US-Bank übernimmt AHV-FondsWas, wenn die USA sich entscheiden, Schweizer Volksvermögen einzufrieren?
Der AHV-Geldtopf ist von der UBS zu einer US-Depotbank gewechselt. Ein Experte sagt: Im Falle von Sanktionen müsste die Bank das Geld zurückhalten. Es geht um 40 Milliarden Franken der Rentenvorsorge.
Die Ausgleichsfonds für AHV, IV und Erwerbsersatzordnung (EO) sind zur US-Depotbank State Street gewechselt. Politiker kritisieren diese Entscheidung des Verwalters Compenswiss. SVP-Nationalrat Thomas Matter fragt in einer Interpellation den Bundesrat, ob es wegen der Sicherheit des Volksvermögens nicht sinnvoller sei, eine Schweizer Depotbank zu wählen. Das sagen Experten.
Um was und wie viel Geld geht es bei den Ausgleichsfonds?
Die AHV ist anders als die Pensionskasse über ein Umlagesystem finanziert. Das bedeutet, die Renten der Pensionäre werden aus den aktuellen Beiträgen der arbeitenden Bevölkerung gezahlt. Es ist jedoch vorgeschrieben, dass in einem Ausgleichsfonds mindestens 100 Prozent der für ein Jahr berechneten Ausgaben verfügbar sind.
Momentan verwaltet Compenswiss nach eigenen Angaben Vermögen in Höhe von rund 40 Milliarden Franken. Für 2030 werden über 67 Milliarden erwartet. Compenswiss hat die Aufgabe, genügend Liquidität für die Auszahlung von AHV-, IV- und EO-Renten bereitzuhalten.
Welche Rolle spielt die Depotbank?
Wie das Geld der Ausgleichsfonds angelegt wird, entscheidet allein Compenswiss. Als Vermögensverwalterin bestimmt sie, in welche Aktien, Anleihen oder andere Wertanlagen es investiert ist.
Die Depotbank überwacht die korrekte Abwicklung des Anlagengeschäfts. Wobei Aktien oder andere Zertifikate nicht physisch bei ihr lagern müssen, sondern elektronisch verbucht werden. Auch die Verbuchung von Dividenden und die Berechnung des aktuellen Vermögenswertes gehören zu ihren zentralen Aufgaben.
«Dabei gibt es zwischen verschiedenen Banken technologische Unterschiede», erläutert Andreas Dietrich. Der Bankingprofessor an der Hochschule Luzern weist darauf hin, dass einige Banken etwa den Anlagenwert in Echtzeit übermitteln, andere dagegen nur am Tagesende. Zudem seien einige automatisierter, was Fehlerquellen minimiere.
Haben die USA Zugriff auf die Schweizer Ausgleichsfonds?
Ja, die USA könnten über State Street Zugriff im Extremfall auf die Ausgleichsfonds für AHV, IV und EO haben. Denn State Street verwahrt die Finanzinstrumente der Ausgleichsfonds. «Will man diese aus dem Depot abziehen, muss man State Street mit dem Transfer auf ein Depot bei einer anderen Depotbank beauftragen», sagt Bankrechtsprofessor Rolf Sethe von der Universität Zürich. Das heisst: Ohne Mitwirkung von State Street als Depotbank kann die AHV die Vermögenswerte also nicht abziehen. «Dies gilt unabhängig von der Frage, wo die Finanzinstrumente physisch gelagert werden.»
State Street als US-Bank untersteht dem US-Recht. «Die Bank wäre im Fall der Verhängung von Sanktionen seitens der US-Regierung gegen die Schweiz gezwungen, diese zu befolgen», so Sethe weiter. Da die USA ihr Recht regelmässig auch exterritorial durchsetzen, würden sie voraussichtlich die Bank anweisen, die Sanktionen auch über ihre europäischen Tochtergesellschaften durchzusetzen. Compenswiss hat das Mandat bei State Street in München.
«Dass die USA Sanktionen exterritorial durchsetzen, zeigt das Beispiel der jüngsten Sanktionen gegen Russland, als man russische Vermögenswerte eingefroren hat», sagt Sethe. Er weist jedoch darauf hin, dass dies wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine und damit aus gravierendem Grund geschah. «Es ist in der derzeitigen politischen Lage schwer vorstellbar, dass die USA gegen die Schweiz zum Beispiel wegen eines neuerlichen Steuerstreits mit Sanktionen vorgehen könnten.»
Was sagt Compenswiss?
Auf eine Anfrage hat die öffentlich-rechtliche Organisation Compenswiss bislang nicht reagiert. Auf ihrem Faktenblatt heisst es: «Der Wechsel der Depotbank hat nicht zu neuen Transfers von Vermögenswerten der Ausgleichsfonds in die USA geführt.» Ein Teil der Anlagen befinde sich schon seit 20 Jahren dort wie auch in anderen ausländischen Staaten. US-Vermögenswerte verbleiben in den USA, schweizerische Vermögenswerte in der Schweiz oder japanische in Japan.
Es kommt jedoch nicht auf die physische Lagerung der Vermögenswerte an, sondern auf ihre Verbuchung durch die Depotbank. «Wenn die Compenswiss Vermögenswerte abziehen will, ist sie auf State Street angewiesen», betont Sethe. Dies wäre nur anders, wenn Compenswiss sich vertraglich das Recht vorbehalten hätte, direkt auch die Unterdepotbanken anweisen zu können.
Compenswiss hat in fast jedem Land, in dem sie ihre Vermögenswerte hinterlegt hat, eine Unterdepotbank. Welche Vereinbarung sie hierbei getroffen hat, ist unklar.
Fehler gefunden?Jetzt melden.