Alexander Albon bewegt die Formel 1Düstere Vergangenheit, plötzlicher Atemstillstand – doch er lächelt alles weg
Gerade erst wurde er notoperiert, nun startet der Thailänder zum GP in Singapur. Überhaupt hat er eine bewegte Geschichte – wegen seiner Mutter.
![Die Mutter kam ins Gefängnis, da war Alexander Albon 15: Doch er kämpfte sich in die Formel 1 – mit einem Lächeln.](https://cdn.unitycms.io/images/AsslLZ0lq-cBPAkU6aY5WR.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=Y9CG-d_DFw4)
Während in Monza die Motoren dröhnen, geht es in Mailand um das Leben eines jungen Rennfahrers.
Es ist Samstagmorgen Mitte September, das Qualifying zum Grossen Preis von Italien 2022 steht an. Alexander Albon fühlt sich unwohl. Statt in seinen Williams zu steigen, sucht der 26-Jährige die Ärzte im Fahrerlager auf. Sie stellen eine akute Blinddarmentzündung fest, Albon wird ins Mailänder Spital gebracht, eine Notoperation ist unumgänglich. Der Thai-Brite schreibt via Twitter: «Negatives: Verpasse ein Wochenende, das gut hätte werden können für uns. Schmerzen. Positives: Gewichtsreduktion für das Rennen in Singapur. Coole Narben.» Dann wird Albon in Narkose versetzt.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Und es kommt zu Komplikationen, Albon erleidet einen Atemstillstand, die Ärzte müssen ihn zwangsbeatmen – sie bringen ihn auf die Intensivstation. Über Nacht muss er dort bleiben, ehe die Entwarnung kommt: Er hat sich erholt, muss nicht weiter beatmet werden. Am Dienstag wird er aus dem Spital entlassen.
Der höfliche und meist fröhliche junge Mann bedankt sich per Videobotschaft bei den Ärzten, «die einen unglaublichen Job gemacht haben. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie dafür gesorgt haben, dass ich wieder gesund bin.» Er laufe daheim in Monaco schon wieder herum und plane, in Singapur Anfang Oktober dabei zu sein – «auch wenn es schwierig wird, weil es eines der härtesten Rennen überhaupt ist». Am Sonntag ist es so weit – und Albon tatsächlich wieder dabei. Es ist eine emotionale Rückkehr für den Piloten, der im Fahrerfeld so beliebt ist.
Vor Nyck de Vries braucht er sich nicht zu fürchten
Lediglich ein Rennen hat er also auslassen und Nyck de Vries Platz machen müssen, der in Monza mit einem starken Auftritt und Rang 9 verblüffte. Doch auch wenn der Niederländer eine Premiere erlebte, die so manchen schwärmen liess in der Szene, braucht sich Albon keine Sorgen zu machen, seinen Sitz an de Vries zu verlieren. Schon vor zwei Monaten hat er bei Williams einen Vertrag für 2023 unterschrieben – ganz im Gegensatz zu Noch-Teamkollege Nicholas Latifi, der trotz vieler Millionen Mitgift kaum weiterbeschäftigt wird.
Albon ist Stammfahrer in der Formel 1, mehr noch: Er ist charismatischer Teamleader. Fast schon macht er vergessen, dass im Vorjahr ein ebenfalls aussergewöhnlicher junger Rennfahrer hinter dem Steuer sass bei den Briten, George Russell, der in dieser Saison die Mitarbeiter von Mercedes verzückt mit seinen oft brillanten und erstaunlich reifen Auftritten. Dave Robson, Chefingenieur bei Williams, sagt: «Alex hat ein unglaublich grosses Talent. Nicht nur fahrerisch, sondern auch im Umgang mit dem Team. Er sorgt dafür, dass wir jeden Sonntag das Beste herausholen. Er hat eine grosse Zukunft vor sich.»
