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George Russell vor Formel-1-GP in Silverstone
Mister Perfect an der Grenze zur Überheblichkeit

Fokussiert, zielstrebig, selbstbewusst: George Russell beweist bei Mercedes, welch grosses Talent in ihm steckt.
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BotTalk

Es gab Zeiten, da wünschte ihn sein Boss vom Formel-1-Auto direkt in einen Renault Clio.

George Russell hat gerade seinen wohl unrühmlichsten Auftritt als Rennfahrer hinter sich, als Mercedes-Teamchef Toto Wolff in die Fernsehkamera sagt: «Ich sage George jeweils, dass er irgendwann im Mercedes fahren wird, wenn er seinen Job gut macht. Wenn aber nicht, dann im Renault-Clio-Cup. Derzeit schaut es eher nach Clio-Cup aus.»

Gelandet ist dieser Russell dann doch bei Mercedes. Weil es bei diesem einen Ausrutscher 2021 in Imola geblieben ist.

Der Brite, damals noch bei Williams und Mercedes-Junior, erlebt da seine schwachen zwei Runden. Erst lässt er Lewis Hamilton beim Überrunden keinen Platz, schlittert der siebenfache Weltmeister in die Streckenbegrenzung, weil er sich auf einer nassen Stelle weggedreht hat. Dann versucht Russell im Kampf um Rang 9 und bei 300 km/h an Valtteri Bottas im zweiten Mercedes vorbeizukommen, gerät auf die Wiese, knallt in den Wagen des Finnen – es folgt ein heftiger Abflug im Duett in der Tamburello-Kurve. Es ist der Ort, an dem vor 28 Jahren mit Ayrton Senna das Leben des vielleicht grössten Piloten der Geschichte jäh endete.

Russell stürmt auf Bottas zu, schreit ihn an, ob er sie eigentlich umbringen wolle, haut ihm auf den Helm. Als Antwort erhält er einen ausgestreckten Mittelfinger. (Hier gehts zum Video.)

Es ist eine Phase, in der ohnehin schon das Gerücht geht, die Mercedes-Fahrer hätten es nicht allzu gut mit dem jungen Mann aus King’s Lynn in der Grafschaft Norfolk. Russell steht in jenem Herbst in der Poleposition, das Cockpit von Bottas zu erben. Daran hat weder der Nordländer Freude noch dessen Kompagnon Hamilton, der fünf Jahre lang eine ziemlich gute Zeit erlebt hat als klare Nummer 1 im Team, mit Bottas als freundlichem Zudiener. Sie endet dann doch, weil Russell schlicht zu oft beweist, welch aussergewöhnlicher Fahrer er ist.

Nur er jubelt über das Skandalrennen

Auf Gesamtrang 15 steuert er seinen lahmen Williams 2021. Einmal, da jubelt er besonders ausgelassen – in einem Moment, in dem die Formel 1 mit sich und der Welt hadert. In Belgien hat er im Qualifying sensationell Rang 2 herausgefahren. Am Sonntag kommt es zur grossen Farce, zu diesem Nicht-Rennen bei Regen, 3 Runden hinter dem Safety-Car, dann Abbruch, Halbierung der Punkte. Russell bleibt deshalb natürlich Zweiter an diesem skandalträchtigen Tag, und auch wenn es nur 9 statt 18 Punkte gibt für ihn, ist er ausser sich vor Freude. «Es hat tatsächlich gezählt», sagt er – wie viele Piloten an diesem Tag. Nur ist er einer der wenigen, die sich darüber freuen. Es werde eine kleine Feier geben für das Williams-Team, sagt er noch. Eine Woche später unterschreibt er bei Mercedes.

Das ist die vorläufige Krönung seiner Karriere, in der er unter anderem die GP3 und Formel 2 gewann. Ein Siegerauto würde auf ihn warten, war sich Russell sicher. Was sollte er mit Blick auf die jüngere Vergangenheit auch anderes denken. Seit 2014 rannten alle vergeblich an, um Mercedes irgendwie vom Thron des Motorsports zu stürzen.

Doch wenngleich dem Team mit Sitz im englischen Brackley mit dem neuen Auto offenbar nicht der grösste Wurf gelungen ist – oder es zumindest das Potenzial des Wagens noch nicht ausgeschöpft hat –, so schafft es Russell doch eindrücklich, Werbung in eigener Sache zu machen. Geht es in der Formel 1 nicht um den Triumph, dann wenigstens darum, den Teamkollegen zu schlagen. Dieser ist nun ein ganzes Stück illustrer, als dies im Vorjahr Nicholas Latifi war.

