Analyse zu Bella Hadid und AdidasEs gibt nur eine Erklärung, wie das passieren konnte
Der deutsche Sportkonzern hat bei der jüngsten Kampagne dilettantisch gehandelt, indem er die Politik ausblendete. Model Bella Hadid leitet nun rechtliche Schritte ein.
Es bleibt nur noch eine mögliche Erklärung, jetzt, wo sich der Rauch langsam verzieht: Adidas hatte bei der Planung der jüngsten Kampagne schlicht nicht auf dem Schirm, dass die Verpflichtung von Model Bella Hadid problematisch ist.
Die Firma hatte das US-amerikanische, dezidiert israelkritische Model gebucht, um einen neuen Schuh zu bewerben. Das Retro-Modell baut auf ein Design, das zu den Olympischen Spielen von 1972 in München eingeführt wurde. Dort kam es, so viel Geschichtsbewusstsein muss sein, zu einem Anschlag einer propalästinensischen Terrorgruppe, 17 Menschen starben.
Für die Ignoranz seitens Adidas spricht vor allem etwas: Hadid klagt nun gegen den deutschen Sportkonzern. Denn das Model wurde nach dem gewaltigen Empörungssturm aus der Kampagne gekickt. Man werde den weiteren Verlauf der Aktion neu aufziehen, liess Adidas verlauten, ohne Bella Hadid.
Hadid ist eine der wichtigsten Mode-Influencerinnen
Doch die 27-Jährige – notabene eines der einflussreichsten Models der Gegenwart – hat immer noch einen gültigen Vertrag, wie gut unterrichtete US-Medien berichten. Hadid und ihr Team geben den Verantwortlichen bei Adidas die Schuld am PR-Schlamassel und werfen ihnen mangelnde Sorgfalt vor.
Adidas arbeitet schon länger mit Bella Hadid zusammen. Sie ist mit über 60 Millionen Followerinnen und Followern auf Instagram und noch mal 9 Millionen auf Tiktok eine der grössten Mode-Influencerinnen für junge Generationen. Sie hat ihren Teil dazu beigetragen, dass Retro-Modelle von Adidas wie Samba oder Gazelle enorm nachgefragt sind. Dass sie zur Lancierung der Neuauflage eines weiteren Retro-Schuhs eine gute Wahl wäre, ist noch nachvollziehbar.
Nicht der erste Shitstorm für Adidas
Was die Marketingabteilung bei Adidas aber auf dilettantische Art ausgeblendet hat, ist die politische Ebene. Denn dass Hadid sich für einen freien Staat Palästina ausspricht, ist unübersehbar.
Deutlich tut sie ihre Meinung auf sozialen Medien und bei Demonstrationen kund, auch ihre Schwester Gigi exponierte sich so sehr, dass Israel sogar von offizieller Seite reagierte. Dass ein Schuh, der an die Olympischen Spiele von 1972 erinnern soll, auch mit dem Terrorangriff verknüpft werden würde, hat Adidas übersehen. Und damit die Tatsache, dass alles politisch ist. Darüber müsste man sich auch in der Modebranche im Klaren sein.
In einem Statement schreibt Adidas, eine Verbindung zu den historischen Ereignissen sei «nicht beabsichtigt» gewesen.
Nun gilt es aufzuräumen, bevor es allenfalls vor Gericht weitergeht. Ein kostspieliger Rechtsstreit kann nicht im Sinn von Adidas sein – und um viel Geld wird es bei einer weltweiten Werbeaktion und angesichts von Hadids Marktwert als Model gehen. Erst recht nicht, nachdem vor nicht allzu langer Zeit schon die Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Rapper Kanye West eingestampft werden musste und zu empfindlichen Umsatzeinbussen führte. West hatte sich mit antisemitischen Äusserungen unmöglich gemacht.
Auf Instagram entschuldigt sich die Firma bei Bella Hadid und den weiteren prominenten Gesichtern, die bei der Kampagne eingespannt sind. Das zeigt: die Angelegenheit ist grösser geworden, als den Verantwortlichen lieb sein kann. Auf die reine Provokation, auf den kalkulierten Shitstorm kann es Adidas kaum angelegt haben.
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