USA vor AmtsübergabeRoosevelt, Kennedy, Obama: Neun denkwürdige Vereidigungen
Flüchtende Präsidenten, historische Reden, der erste Afroamerikaner: Wenn am 20. Januar Joe Biden Donald Trump ablöst, stellt er sich in eine Reihe historischer Amtseinführungen.
30. April 1789: George Washington
Der Start war etwas holprig. Eigentlich hätte der erste Präsident der Vereinigten Staaten schon am 4. März 1789 sein Amt antreten sollen. Doch Repräsentantenhaus und Senat, die seine Wahl laut neuer Verfassung erst bestätigen mussten, waren da noch nicht beschlussfähig: Harsches Winterwetter hatte die hohen Herren daran gehindert, in ausreichender Zahl in die provisorische Hauptstadt New York zu kommen. Erst Anfang April gelang das, und George Washington, der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte im Unabhängigkeitskrieg, wurde erster Präsident der Republik. Washington erreichte die Nachricht am 14. April auf seiner Plantage in Virginia. Seine anschliessende Reise nach New York war ein Triumphzug. Am 30. April legte er den Amtseid ab mit der Formel, die seither jeder seiner Nachfolger wiederholt hat, nämlich die Verfassung «zu bewahren, zu beschützen und zu verteidigen». Er tat dies auf dem Balkon der Federal Hall, wo der Kongress tagte, und gab so ein Beispiel. US-Präsidenten legen den Eid, wenn möglich, vor den Augen der Bürger ab.
4. März 1801: Thomas Jefferson
Der 4. März 1801 war einer jener lauen Vorfrühlingstage, wie es sie oft gibt in Washington um diese Zeit: angenehme zwölf Grad, blauer Himmel. Thomas Jefferson, dessen Wahl zum dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten erst nach einem Entscheid im Kongress (und zwar nach 36 Wahlgängen) klar war, hatte sich in einer Pension gegenüber dem im Bau befindlichen Capitol, dem neuen Sitz des Parlaments, einquartiert. Begleitet von Kongressabgeordneten und Offizieren einer Bürgermiliz schritt er gegen Mittag ins Parlamentsgebäude und legte um 12 Uhr seinen Amtseid ab. So sollte es fortan üblich werden. Genauso wie die Tatsache, dass die Kapelle der Marines zur Amtseinführung des neuen Präsidenten aufspielte. Es war die erste Inauguration in Washington, der damals neu gegründeten Hauptstadt. Und es war übrigens auch die erste Inauguration, an der der Vorgänger des neu gewählten Präsidenten nicht teilnahm. John Adams hatte sich mit seinem alten Freund Jefferson überworfen und das Weisse Haus um 4 Uhr morgens still und leise verlassen.
4. März 1829: Andrew Jackson
Andrew Jackson galt als Mann des Volkes, und so sollte seine Amtseinführung auch die Verbundenheit zum einfachen Bürger zum Ausdruck bringen. Und wie das zum Ausdruck kam! Jackson, ein General und Haudegen, war der erste Präsident, der seinen Amtseid vor dem Capitol ablegte, oben auf der grossen Freitreppe an der Ostseite des Gebäudes. So sollte es bis 1977 bleiben. Gut 20’000 Menschen waren gekommen, mehr als Washington damals Einwohner zählte. Am Ende durchbrach die aufgewühlte Menge ein Schiffstau, das als Absperrung über die Stufen gespannt war. Jackson entkam durch eine Tür an der Westfront des Capitols und begab sich zu Pferd zum Weissen Haus. Doch auch dort drängten sich die Massen, manche kletterten durch die Fenster hinein. Bald war die Präsidentenresidenz überfüllt, Jackson musste erneut flüchten. Die Lage entspannte sich erst, als draussen Punsch ausgegeben wurde. Da war im wahrsten Sinne des Wortes schon viel Porzellan zerschlagen. Der Sachschaden soll sich auf mehrere Tausend Dollar belaufen haben.
4. März 1861: Abraham Lincoln
Schon Abraham Lincolns Fahrt zu seiner Inauguration in die Hauptstadt, die damals mitten im Land der Sklavenhalter lag, verlief unter ominösem Vorzeichen. In Philadelphia wurde er noch von hunderttausend Menschen gefeiert, doch ein Stück weiter in Richtung Süden, in Baltimore, musste er unter dem Schutz der Dunkelheit in den Nachtzug nach Washington schlüpfen. Man fürchtete einen Mordanschlag. Dennoch liess Lincoln nichts unversucht, den drohenden Bürgerkrieg abzuwenden. Wohl wissend wie vergeblich es sein dürfte, richtete er, nachdem er auf den Stufen des Capitols den Amtseid abgelegt hatte, seine Worte direkt an die Landsleute im Süden. Wortgewaltig appellierte er an die «better angels» in ihrem Inneren, die Stimme des Guten: «Wir sind nicht Feinde, wir sind Freunde.» Doch zugleich demonstrierte er, was er in den Jahren danach immer wieder unter Beweis stellen sollte: eiserne Entschlossenheit. Eine Sezession werde er nicht dulden. Die Konföderierten antworteten wenig später mit Schüssen, und das Unheil, das Hunderttausende Tote forderte, nahm seinen Lauf.