Keiner ist so konstant wie Russell

Lewis Hamilton fährt nun an Russells Seite, diese Überfigur seines Sports, die Lichtgestalt – nun oft in den Schatten gestellt vom 24-jährigen, gross gewachsenen Mann mit den buschigen Augenbrauen. Obwohl die 1,85 m, die er in das enge Cockpit zwängen muss, eine Bürde sind, vollbringt Russell hinter dem Steuer kleine Motorsport-Wunder. 5:4 führt er im Qualifying-Duell gegen Hamilton, 7:2 gar nach Rennresultaten. Er ist WM-Vierter mit 111 Punkten, Hamilton Sechster mit 77.

Als Einziger im gesamten Fahrerfeld hat es Russell stets in die Top 5 geschafft, keinem Red-Bull-Fahrer ist das gelungen, keinem Ferrari-Piloten, Verstappen nicht, Pérez nicht, Leclerc nicht und auch Sainz nicht. «Mister Konstanz» wird er daher von seinem Renningenieur genannt. Er könnte ihn auch Mister Perfect nennen.

Russell geht mit breiter Brust durchs Leben, sein Selbstbewusstsein grenzt an Überheblichkeit. 16 ist er und Fahrer in der britischen Formel 4 sowie Formel Renault, als er sich an seinen Computer setzt und Toto Wolff ein Mail schreibt. Seinen kurzen Lebenslauf hat er verfasst für den Teamchef von Mercedes, dass er die Formel 4 auf der Insel gerade gewonnen hat, steht dort unter anderem, und: «Ich würde mich gerne mit Ihnen treffen.» 15 Minuten vergehen, da hat der Österreicher geantwortet – und lädt Russell zum Gespräch. Rund zwei Jahre danach gehört dieser zum Juniorenprogramm des Rennstalls.

Und als sich Russell bereit sieht für die Formel 1, spaziert er im Fahrerlager der Formel 1 zur Hospitality von Williams und will mit Chefin Claire Williams reden. Später bekommt er eine Anstellung. «Diese Mentalität hat mir auf meinem Weg sehr geholfen. Meine Eltern haben immer gesagt, dass ich hart arbeiten müsse für meine Träume. Ich bekomme vom Leben nur zurück, was ich gebe. Die Formel 1 sei so weit weg, ich müsse nach den Sternen greifen.» Russell griff nach ihnen – und ist nun beim Team mit dem Stern gelandet. Der vorläufige Höhepunkt soll dieser Sonntag werden mit dem Heimrennen in Silverstone.

«Wenn Sie mir vor der Saison erzählt hätten, dass ich nach sieben Rennen noch keinen Triumph eingefahren hätte, wäre ich enttäuscht gewesen.»

George Russell, Mercedes-Pilot

Jetzt zahlt sich auch für seine Eltern aus, dass sie vieles auf sich nahmen, um die Karrieren ihrer Kinder zu finanzieren. George ist das jüngste dreier Geschwister, sein älterer Bruder Benjy war ebenfalls ein talentierter Rennfahrer, wurde gar Weltmeister im Kart.

Wochenende für Wochenende reisten die Russells an die Rennstrecken Grossbritanniens und halb Europas, Mutter Alison mit einem Notizblock, in dem sie alle Set-ups festhielt, die Zeiten, den Reifendruck, die Motoreinstellung, wie George Russell der «Bild am Sonntag» erzählte. Vater Steve verkaufte seinen Kleinbetrieb, ein gut laufendes Erbsen- und Bohnengeschäft, um mehr finanzielle Mittel zu haben. Benjy entschied sich später für ein Studium, George aber träumte in der Welt des Motorsports weiter die grossen Träume.

Sein Talent und seine Art brachten ihn nun bis an die Spitze – zumindest glaubte er das, als er im vergangenen September bei Mercedes unterschrieb. Nach dem Grand Prix von Monaco und Rang 5 sagte er: «Wenn Sie mir vor der Saison erzählt hätten, dass ich nach sieben Rennen noch keinen Triumph eingefahren hätte, wäre ich enttäuscht gewesen.» Zuletzt präsentierte sich sein Auto immerhin deutlich konkurrenzfähiger. Muss es auch, wenn es nach Russell geht. Nur Siege sind gut genug für ihn. 

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