Kolumne «Dorfgeflüster»Zwei Dummerchen bauen ein Nest
Am Wädenswiler Schiffsteg versuchen zwei Taucherli erfolglos, ein Nest zu errichten. Passanten fragen sich: Warum bauen sie ihr Familienglück nicht auf besserem Grund?
Stellen Sie sich vor, Sie bauen ein Haus. Und jedes Mal, wenn es halb fertig ist, kommt eine Flutwelle und reisst alles mit. Und was lernen Sie daraus? Nichts. Sie beginnen unbeeindruckt von vorne mit dem Hausbau, bis die nächste Flutwelle kommt – immer und immer wieder.
Man könnte vermuten, dass ein solches kurzsichtiges Verhalten eine typische menschliche Eigenart ist – stimmt aber nicht. Zwar bauen wir unbelehrbar immer wieder in Erdbeben-, Bergsturz- und Überschwemmungsgebieten, doch einige Tiere stehen uns hier in nichts nach.
Wer sich davon überzeugen will, kann sich an den Schiffsteg von Wädenswil begeben und dort folgende Beobachtung machen: Zwei Taucherli versuchen dort schon tage-, ja wochenlang, ein Nest auf dem Sockel des Anlegemasts zu bauen. Die Stelle befindet sich einige Zentimeter über der Wasseroberfläche. Jedes Mal, wenn eine grosse Welle kommt, häufig durch ein anlegendes Kursschiff verursacht, wird die ganze Baustelle weggespült.
Regelmässige Schiffspassagiere beobachten und kommentieren die Sisyphusarbeit der beiden Blesshühner – so ihr offizieller Name – inzwischen genau. «Nicht schon wieder!», ist etwa zu hören, wenn eine Welle über das Geäst auf dem Beton schwappt.
Die beiden Taucherli sind auf dem Schiff zum Running Gag geworden. Eine Passagierin hat das fruchtlose Treiben der Wasservögel sogar schon in früheren Jahren beobachtet. Ob es dieselben sind? Weshalb kehren sie immer wieder an diesen aussichtslosen Ort zurück? Gibt es zu wenig geeignete Brutplätze, weil das Schilf am Zürichsee rar ist? Aber weshalb sollten die beiden Vögel ausgerechnet hier Erfolg haben? «So klappt das doch nie, du Dummerchen», sagt eine Beobachterin kopfschüttelnd in Richtung des einen Taucherli.
Oder vielleicht doch? Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es für die zwei Tötschli-Taucherli. Vor einigen Jahren schaffte es nämlich ein Blesshuhn-Paar, mitten in der Erlenbacher Holzbadi Wyden ein Nest zu errichten. Die Eier brütete es dann auf der Treppe zum See aus. Die Badegäste mussten einen Umweg auf sich nehmen und konnten eine Dusche nicht mehr benutzen, weil ihnen das Nest den Weg dorthin versperrte.
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