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Grossrazzia legt Stadt lahm
Wegen Kunstraub: 1600 Polizisten durchkämmen Berlin

Grosseinsatz in Berlin: Rund 1640 Polizeibeamte aus acht deutschen Bundesländern haben 18 Objekte durchsucht. (17. November 2020)
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Vor einem Jahr hat ein spektakulärer Kunstdiebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden für Aufsehen gesorgt. Unbekannte haben Kunstschätze in kaum messbarem Wert gestohlen. Jetzt sind die Ermittler offenbar einen grossen Schritt weitergekommen. Am Dienstagmorgen hat die Polizei in Berlin drei Tatverdächtige festgenommen. Sie sollen noch im Laufe des Tages dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, teilte die Staatsanwaltschaft Dresden mit. Den Beschuldigten würden schwerer Bandendiebstahl und Brandstiftung in zwei Fällen vorgeworfen. Nach zwei weiteren 21-jährigen Verdächtigen wird noch gesucht. Auch ihnen wird schwerer Bandendiebstahl und Brandstiftung vorgeworfen.

Suche nach entwendeten Juwelen

Nach übereinstimmenden Medienberichten sollen die festgenommenen Tatverdächtigen Mitglieder der deutsch-arabischen Clanfamilie R. sein. Die Familie ist in Berlin stadtbekannt – ein grosser Teil der Ermittlungsverfahren im Bereich der Clan-Kriminalität richtet sich gegen sie. Der Name der Familie tauchte in den vergangenen Jahren immer wieder in Zusammenhang mit spektakulären Straftaten auf. Beim Einbruch in eine Sparkasse in Berlin-Marienfelde 2014 etwa, bei dem 300 Schliessfächer aufgebrochen und zehn Millionen Euro erbeutet wurden, anschliessend wurde die Sparkasse gesprengt. Im März 2017 brachen drei junge Männer durch ein Fenster ins Bode-Museum ein und entwendeten eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze im Wert von fast vier Millionen Euro. Zwei von ihnen sowie ein Wachmann aus dem Museum, der mit der Familie befreundet ist, wurden für den Diebstahl im Februar zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Münze ist bis heute verschwunden.

Bislang gab es drei Festnahmen. Drei Männer im Alter von 23 und 26 Jahren sollen noch gleichentags in Dresden dem Haftrichter vorgeführt werden. (17. November 2020)

Ein weiteres Geschäftsfeld von Teilen der Familie sind Immobilien. 2018 wurden 77 Immobilien beschlagnahmt, die Ermittler vermuten, dass sie mit Erlösen aus kriminellen Aktivitäten gekauft wurden. Immer wieder werden Familienmitglieder zudem mit blutigen Revierkämpfen in Verbindung gebracht, zuletzt stand ein Mann wegen Mordes vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, einen Konkurrenten aus einer anderen Familie mit einem Baseballschläger überfallen und getötet zu haben, er wurde wegen Mangels an Beweisen jedoch freigesprochen.

Berlins Innensenator Andreas Geisel sieht in den Festnahmen auch ein Warnzeichen an die Clan-Szene in der Hauptstadt. «Niemand sollte glauben, er könne sich über diesen Staat und seine Regeln hinwegsetzen», sagte er. «Der Rechtsstaat ist das Mass der Dinge. Er allein setzt die Ordnung durch. Er tut das entschlossener und klüger als manch Krimineller glaubt.» Die Berliner Polizei habe die Dresdner Kollegen früh mit ihrer Expertise bei den Ermittlungen unterstützt. Auch habe sie sich mit Spezialeinsatzkräften an den Razzien beteiligt. «Wir sind froh, dass bei der Aufklärung eines Kunstraubs ein grosser Erfolg geglückt ist», sagte er.

Seit dem frühen Morgen durchsucht die Polizei in Berlin 18 Objekte, darunter zehn Wohnungen sowie Garagen und Fahrzeuge. Laut Behörden sind dabei knapp 1640 Polizeibeamte im Einsatz. Im Zentrum der Massnahmen stünden die Suche nach den gestohlenen Kunstschätzen und möglichen Beweismitteln, etwa Speichermedien, Bekleidungsstücke und Werkzeuge.

Der Schwerpunkt der Durchsuchungen vom Dienstagmorgen sei im Berliner Stadtteil Neukölln. Aufgrund des Polizeieinsatzes ist demnach den ganzen Tag mit erheblichen Verkehrseinschränkungen im gesamten Stadtgebiet von Berlin zu rechnen. Neben Einsatzkräften aus Sachsen seien auch Spezialeinsatzkräfte des Bundes und der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an den Massnahmen beteiligt.

Wegen des Einsatzes ist über den ganzen Tag hinweg mit erheblichen Verkehrseinschränkungen im gesamten Stadtgebiet zu rechnen. (17. November 2020)

Unbekannte waren am Morgen des 25. Novembers 2019 über eines der vergitterten Fenster in das berühmte Museum im Dresdner Residenzschloss eingedrungen. Im Juwelenzimmer schlugen sie mit einer Axt die Vitrine mit den kostbarsten Schmuckstücken ein, sie erbeuteten historische Diamanten und Brillanten von unschätzbarem Wert. Der Einbruch dauerte nur wenige Minuten.

Bislang fehlte sowohl von den Dieben als auch der Beute jede Spur. Die Ermittler gingen von mindestens sieben Tätern aus, die den Einbruch lange vorbereitet haben. Unter anderem war das gestohlene Fluchtfahrzeug, das später in einer Tiefgarage im Dresdner Nordwesten in Brand gesetzt wurde, möglicherweise umlackiert oder umfoliert worden.

Trotz der Festnahmen haben die Ermittler wenig Hoffnung, dass die gestohlenen Objekte wieder nach Dresden zurückkehren. «Da müsste man sehr viel Glück haben, dass man die ein Jahr nach der Tat noch finden würde», sagte ein Sprecher der Dresdner Polizei. «Die Hoffnung stirbt zuletzt», fügte er hinzu. Der eigentliche Erfolg sei die Festnahme der Verdächtigen.

Einer der spektakulärsten Einbrüche der vergangenen Jahrzehnte: Im November 2019 wurden in Dresden aus der Schatzkammer Grünes Gewölbe Kunstschätze von kaum messbarem Wert gestohlen. (17. November 2020)