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Theater-Workshop in Zürich
Performance mit Pilzen endet im Notfall

(GERMANY OUT)   Honiggelber Hallimasch, auch Honigpilz,  waechst an einem Baumstubben, ist geschmort oder gekocht essbar und ein guter Speisepilz, roh jedoch giftig   (Photo by Harald Lange\ullstein bild via Getty Images)
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Für Peach Weber sind sie ein Ärgernis. Zumindest, wenn man seinem gesungenen Klassiker folgt, demzufolge es an wirklich jedem Essgericht Pilze dran hat. Aber Pilze können auch etwas Faszinierendes sein. Weil sie theoretisch ewig leben und dabei unterschiedlichste Formen annehmen können – als Mycelien, Fruchtkörper und Sporen. Und weil sie eine zentrale Rolle bei der Kommunikation der Pflanzen spielen und bei der «Bioremediation» übernehmen können, also bei der Entgiftung.

Letzteres steht so noch heute auf der Website der Gessnerallee: Das Zürcher Theaterhaus hatte in der laufenden Saison eine Produktion namens «Fungi Care» auf dem Spielplan. In einem begleitenden Workshop sollten Interessierte für die Pilze sensibilisiert werden. Vom Sonnenaufgang bis zum Untergang sollten die Teilnehmenden in die Welt der Pilze eintauchen, sich mit ihrer Rolle im Ökosystem und mit dem beschäftigen, was Menschen von Pilzen «über Care (deutsch: Fürsorge) in der Gemeinschaft lernen können».

Waldbaden, Schweben, Träumen 

Dafür trafen sich mehrere Teilnehmende im Gemeinschaftsgarten Grünhölzli in Zürich-Altstetten, um sich im angrenzenden Wald auf das Ökosystem einzustimmen: Inspiriert vom japanischen Shinrin-yoku (Waldbaden) wurden Teilnehmende getragen, um den Wald als «Welt des Überganges, der Unsicherheit und Schwebe zwischen dem Jetzt und unseren Träumen» zu erleben, wie es in einem Instagram-Post des Theaterhauses heisst. Danach wurde die Gruppe bei einem Waldspaziergang von einem amtlichen Pilzkontrolleur über die Risiken des Pilzesammelns aufgeklärt. Und nachdem man gemeinsam gesammelt hatte, bereiteten die Teilnehmenden die Pilze in kleinen Gruppen unter Anleitung einer Künstlerin zu. 

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Das ging schief: Zwei Teilnehmende mussten sich – gemäss Gessnerallee – in der Nacht nach dem Workshop zur Sicherheit im Spital in ärztliche Behandlung begeben; sie wurden am nächsten Morgen wieder entlassen. Drei weitere Personen hatten die Organisatorinnen und Organisatoren des Workshops darüber informiert, dass sie im Anschluss an die Veranstaltung an Bauchschmerzen und Übelkeit litten. Sie alle hatten wohl Hallimasche gegessen, eine eigentlich ungefährliche Art – vorausgesetzt, die Pilze werden genügend ausgekocht.

Konkret wird der Hallimasch erst bekömmlich, wenn die Pilze zunächst rund fünf Minuten im Wasser gekocht werden, das Kochwasser danach weggeschüttet wird – und die Pilze anschliessend auch bei der Zubereitung noch mindestens 10 Minuten gegart werden, so die Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane der Schweiz (VAPKO). Beim «Fungi Care»-Workshop war das offensichtlich nicht der Fall. 

Hallimasch-Pilz muss lange gekocht werden

Dem anwesenden Pilzkontrolleur ist die Sache heute noch hörbar peinlich: Erst vor einem Jahr habe er seine Ausbildung zum Kontrolleur abgeschlossen, erzählt er am Telefon. Beim «Fungi Care»-Workshop habe er deutlich darauf hingewiesen, dass die Hallimasche genug lange ausgekocht werden müssen, bevor sie als Gericht zubereitet werden. Offenbar wurde dieser Rat nicht beherzigt: Kurz nach Mitternacht erhielt der Pilzkontrolleur Anrufe aus dem Notfall. «Immerhin konnte ich dem behandelnden Arzt und dem toxikologischen Zentrum sofort Entwarnung geben, dass keine Grünen Knollenblätterpilze gesammelt wurden.» Denn diese sind – im Unterschied zu den Hallimaschen – hochgiftig. 

Den betroffenen Teilnehmenden ging es schnell wieder gut. Die Gessnerallee geht von einer Pilz-Unverträglichkeit der insgesamt fünf Betroffenen aus. In der Theaterszene sorgt der Vorfall aber auch gut vier Monate später noch für Diskussionen; er war auch an der letzten Generalversammlung der Gessnerallee im November ein Thema.

Der Pilzkontrolleur war da nicht dabei, mit der Theaterszene hat er sonst nichts zu tun. «Aber wenn aufgrund einer Berichterstattung über den Workshop ein grosses Publikum erfährt, dass man Hallimasche vor der Zubereitung auskochen muss, dann ist das sehr in meinem Sinn», sagt der Kontrolleur – nach diesem denkwürdigen Kunstprojekt, das einen neuen Blick auf unser Ökosystem ermöglichen und eine Auseinandersetzung mit den Themen Pilz, Gemeinschaft und Fürsorge sein wollte.