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Brisanter Vorstoss
FDP will wissen, welche Zürcher Politiker von gemeinnützigen Wohnungen profitieren

Themenbild Immobilien in der Stadt Zürich.
20.02.2024
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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In Kürze:
  • Die FDP fordert die Offenlegung der Wohnverhältnisse von Mitgliedern des Stadtparlaments in Zürich.
  • Daten über Wohnformen sollen Transparenz über politische Interessen schaffen.
  • Die FDP befürchtet, genossenschaftliche Wohnungen würden über Beziehungen vergeben.
  • Politische Gegner kritisieren die FDP-Forderung als parteipolitisches Manöver.

Wer wohnt in einer städtischen oder einer von der Stadt finanziell geförderten, sprich gemeinnützigen Wohnung? Dies wollen die Stadtzürcher Freisinnigen von den 125 Mitgliedern des Stadtparlaments wissen. Sie sollen dies gegenüber der Öffentlichkeit offenlegen, wie aus einem Beschlussantrag hervorgeht, den die Freisinnigen am Mittwoch im Stadtparlament eingereicht haben.

Konkret will die FDP die Geschäftsordnung des Stadtparlaments in diesem Sinn präzisieren und dabei auch allfällige Ausnahmen regeln. Daneben sei auch datenschutzrechtlichen Bedenken «gebührend Rechnung zu tragen».

Transparenz gefordert

lnteressenbindungen der Gemeinderäte sollten nach Ansicht der FDP veröffentlicht werden, «um wirtschaftliche und/oder ideelle Interessen der Mitglieder offenzulegen, um so politisches Handeln einordnen zu können». Die Stadt habe in den letzten Jahren mehrere Hundert Millionen Franken sowohl in den Kauf neuer Liegenschaften als auch in die Subventionierung von Wohnformen an Genossenschaften investiert; diese Beschlüsse würden jeweils auch von einer Mehrheit des Gemeinderats mitgetragen.

Der Vorstoss sei eine Reaktion auf einen Artikel der «NZZ am Sonntag», sagt FDP-Fraktionspräsident Michael Schmid. Die Zeitung hatte über eine von den Jungfreisinnigen durchgeführte Untersuchung berichtet, wonach auffallend viele linke Politiker offenbar in gemeinnützigen und damit günstigen Wohnungen leben. Demnach leben 40 Prozent der Parlamentsmitglieder in Genossenschaften und städtischen Wohnungen, bei SP und Grünen sei es gar eine Mehrheit.

Die Zahlen der Jungfreisinnigen seien mit Vorsicht zu geniessen, räumte die Zeitung ein. Dennoch werde die Diskussion um Transparenz beim gemeinnützigen Wohnraum dadurch wieder zum Thema. Am 24. November stimmt die Stadtzürcher Stimmbevölkerung über einen weiteren Millionenkredit zur Förderung des gemeinnützigen Wohnens ab.

FDP beklagt «Fehlentwicklungen»

Für FDP-Fraktionschef Schmid geht es um «eine der Fehlentwicklungen der städtischen Wohnpolitik». Mit immer mehr Geld werde überwiegend eine gut vernetzte Minderheit auf Kosten der gesamten Bevölkerung privilegiert. Der Anteil der Gemeinderatsmitglieder, die davon profitierten, sei ein Gradmesser dafür.

Michael Schmid (FDP) in der Richtplandebatte im Zürcher Gemeinderat am Mittwoch (30.6.2021) in der Halle 9, Messe Zürich. Foto: Thomas Egli

Es sei irritierend, dass ein erheblicher Teil der rot-grünen Politiker in direkt oder indirekt subventionierten Wohnungen lebe, die eigentlich der breiten Bevölkerung zugutekommen sollten. Von Wohnungen der Genossenschaften und der Stadt müssten jene profitieren, die sie wirklich benötigten – «nicht die gut vernetzten Funktionäre».

Aber widerspricht die FDP-Forderung nicht dem liberalen Credo, Eingriffe in die Privatsphäre zu verhindern? Schmid: «Ja, die Wohnform ist Privatsache und interessiert uns Freisinnige auch nicht.» Aber bei der Frage der städtischen Finanzierung gehe es um Transparenz und darum, dass gemeinnützige Wohnungen «sehr eigennützig» in Anspruch genommen würden.

Ob der Beschlussantrag im Stadtparlament eine Mehrheit findet, ist offen. Links-Grün verfügt dort über 63 Stimmen, Mitte-rechts über 62 Stimmen. Die SP habe noch nicht über den FDP-Vorstoss entschieden, sagt Co-Fraktionspräsident Florian Utz. Er habe aber den Eindruck, dass die FDP davon ablenken wolle, dass ihre Politik zu höheren Mieten führe. Zudem kritisiert Utz, dass die FDP – wenn sie schon von Transparenz spreche – nicht auch erfassen wolle, welche Gemeinderäte selber Wohnungen vermieteten und so von höheren Mieten finanziell profitierten. Die SP werde sich weiter darauf konzentrieren, dass in Zürich mehr bezahlbare Wohnungen entstünden.

AL: «Bedauerlich und beschämend»

AL-Co-Fraktionschef David Garcia Nuñez hält die Aktion der FDP für «bedauerlich und beschämend». Die städtische Bevölkerung habe mit so vielen Problemen zu kämpfen. Da komme es einem Affront gleich, dass «diese ‹staatstragende› Partei» das politische Niveau derart senke, dass man sich mit der persönlichen Wohnsituation einzelner Parlamentarierinnen und Parlamentarier auseinandersetzen müsse.

Lehrbeauftragter (Fachbereich Gender Studies) Dr. David Garcia Nunez am Donnerstag, 10. Dezember 2020 in Basel. © Photo Dominik Plüss

Zudem fragt sich Garcia Nuñez, weshalb Parlamentsmitglieder künftig nicht auch deklarieren sollten, über wie viele Häuser, Wohnungen oder Aktien in Immobilienfirmen sie verfügten.

Ähnlich äussert sich Jürg Rauser, Co-Fraktionschef der Grünen. «Das Anliegen der FDP ist aus meiner Sicht lächerlich und entlarvend.» Verlangt werde nicht etwa die Offenlegung der Wohnform allgemein, also beispielsweise in Kategorien wie Eigentum/Miete, Einfamilienhaus/Mehrfamilienhaus, ruhige/lärmexponierte Lage, sondern explizit «eine von der Stadt Zürich finanziell geförderte Wohnform». Allein aufgrund dieser Information wünsche die FDP, das politische Handeln einordnen zu können. Darauf abzustützen, sei «unvollständig, sehr einseitig und offensichtlich auf die eigene politische Klientel zugeschnitten».

Ob die GLP den FDP-Beschlussantrag mitträgt, ist offen. «Wir werden zu gegebener Zeit den Antrag diskutieren und einen Beschluss fassen», sagt Co-Fraktionschef Sven Sobernheim.