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Neue Pläne für AKW-Standorte
In Beznau und Mühleberg sollen Stromspeicher der Zukunft entstehen

Ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Muehleberg ueberwacht waehrend den Rueckbauarbeiten die Aushebung eines Generators aus dem Maschinenraum des KKM, am Mittwoch, 11. November 2020 in Muehleberg. Der Rueckbau des Kernkraftwerks dauert bis 2034. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Elektroauto statt Benziner, Wärmepumpe statt Gasheizung: Die Schweiz will bis 2050 klimaneutral werden. Dafür wird sie mehr Strom als heute benötigen, etwa 80 Terawattstunden Strom pro Jahr, 20 mehr als heute. Mit dem geplanten Atomausstieg kommen weitere gut 20 Terawattstunden dazu, die neu produziert werden müssen. Das macht also circa 40 Terawattstunden – eine beträchtliche Menge. 

Wie kann also die Schweiz in Zukunft ihre Stromversorgung sichern, namentlich im Winter, wenn sie auf Importe angewiesen ist? Ein neuer Vorschlag kommt nun von den Grünliberalen. An den Standorten der Kernkraftwerke Mühleberg, das 2019 abgestellt wurde, und Beznau, das noch in Betrieb ist, sollen nach dem Rückbau der Atomanlagen sogenannte Power-to-X-Anlagen erstellt werden. 

Aus grünem Strom wird Treibstoff

Power-to-X: Der Begriff steht für eine Technologie, die es ermöglicht, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien in synthetische Treib- und Brennstoffe umzuwandeln, lagerbar zu machen und bei Bedarf wieder in Strom zurückzuverwandeln. So kann zum Beispiel Solarstrom, der im Sommer gewonnen wird, für potenziell kritische Wintermonate gespeichert werden. 

Der Bundesrat soll nun eine gesetzliche Grundlage ausarbeiten, welche die Planung und den Bau solcher Anlagen an den beiden Standorten möglich macht. Das fordert Nationalrat Martin Bäumle in einer Motion, die er heute Freitag einreicht. Diese Anlagen sind für Bäumle – nebst dem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und einem Strom- oder Energieabkommen mit der EU – ein Schlüsselelement: «Die Schweiz kann so die Versorgungssicherheit im Winter und die Widerstandsfähigkeit ihres Energiesystems verbessern.» 

Bäumles Plan sieht so aus: Power-to-X-Anlagen mit einer Leistung von total 150 Megawatt produzieren in Zukunft während des ganzen Jahres mit erneuerbarem Strom zum Beispiel Wasserstoff. Ein Kraftwerk, das vor Ort ebenfalls neu gebaut wird, verwandelt ihn bei Bedarf in Strom zurück. 

Diese Lösung würde es nach Bäumle ermöglichen, auf die klimapolitisch umstrittenen fossilen Reservekraftwerke zu verzichten.

Bäumle nennt es «X-to-Power-Kraftwerk». Wird ein Jahr lang auf diese Weise Wasserstoff produziert, reicht die Menge, um das Kraftwerk 400 Stunden laufen zu lassen. Die Lösung sei CO2-neutral und grundsätzlich allein mit einheimischen erneuerbaren Energien realisierbar, so Bäumle. 

Diese Versicherungslösung würde es nach Bäumles Einschätzung ermöglichen, auf die klimapolitisch umstrittenen fossilen Reservekraftwerke zu verzichten. Drei solcher Anlagen – in Birr (AG), Cornaux (NE) und Monthey (VS) – hatte der Bund als Reaktion auf eine mögliche Mangellage im letzten Winter erstellen lassen.

Ob der Vorschlag im Parlament eine Mehrheit findet, ist unklar. Bürgerliche Politiker wie Ständerat Ruedi Noser (FDP) haben, zumindest für Beznau, andere Pläne: den Neubau eines Atomkraftwerks. Die Stromwirtschaft indes zeigt sich offen. Der Dachverband der Schweizer Stromwirtschaft (VSE) hält es «für  wichtig», Bäumles Vorschlag zu prüfen.  

Kernkraftwerk Beznau. Foto: 20min/Marco Zangger

Der VSE geht davon aus, dass Wasserstoff ab 2040 einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten kann. Er rechnet allerdings damit, dass der Import von grünem Wasserstoff in die Schweiz günstiger sein wird als die Produktion im Inland, eine entsprechende Anbindung an das Wasserstoffnetz Europas vorausgesetzt. «Es gibt aber auch in der Schweiz Standorte, wo eine wirtschaftliche Produktion möglich ist», sagt Egli. Ob dies bei Beznau und Mühleberg der Fall wäre, kann der VSE nicht abschätzen. Aus seiner Sicht macht es aber grundsätzlich Sinn, neue Anlagen bei bisherigen Produktionsstandorten zu planen, weil die Akzeptanz für neue Energieinfrastruktur generell gering sei. Hinzu komme, dass dort wichtige Infrastrukturen bereits vorhanden seien, etwa ein direkter Anschluss an das Hochspannungsnetz der Schweiz. 

Sicher ist. Schnell realisieren lässt sich der Plan nicht. Die Axpo, die Beznau betreibt, hält den Vorschlag zwar für prüfenswert. Sie betont aber, das Kernkraftwerk noch so lange weiterbetreiben zu wollen, wie es sicher und wirtschaftlich sei. Und: Nach der Ausserbetriebnahme werde der Rückbau der Anlage Priorität haben. Die Axpo geht davon aus, dass das Gelände des Kraftwerkareals nach Abschluss der Stilllegung nach 15 Jahren wieder für andere Zwecke genutzt werden kann. 

The Muehleberg nuclear power plant at the day of the official shutdown after 47 years of operation, on Friday, 20 December 2019, in Muehleberg, Switzerland. The removal of the nuclear power plant will last till 2034. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Dasselbe bei Mühleberg. Der Rückbau beginne erst im Jahr 2031, da die Anlage erst Ende 2030 frei von radioaktivem Material sei, so die ehemalige Mühleberg-Betreiberin BKW. Der Berner Stromkonzern will nun abwarten, bis der Bundesrat seine Wasserstoffstrategie präsentieren wird, was wohl 2024 der Fall sein dürfte. Diese Roadmap soll aufzeigen, wo Wasserstoff in der Schweiz voraussichtlich zum Einsatz kommen wird, wo und wie er produziert und transportiert wird. Zum Vorschlag der GLP äussert sich die BKW nicht. 

Technologie ist noch teuer

Erschwerend hinzu kommt die Kostenfrage. Finanziert werden soll diese neue Versicherungslösung über das Netzentgelt, das die Stromkonsumenten bezahlen müssen. So ist es bereits heute bei den  fossilen Reservekraftwerken der Fall. Weil die «X-to-Power»-Kraftwerke nur im Notfall laufen sollen, wäre, wie Bäumle findet, auch ein höherer Strompreis «problemlos zu verkraften». 

Nur: Die Power-to-X-Technologie ist gegenwärtig sehr teuer, zudem ist der Wirkungsgrad gering, jeder der Umwandlungsschritte ist mit Energieverlusten verbunden. Martin Bäumle verhehlt das nicht. Er zeigt sich aber überzeugt, dass die Technologie in den nächsten Jahren marktreif wird und die Kosten damit stark sinken werden. Auch werde es der Forschung gelingen, den Wirkungsgrad deutlich zu steigern und die Energieverluste stark zu mindern. Dass dies eine unsichere Wette auf die Zukunft sei, bestreitet Bäumle.