Analyse zum «Aktionsplan» Steigende Mieten, fehlende Wohnungen: Parmelin will prüfen statt handeln
Was tun gegen die Wohnungsnot? Der zuständige Bundesrat hat seinen «Aktionsplan» präsentiert. Ganz nach dem Motto «Mä müsst mal». Konkret gemacht wird wenig.
Jeder kennt den Moment an einer Sitzung, an dem allen klar ist: Wir müssen etwas unternehmen. Aber irgendwie fühlt sich niemand zuständig. Auf gut Schweizerdeutsch: «Mä müsst mal.» In Bern ist das bundesrätliche Mittel der Wahl in solchen Situationen meist ein runder Tisch. Das schafft Zeit. Wichtige Akteure kommen zusammen, diskutieren, Lösungen werden geprüft.
Die relevante Frage ist: Was erreicht man am Ende konkret? Dass in der Schweiz Wohnraum knapper wird und die Mieten weiter steigen werden: Darüber sind sich inzwischen fast alle einig. Vor einem Dreivierteljahr hat Wirtschaftsminister Guy Parmelin daher zum ersten runden Tisch zur Wohnungsknappheit eingeladen. Am Dienstag hat er nun einen «Aktionsplan» präsentiert. Kritiker – von links wie rechts – sprechen von einer «Beruhigungspille». Denn: Direkt gemacht wird wenig. Stattdessen sollen vor allem Massnahmen geprüft werden.
Klar: Das Problem ist komplex. Geht es um Raumplanung, sind primär Kantone und Gemeinden zuständig. Und: Es gibt gleichzeitig ein sozialpolitisches Problem (die hohen Mieten) wie auch ein wirtschaftspolitisches (das zu kleine Angebot). Der Mieterverband fordert, dass der Bund mehr bezahlen soll – etwa an den gemeinnützigen Wohnungsbau. Doch angesichts der aktuellen Budgetprobleme wirken zusätzliche Subventionen des Bundes ziemlich illusorisch (in Städten und Kantonen, die zum wiederholten Mal Überschüsse verzeichnen, ist die Ausgangslage hingegen eine andere).
Sind dem Bund also die Hände gebunden?
Einsprachen und Lärmschutz
Mitnichten. Denn neben steigenden Mieten sind auch fehlende Wohnungen ein Problem. Schweizweit stehen nur 1,15 Prozent der Wohnungen leer, in den Kantonen Zug und Genf, und vor allem in vielen Städten, ist die Zahl deutlich tiefer. Gleichzeitig dauert es laut einer UBS-Studie inzwischen 230 Tage, bis nur schon eine Baubewilligung erteilt wird – also 20 Prozent länger als noch 2015. Der Grund sind Einsprachen – die der Raiffeisen-Chef in einem Interview mit dieser Redaktion jüngst als «fünfte Landessprache» bezeichnete. Dagegen könnte der Bund vorgehen.
Etwa, indem Kostenrisiken bei Einsprachen – mindestens teilweise – überwälzt würden. Wie und ob der Bundesrat dies vorschlägt, soll das Bundesamt für Raumentwicklung jetzt erst mal abklären. Auch ein Gutachten wird bestellt. Hätte man das am runden Tisch nicht beschlossen, wäre der Auftrag wohl in Kürze aus dem Parlament gekommen, wo ein Vorstoss dazu hängig ist. Ein wesentlicher Fortschritt ist das also nicht.
Neben Einsprachen gibt es weitere Hindernisse für Neubauten. Dazu gehören Lärmschutzmassnahmen. Die Regeln sind noch immer strikt, obwohl Schallschutzfenster und Lüftungen die Belastung heute verringern würden. Im Aktionsplan ist zu diesem Thema nichts vorgesehen – wohl aber im Parlament. Der Ständerat hat bereits eine Lockerung der Lärmschutzbestimmungen beschlossen, der Nationalrat könnte in Kürze nachziehen.
Auch zum Thema verdichtetes Bauen wurde im Parlament schon letzten Sommer ein Vorstoss eingereicht. Er verlangte «griffige Massnahmen» auf Bundesebene, um sicherzustellen, dass höher und dichter gebaut werden kann. Der Bundesrat fand die Forderung «zu spezifisch» – und verwies auf den runden Tisch. Nun will man auch in diesem Bereich erst mal Massnahmen prüfen. Das sagt eigentlich schon alles. «Mä müsst» – irgendwann dann mal.
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