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Klimaziele für die Finanzbranche
Zwischen Banken und Umweltschützern herrscht Eiszeit

Klimaaktivisten von Greenpeace blockieren einen Eingang der Credit Suisse. Bei Gesprächen zu Klimazielen hat die Finanzbranche die Umweltorganisationen weitgehend ausgeschlossen.
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Geht es um die Vereinbarung von Klimazielen zur Reduktion von Treibhausgasen, herrscht dicke Luft zwischen Umweltorganisationen und der Finanzbranche. Die Zusammenarbeit in einer vom Bund eingesetzten Arbeitsgruppe ist derart zerrüttet, dass eine gemeinsame Lösung in weite Ferne gerückt ist.

Der Bundesrat hat die Bedeutung des Finanzsektors im Zusammenhang mit dem Klimawandel längst erkannt. Denn je nachdem wie Banken Geld investieren, können sie bei Unternehmen erhebliche Anreize für nachhaltigere Geschäfte setzen.

Auftrag des Bundesrats

Vor einem Jahr strebte deshalb der Bundesrat gemäss einer Medienmitteilung für den Finanzsektor freiwillige Branchenvereinbarungen an, in denen zur Erreichung der Klimaziele Kriterien definiert werden. Zudem legte er dem Finanzsektor nahe, den internationalen «Netto-Null-Allianzen» beizutreten – dabei geht es darum, den Ausstoss von Treibhausgasen bis ins Jahr 2050 so weit zu reduzieren, dass die Temperaturen gewisse Grenzen nicht übersteigen. Der Einfluss der Banken liegt auf der Hand: Mit ihren Investitionen und Finanzierungen können sie Anreize setzen, die in der Wirtschaft zu einem Umdenken führen. 

Als Folge davon hat das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) eine Arbeitsgruppe gebildet, in der neben der Schweizerischen Bankiervereinigung, dem Schweizerischen Versicherungsverband und weiteren Organisationen der Finanzbranche als Umweltorganisationen auch Greenpeace und WWF vertreten sind. 

Doch offensichtlich liegen die Vorstellungen zwischen den Umweltorganisationen und der Finanzbranche derart weit auseinander, dass eine gemeinsame Lösung nicht mehr möglich ist. Schon aus einem Schreiben vom Mai dieses Jahres von der WWF- und Greenpeace-Geschäftsleitung an die Mitglieder der Arbeitsgruppe geht deutlich hervor, dass es kriselt.

Den Umweltorganisationen wurde kurz zuvor mitgeteilt, dass die Finanzbranche die vom Bundesrat angestrebten Branchenvereinbarungen ablehnt. «Wir sind erstaunt über diese Kehrtwende in einem laufenden Prozess, die notabene ohne Rücksprache mit der Arbeitsgruppe erfolgt ist», schrieben Greenpeace und WWF an die Mitglieder der Arbeitsgruppe. Zudem bedauerten sie, dass die Branchenvereinbarungen «ausser Reichweite gerückt» sind. Angesichts des Anspruchs der Landesregierung, den Finanzplatz als führenden Standort für nachhaltige Finanzen zu positionieren, sei dies unverständlich. 

«Eine Branchenvereinbarung hätte den Vorteil, dass sie auch Instrumente zur unabhängigen Überprüfung der Fortschritte vorsieht.»

Peter Haberstich, Greenpeace

Eine Branchenvereinbarung zur Reduktion von Treibhausgasen gibt es zum Beispiel für Kehrichtverbrennungsanlagen. «Eine solche Vereinbarung hätte den Vorteil, dass sie neben konkreten Klimazielen auch Massnahmen und Instrumente zur unabhängigen Überprüfung der Fortschritte vorsieht», sagt Peter Haberstich von Greenpeace. Damit wären allerdings für einige Finanzinstitute einschneidende Schritte verknüpft. Das dürfte der Grund dafür sein, dass es laut Haberstich «mit einer raschen Umsetzung verbindlicher Selbstverpflichtungen harzt».

