zurück zur Atomkraft: Wäre Beznau, wie es teils von Politikern schon gefordert wurde, nicht ein guter Standort für ein neues Atomkraftwerk?
Allein der Rückbau des jetzigen Atomkraftwerks dauert etwa 15 Jahre. Wenn man bis Ende 2040 ein Atomkraftwerk will, muss man schon heute irgendwo auf der grünen Wiese damit starten und nicht mit dem Baustart warten, bis Beznau vollständig zurückgebaut ist.
«Wir brauchen eine Lösung für den Fall, dass im Winter kein Wind weht und die Solarpanels schneebedeckt sind.»
Ein Ausweg für Engpässe könnten Gaskraftwerke sein. Der Bund sollte seine Notgaskraftwerke nun also umso dringender bauen?
Die Schweiz muss über Gaskraft diskutieren, insbesondere wenn es viel Widerstand gegen die Windkraft und gegen das Stromabkommen gibt. Je stärker dieser Widerstand ist, desto mehr muss man sogar Gaskraftwerke ins Auge fassen, die den ganzen Winter laufen und nicht nur im Notfall. Rein technisch wäre der Bau solcher Gaskraftwerke nicht so komplex.
Dafür fehlt die politische Grundlage.
Wir sind überzeugt davon, dass wir uns mit Gaskraftwerken auseinandersetzen müssen. Denn wir brauchen für die Zukunft auch eine Lösung für den Fall, dass im Winter für zwei Wochen kein Wind weht und die Solarpanels alle vom Schnee bedeckt sind. Und das wird in anderen Ländern dann auch so sein – sodass wir weniger Strom importieren können.
In Deutschland gab es Anfang November eine Dunkelflaute mit wenig Wind und Sonne. Die Börsenstrompreise stiegen an diesem Tag auf über 800 Euro pro Megawattstunde an.
Am 6. November gab es dort eine Dunkelflaute, das heisst, Solar- und Windkraft lieferten praktisch nichts. Alle anderen Kraftwerke in Deutschland liefen auf Volllast, und die Importleitungen waren voll ausgelastet. Die Nachfrage konnte aber nur knapp gedeckt werden. Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten an diesem Tag die Nachfrage von einem kalten Wintertag wie dem 15. Januar gehabt, dann wären wohl die Lichter ausgegangen.
Deshalb plädieren Sie für Gaskraftwerke?
Bis in die 2040er-Jahre können wir unseren Bedarf noch einigermassen mit Stromimporten decken, danach wird es eng. Entweder bauen wir die Windkraft stark aus, oder wir bauen Gaskraftwerke. Das erhöht aber mittelfristig den CO₂-Ausstoss. Immerhin langfristig werden solche Kraftwerke höchstwahrscheinlich CO₂-neutral sein.
Oder doch lieber Atomkraft?
Das ist nicht an uns, zu sagen, wir schalten das Kraftwerk nicht mit einem politischen Hintergedanken ab. Ich würde mir einfach wünschen, dass die Diskussion über einen schlauen Energiemix stärker in Gang kommt. Denn etwas müssen wir bauen. Der Konsens bei der Photovoltaik reicht nicht. Die Schweiz muss sich endlich entscheiden.
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