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AHV-Milliardenfehler
In fünf Wochen wissen wir, ob die Abstimmung zum Frauen­rentenalter wiederholt wird

Lisa Mazzone, Staenderaetin Gruene Schweiz, spricht an einer Medienkonferenz des Komitees fuer die Demokratie-Initiative: Fuer ein Grundrecht auf Einbuergerung, am Dienstag, 23. Mai 2023 in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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In Kürze:
  • Das Bundesgericht entscheidet am 12. Dezember über die Abstimmungsbeschwerden.
  • Die Stimmbevölkerung erhielt falsche Informationen wegen eines Rechnungsfehlers.
  • Es gibt eine öffentliche Urteilsberatung. Der Fall könnte unter den Richtern umstritten sein.
  • Entscheiden werden drei Richter und zwei Richterinnen.

Ab 2025 soll das Frauenrentenalter schrittweise ansteigen. Das hatte die Stimmbevölkerung 2022 beschlossen – mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,6 Prozent. Doch es ist ungewiss, ob die Reform in Kraft tritt. Im Sommer wurde bekannt, dass der Stimmbevölkerung beim Entscheid falsche Zahlen vorlagen. Der Bund hat sich bei den AHV-Prognosen verrechnet – um Milliarden.

Die Grünen und die SP-Frauen forderten umgehend, dass die Abstimmung wiederholt wird. Sie reichten eine Abstimmungsbeschwerde ein. Darüber entscheidet nun das Bundesgericht am 12. Dezember. Die Beschwerdeführerinnen wurden am Freitag darüber informiert. Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone sagt: «Wir sind erfreut, dass der Entscheid noch in diesem Jahr fällt – bevor das Rentenalter steigt.»

Öffentliche Beratung angesetzt

Die Grünen und die SP-Frauen haben noch einen anderen Grund zur Freude: Das Bundesgericht führt eine öffentliche Urteilsberatung durch, wie der Ankündigung zu entnehmen ist, die dieser Redaktion vorliegt. Das bedeutet, dass das Urteil umstritten sein könnte.

Für gewöhnlich findet das Verfahren auf dem schriftlichen Weg statt. Der Urteilsentwurf des zuständigen Richters oder der zuständigen Richterin wird den anderen Gerichtsmitgliedern unterbreitet. Stimmen alle zu, ist der Fall im Sinne des Entwurfs entschieden. Andernfalls kommt es zu einer öffentlichen Urteilsberatung. Dabei präsentieren die fünf Richter mündlich ihre unterschiedlichen Auffassungen, bevor sie abstimmen.

Mindestens ein Richter könnte also der Auffassung sein, dass die Abstimmung zur Erhöhung des Frauenrentenalters wiederholt werden muss. Eine öffentliche Beratung kann allerdings in Ausnahmefällen auch auf Begehren eines Mitglieds oder auf Anordnung des Präsidenten angesetzt werden – selbst dann, wenn das Urteil nicht umstritten ist.

Zwei Frauen entscheiden mit

Mazzone sieht die öffentliche Beratung so oder so als Vorteil. Und noch etwas freut sie: Über die Frage werden nicht ausschliesslich Männer entscheiden. Eigentlich würde das Richtergremium aus fünf Männern bestehen. Nun sind es aber drei Männer und zwei Frauen.

Das Bundesgericht schreibt auf Anfrage, gemäss Reglement habe das Präsidium zu berücksichtigen, dass in Fällen, «in denen es die Natur der Streitsache als angezeigt erscheinen lässt», Mitglieder beiderlei Geschlechts mitwirkten. Aus diesem Grund würden die beiden nebenamtlichen Bundesrichterinnen Marie-Claire Pont Veuthey und Tanja Petrik-Haltiner bei den fraglichen Verfahren in den Spruchkörper aufgenommen.

Andere Ausgangslage für Abstimmung

Die Grünen und die SP-Frauen vertreten die Auffassung, dass die politischen Rechte verletzt wurden. Es gehe um die Verteidigung der Demokratie, sagten Lisa Mazzone und SP-Nationalrätin Tamara Funiciello im Sommer.

Die zu pessimistischen Finanzperspektiven hätten im Abstimmungskampf zur Erhöhung des Frauenrentenalters eine grosse Rolle gespielt. Der Rechnungsfehler sei so gravierend, dass die Ausgangslage eine ganz andere wäre, wenn jetzt über das höhere Frauenrentenalter abgestimmt würde. Die Bevölkerung müsse in Kenntnis der Fakten entscheiden können. 

Die SP-Frauen rechneten in ihrer Beschwerde vor, dass die umstrittene AHV-Reform über einen Zeitraum von zehn Jahren zu Einsparungen von rund 5 Milliarden Franken führt. Der Rechnungsfehler des Bundes mache in diesem Zeitraum mehr als doppelt so viel aus. Laut den Behörden hat die AHV allerdings trotz der Korrektur weiterhin ein Finanzierungsproblem. Die prognostizierten Defizite fallen bloss geringer aus. 

Und was ist mit der Mehrwertsteuer?

Umstritten ist auch, ob nur die Abstimmung über das Frauenrentenalter wiederholt werden müsste oder auch jene über die Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV. Die beiden Vorlagen waren verknüpft. Müsste das Stimmvolk auch über die Mehrwertsteuer erneut entscheiden, würde es kompliziert, denn dieser Teil der Reform ist bereits in Kraft.

Bleibt die Erhöhung der Mehrwertsteuer bestehen, muss das Rentenalter von Männern und Frauen trotz Aufhebung der Abstimmung zum Frauenrentenalter angeglichen werden: Im Verfassungsartikel steht, die Mehrwertsteuer werde erhöht, sofern das Rentenalter von Frauen und Männern gesetzlich vereinheitlicht werde.

Die Grünen und die SP-Frauen sagen, der Bundesrat könnte dem Parlament einen neuen Vorschlag unterbreiten. Dieser müsste aber nicht zwingend eine Erhöhung des Frauenrentenalters beinhalten. Es wäre auch möglich, das Rentenalter der Männer auf 64 zu senken oder in der Verfassung die Verknüpfung der Mehrwertsteuer mit dem Rentenalter aufzuheben.

Wie das Bundesgericht die Frage beurteilt, wird sich am 12. Dezember zeigen.