Sexueller Übergriff«Sags nicht Mami»: Betreuer wegen Kindesmissbrauchs in Zürcher Kita verurteilt
Ein Kind vertraut sich seiner Mutter an. Die Ermittler finden Kinderpornos beim Kita-Betreuer des Kindes. Trotz laufender Ermittlungen konnte der Beschuldigte eine neue Stelle in einer anderen Kita antreten.
- Ein Zürcher Kita-Betreuer wird wegen Missbrauchsvorwürfen mehrmals verhaftet.
- Die Ermittler finden 270 kinderpornografische Bilder in seiner Wohnung in Winterthur.
- Der Beschuldigte gibt die Nacktbilder zu, bestreitet aber die Missbrauchsvorwürfe.
- Das Gericht spricht eine bedingte Strafe und ein lebenslanges Verbot der Tätigkeit mit Kindern aus.
Es ist wohl einer der schlimmsten Albträume aller Eltern: Ein beliebter Betreuer einer Kindertagesstätte (Kita) in der Stadt Zürich kümmert sich scheinbar fürsorglich um seine ihm anvertrauten Schützlinge, wird dann aber zweimal von der Polizei wegen Missbrauchsvorwürfen und sichergestellter Kinderpornos verhaftet. Am Dienstag musste sich der 31-jährige Schweizer vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten.
Der Fall kam ans Licht, nachdem sich ein Kleinkind seiner Mutter anvertraut hatte. Das Kind schilderte ihr, wie es von einem Kita-Betreuer im Intimbereich berührt worden sei. Die dadurch ausgelösten Ermittlungen der Stadtpolizei Zürich führten Ende 2022 zur ersten Verhaftung des Beschuldigten und zur Durchsuchung seiner Wohnung in Winterthur.
Trotz Ermittlungen neue Stelle in Kita angetreten
Bei der Auswertung seines Handys und weiterer Datenträger stiessen die Ermittler auf zahlreiche kinderpornografische Bilder, viele davon in Comicform. Darunter befanden sich aber auch Nacktfotos von zwei zum Aufnahmezeitpunkt vierjährigen Schützlingen des Kita-Betreuers. Er hatte die beiden Mädchen in den Jahren 2019 und 2020 mit seinem Handy beim Toilettengang und zum Teil in Nahaufnahme im Intimbereich fotografiert. «Warum haben Sie im hochsensiblen Bereich einer Kita Fotos mit Fokus auf die Genitalien gemacht?», will der Richter vom geständigen Beschuldigten wissen. «Mir sind die Folgen nicht klar gewesen, was auf mich zukommen kann», antwortet dieser. Eine pädophile Neigung bestreitet er.
Aufgrund der laufenden Ermittlungen verlor der 31-Jährige rasch seine Anstellung als Kita-Betreuer. Die Strafverfolger informierten zwar die Bildungsdirektion über die sichergestellten Kinderpornos, nicht aber das RAV. Dieses vermittelte dem Beschuldigten nichts ahnend eine Stelle in einer anderen Kita in Winterthur.
Dieses Vorgehen sorgt beim Verband Kinderbetreuung Schweiz (Kibesuisse) für Kopfschütteln: «Die Behörden müssen untereinander kommunizieren, um zu verhindern, dass Kinder gefährdet werden», sagt Sprecher Maximiliano Wepfer auf Anfrage. Aus der zweiten Kita, in welcher der Beschuldigte mehrere Monate lang als Betreuer tätig war, sind keine Vorwürfe bekannt.
Tatort Kita-Toilette
Spezialisierte Kriminalisten befragten eine Reihe von Kita-Mitarbeitenden, Eltern und Kindern. Als eine betroffene Familie zu Hause die Nacktfotos mit ihren Kindern thematisierte, zog sich die achtjährige Tochter kurzerhand zurück. Kurz darauf kam sie mit einem Notizblock wieder, auf dem sie einen sexuellen Übergriff aus ihrer mehrere Jahre zurückliegenden Kita-Zeit notiert hatte. «Das Mädchen hat anfangs niemandem davon erzählt, weil es ihm unangenehm war und es sich schämte», sagt die Staatsanwältin vor Gericht.
In zwei Befragungen durch die Polizei habe das Mädchen «glaubhaft und lebensnah» ausgesagt, wie ihm der Kita-Betreuer auf die Toilette gefolgt sei, obwohl es Nein dazu gesagt habe. Gemäss Anklageschrift hat der Beschuldigte das Kind entkleidet und mit dem Finger mehrfach sexuell missbraucht. Das Mädchen erklärte in den polizeilichen Befragungen, dies habe ihm wehgetan und der Betreuer habe danach gesagt: «Sags nicht Mami, sonst komme ich ins Gefängnis.»
Die Schilderungen des Mädchens führten im Sommer 2023 zur zweiten Verhaftung und zur erneuten Hausdurchsuchung beim Beschuldigten. Dabei stellte die Polizei weitere kinderpornografische Bilder sicher, insgesamt rund 270.
Kita-Betreuer entschuldigt sich bei Eltern und Kindern
Der nicht einschlägig vorbestrafte Kita-Betreuer bestreitet vor Gericht, das Mädchen sexuell missbraucht zu haben. «Ich habe sie nicht aufs WC begleitet, nur geschickt», sagt er. Denn die grossen Kinder in der Kita würden stets allein auf die Toilette gehen. «Nur die 1- bis 2-jährigen Kinder werden begleitet», erklärt der Beschuldigte.
Die Staatsanwältin glaubt ihm nicht: «Sie haben Ihre Funktion als Vertrauensperson in der Kita ausgenutzt und in rein egoistischer Weise missbraucht, um Ihre Lust zu befriedigen», sagt sie in ihrem Plädoyer. Der Verteidiger räumt ein, dass sein Mandant mit den Nacktfotos seiner Schützlinge eine Grenze überschritten habe. «Aber er würde Kindern nie etwas antun», sagt der Anwalt.
In seinem Schlusswort entschuldigt sich der Beschuldigte bei den Eltern und Kindern für die Nacktbilder, deren Aufnahme er gestanden hat.
Therapie auferlegt
Das Bezirksgericht Zürich verurteilt den Beschuldigten zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten und einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 Franken wegen sexueller Handlungen mit einem Kind, Schändung, mehrfacher harter Pornografie und Verletzung des Geheim- und Privatbereichs durch Aufnahmegeräte.
Beide Strafen werden bei einer Probezeit von drei Jahren bedingt aufgeschoben. Zudem erhält der Beschuldigte ein lebenslanges Verbot der Tätigkeit mit Minderjährigen und die Weisung, eine psychiatrische Therapie mit Fokus auf eine allfällige pädophile Neigung zu absolvieren. Auch ein DNA-Profil des Beschuldigten wird bei der Polizei hinterlegt.
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