4. März 1933: Franklin D. Roosevelt
Es ist dies der wohl berühmteste Satz, der je bei der Vereidigung eines amerikanischen Präsidenten geäussert wurde. Berühmter noch als alle Worte, die die beiden grössten unter den Präsidenten, Gründervater George Washington und der Bewahrer der Nation, Abraham Lincoln, zu dieser Gelegenheit an ihre Landsleute richteten: «Lassen Sie mich Ihnen als Erstes meine feste Überzeugung beteuern», begann Franklin D. Roosevelt, «dass das Einzige, was wir zu fürchten haben, die Furcht selbst ist.» Und als hätte er es inszeniert, brach zu Beginn seiner 15-minütigen Ansprache, mit der er der von der Depression niedergedrückten Nation neuen Mut einflössen wollte, die Sonne durch den an diesem Morgen wolkenverhangenen Washingtoner Himmel. 150’000 Menschen hatten sich vor dem Capitol versammelt, eine eindrucksvolle Menge. Aber noch viel mehr harrten vor den Rundfunkgeräten aus: Millionen Amerikaner verfolgten die live übertragene Ansprache. Man kann getrost sagen, dass mit diesem Satz die langsame Erholung der Vereinigten Staaten von ihrer tiefsten Krise den Anfang nahm.
22. November 1963: Lyndon B. Johnson
Nicht die erste Vereidigung eines neuen Präsidenten nach dem plötzlichen Tod seines Vorgängers war es, auch nicht die erste nach einem Mordanschlag. Doch es dürfte wohl die Amtsübernahme mit grösster Dramatik gewesen sein. Lyndon B. Johnson legte seinen Amtseid am 22. November 1963 um 14.38 Uhr Ortszeit auf dem Flugplatz von Dallas an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One ab. Zwei Stunden zuvor waren die tödlichen Schüsse auf Präsident John F. Kennedy abgefeuert worden, eine Stunde später war Johnson, der im Auto hinter Kennedy gefahren war, über dessen Tod informiert worden. Kennedys Bruder Robert, zugleich Justizminister, riet zur sofortigen Vereidigung. Johnson legte die Eidesformel ab, während die Triebwerke des Jets bereits für den Rückflug nach Washington angelassen wurden, zu seiner Rechten stand seine Frau Lady Bird, zu seiner Linken Kennedys Witwe Jacqueline in einem rosafarbenen Chanel-Kostüm, auf dem das Blut ihres Mannes zu sehen war. An sie gewandt sagte Johnson danach: «Die ganze Nation trauert um Ihren Mann.»
9. August 1974: Gerald Ford
So denkwürdig waren die Worte des neuen Präsidenten, wie die Umstände seiner Vereidigung aussergewöhnlich waren. Gerald Ford war der erste Präsident der Vereinigten Staaten, der ins Amt kam, weil sein Vorgänger zurückgetreten war. Richard Nixon erklärte am 8. August 1974 in einer Fernsehansprache an die Nation seinen Verzicht, nachdem klar geworden war, dass der Kongress ihn wegen seiner Verantwortung für den Watergate-Skandal per Impeachment entmachten würde. Ford geleitete Nixon tags darauf am späten Vormittag aus dem Weissen Haus und legte um 12.05 Uhr im East Room den Amtseid ab. Der Oberste Richter, Warren Burger, war für die Zeremonie von einem Besuch in den Niederlanden mit einer Luftwaffenmaschine nach Washington zurückgeflogen worden. Ford, der selbst erst acht Monate zuvor zum Vizepräsidenten berufen worden war, wandte sich an seine Landsleute, unmittelbar nachdem er die Eidesformel gesprochen hatte: «Meine amerikanischen Mitbürger, unser langer nationaler Albtraum ist zu Ende, unsere Verfassung funktioniert.»
20. Januar 1981: Ronald Reagan
Ronald Reagans erste Vereidigung als US-Präsident ist aus zweierlei Gründen bemerkenswert. Zum einen war es die erste Amtseinführung auf der Westseite des Capitols, vor der sich die Mall erstreckt, ein kilometerlanger Park, der gesäumt ist von monumentalen Denkmälern für die Grossen der Nation: Washington, Jefferson, Lincoln. Damals kamen laut «New York Times» nur etwa 10’000 Zuschauer. Doch sollten es bei nachfolgenden Inaugurationsfeiern viel mehr werden – der Park bietet den Platz dafür. Zum anderen aber war es ein Ereignis, das Tausende Kilometer entfernt von Washington stattfand, das aber gleichwohl diese Amtseinführung zu einem unvergesslichen Moment in der amerikanischen Geschichte werden liess. Denn kurz nachdem Reagan seine rechte Hand zum Schwur gehoben hatte, kamen in Teheran 52 Amerikaner nach 444 Tagen Geiselhaft in der von Anhängern der Islamischen Revolution besetzten US-Botschaft frei. Die Geiselnahme war eine Demütigung für die USA, von der sich die Beziehungen zum Iran bis heute nicht erholt haben.
20. Januar 2009: Barack Obama
Es war, wenn man so will, das Megaevent unter den Amtseinführungsfeiern der US-Präsidenten. 1,8 Millionen Menschen wollten an diesem bitterkalten, aber sonnenklaren Washingtoner Wintertag Zeuge sein, wie Barack Obama, der erste schwarze US-Präsident, seinen Amtseid ablegte. So viele Menschen waren zuvor und sind auch seither nie mehr auf die Mall gekommen. Obama rief seine Landsleute zu neuer Einigkeit auf, was, wie sich herausstellen sollte, vergeblich war. Und er versprach, dass das Land aus der grössten Wirtschaftskrise seit der Depression wieder herausfinden werde. Was wiederum tatsächlich geschah: Die längste wirtschaftliche Erholungsphase in der US-Geschichte sollte folgen. Wie immer seit der Inauguration von Thomas Jefferson spielte die Marine Band, doch das eigentliche musikalische – und emotionale – Highlight dieses Tages war ein anderes: Aretha Franklin sang die inoffizielle Nationalhymne der USA, «My Country, ’Tis of Thee», eine Ode an die Freiheit.
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