Es gab Zeiten, da konnte dieser Alexander Albon Ansusinha von solchen Voten nur träumen. Als er 2012 in der Formel Renault 2.0 fährt, enttäuscht er seine Förderer masslos. Kein Punkt, Gesamtrang 38. Das sind nicht Resultate, die einen Helmut Marko zufriedenstellen würden. Der nicht gerade für seine Geduld bekannte Motorsportberater von Red Bull wirft den 16-Jährigen kurzerhand aus dem Förderprogramm der Österreicher, dem Albon vier Jahre lang angehört hat. Zwar kommt er im Juniorenprogramm von Lotus unter, eine Formel-1-Karriere erscheint in seiner Karriereplanung aber nicht einmal mehr am fernen Horizont.
Red Bull holt ihn doch wieder zurück
Über verschiedene Rennserien kämpft sich Albon aber in die Formel 2, die Vorstufe der Königsklasse. Und der 3. Platz 2018 hinter den heutigen Mercedes- und McLaren-Piloten Russell und Lando Norris reicht, um Red Bull dazu zu bewegen, es doch noch einmal mit ihm zu versuchen. Der Rennstall platziert den verlorenen Sohn für 2019 beim Schwesterteam Toro Rosso. Und dieser sagt: «Es gab in meiner Karriere einige Höhen und Tiefen. Als ich aus dem Nachwuchsprogramm flog, wusste ich, dass mein Weg schwieriger werden würde. Ich habe hart gearbeitet und versucht, jedes Mal zu beeindrucken, wenn ich ins Auto durfte. Dass sich mein grosser Traum nun erfüllt hat, ist einfach nur unglaublich.»
«Es war das härteste Jahr, das ich in meinem Leben hatte.»
Es kommt dann noch besser. 12 Rennen und 7 Punkte reichen Albon für die Krönung: den Aufstieg mitten in der Saison zum grossen Red Bull – als Teamkollege von Max Verstappen und im Tausch mit dem Franzosen Pierre Gasly. Albon macht dann seine Sache so gut, dass er 2020 sämtliche Rennen für das Hauptteam des Energydrink-Herstellers bestreiten darf. Ehe er 2021 durch Sergio Pérez ersetzt und zum Testfahrer wird – und später also bei Williams unterkommt. Zwar sind die Ansprüche hier andere, ist ein Top-10-Platz fast schon ein Ereignis. Doch dass er überhaupt in der Formel 1 fahren kann, ist nicht nur wegen seiner durchzogenen sportlichen Vergangenheit ein Erfolg, sondern auch wegen seiner privaten.
Der 7,5-Millionen-Betrug
Albon wächst mit seinem Vater Nigel Albon, einem einstigen Rennfahrer, seiner thailändischen Mutter Kankamol, für deren Heimatland er im Rennsport antritt, seinen drei Schwestern und seinem Bruder nahe London auf. Es ist eine sorglose Kindheit mit schönem Haus und Privatschule. Bis Kankamol Albon 2012 verhaftet wird. Alexander ist da 15 und mitten im Aufstieg zu einem internationalen Motorsporttalent. «Es war das härteste Jahr, das ich in meinem Leben hatte», sagt er später.
Seine Mutter sitzt wegen Betrugs im Gefängnis. Sie hat Investoren Luxusautos von Ferrari, Bentley oder Rolls-Royce zu einem günstigen Preis angeboten und versprochen, diese dann mit hoher Rendite weiterzuverkaufen. Doch die meisten Geldgeber sehen nie ein Auto, andere Wagen werden doppelt verkauft. 7,5 Millionen Pfund hat Kankamol Albon auf diesem Weg ergaunert. Sie wird zu sechs Jahren Haft verurteilt, immerhin kommt sie schon 2015 wieder frei.
In der Netflix-Serie «Drive to Survive», die die Formel 1 und ihre Protagonisten noch bekannter macht, kommt sie zu Wort. Sie sagt, sie habe für ihre Verbrechen bezahlt, und: «Alex hat mir vergeben.» Die düstere Vergangenheit ist für Albon an diesem Wochenende in Singapur weit weg – sowohl die ältere als auch die jüngere.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.