Die Bankiervereinigung, welche laut Haberstich für die Finanzbranche den Lead übernommen hat, will dazu keine Stellung beziehen. Aus dem Umfeld der Finanzbranche ist aber zu hören, dass Banken weder die Aufgabe von «Klimapolizisten» noch einen direkten Einfluss auf eine CO₂-Reduktion der Wirtschaft ausüben könnten. Das sei eine Aufgabe der Politik und nicht der Banken, heisst es.

Auch das SIF will den aktuellen Stand der Verhandlungen in der Arbeitsgruppe nicht kommentieren. Dass die vom Bundesrat ursprünglich angestrebte Branchenvereinbarung aber vom Tisch ist, wird nicht bestritten. Stephan Kellenberger vom WWF hält das für eine verpasste Chance: «Der schweizerische Finanzplatz könnte so mit einer hohen Transparenz international Boden gutmachen.»  

Stattdessen haben die Interessenverbände der Finanzbranche Ende August einen von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC erstellten Report veröffentlicht. Dieser gibt Auskunft darüber, wie viele Institute sich den Zielvereinbarungen von internationalen Netto-null-Allianzen angeschlossen haben. Der Nachteil: Wo die einzelnen Institute stehen, ist aus diesem Report nicht ersichtlich. Auch nicht, welche Anteile der verwalteten Vermögen für die Erreichung von Zwischenzielen eingesetzt werden. Die Zwischenziele sind wichtig. Denn werden diese nicht erreicht, wird es am Ende schwierig, die Vorgaben bis 2050 zu erfüllen.

Für jedes Institut Transparenz schaffen

Neben den Umweltorganisationen erwartet auch der Bund, dass neben dieser Information auf Branchenebene auch noch Transparenz auf Institutsebene geschaffen wird. Peter Haberstich von Greenpeace befürchtet, dass die Banken für eine solche Lösung gar nicht Hand bieten wollen. Diese ist nach seiner Einschätzung aber zwingend nötig: «Ohne allgemeingültige und aussagekräftige Regeln, die alle Institute umsetzen müssen, bleibt unklar, wo Nachholbedarf besteht», sagt er. 

Der vorliegende PWC-Report lasse viel zu viele Fragen offen. «Es werden keine Zwischenziele definiert, und es bleibt sogar unklar, wie viel Kapital den Klimazielen untersteht», erläutert Haberstich. So könne eine Bank zum Beispiel für sich festlegen, dass die Klimaziele vorläufig nur auf einen kleinen Teil ihrer Vermögenswerte angewendet werden müssten.  

Ein Mädchen, das beim Klimamarsch am Anfang September 2022 in Lausanne vor der Grossbank UBS demonstriert hat.

Obwohl die Umweltorganisationen ihre Mitwirkung ausdrücklich angeboten hatten, wurden sie bei diesem Report nicht berücksichtigt. «Wir erfuhren erst bei der Publikation davon», erklärt Haberstich. Ob die Arbeitsgruppe überhaupt noch fortgeführt wird, weiss er nicht: «Wir haben nichts mehr gehört.» 

Die Finanzbranche scheint anstelle einer gemeinsamen Lösung in der Arbeitsgruppe die Zielsetzungsprotokolle zu bevorzugen, welche die internationalen Allianzen definieren und zu der sich erste Schweizer Banken bekennen. Dafür gibt es die vor einem Jahr gegründete Glasgow Financial Alliance for Net Zero (Gfanz). 

«Grossen Worten» Taten folgen lassen

Diese Ziele sind auch an der UN-Klimakonferenz ein Thema, die Anfang Woche im ägyptischen Sharm al-Sheik begonnen hat. Doch auch dort hapert es bei der Umsetzung, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Appell der Global Alliance for Banking on Values hervorgeht. Der Finanzsektor soll seinen «grossen Worten» endlich Taten folgen lassen, teilte das gemäss eigenen Angaben führende internationale Netzwerk für nachhaltige Bankgeschäfte mit. Denn die Klimakrise lege an Tempo zu, und «die Banken spielen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels».