Historische Wahlen in den USAEin fauler Deal, ein unerwartetes Comeback – und 537 Stimmen Unterschied
Schon 59-mal haben die USA einen Präsidenten gewählt, aber nicht jede Wahl war historisch. 5 besonders denkwürdige Präsidentschaftswahlen.
1860: Ein Land am Abgrund
Die vielleicht wichtigste Wahl der US-Geschichte drehte sich um die Sklaverei – und um den Fortbestand der Vereinigten Staaten. Die Frage nach ihrer Abschaffung oder Ausweitung hatte die Demokratische Partei gespalten. 1860 traten deshalb vier verschiedene Präsidentschaftskandidaten an. Davon profitierte Abraham Lincoln, der Kandidat der noch jungen Republikanischen Partei, der sich mit 40 Prozent der Wählerstimmen und einer Mehrheit von 123 von 180 Stimmen im Electoral College durchsetzte, dem Wahlmännergremium.
Lincoln, ein Anwalt und ehemaliger Abgeordneter aus der Provinz, war ein begabter Redner. Innerhalb seiner eigenen Partei ging er, was die Abschaffung der Sklaverei betrifft, nicht so weit wie andere: Er versprach im Wahlkampf zwar, dass die Sklaverei nicht auf die neuen Bundesstaaten im Westen des Kontinents ausgedehnt werden solle. Den Südstaaten sicherte er aber zu, an ihren Sklaverei-Regimes festhalten zu dürfen.
Lincolns Sieg beendete die Vorherrschaft der Demokratischen Partei in Washington, die seit 1789 die meisten Präsidenten gestellt hatte. Noch vor Lincolns Amtseinführung spalteten sich sieben von den Demokraten regierte Südstaaten ab und gründeten die Konföderation. Kurz darauf brach der Bürgerkrieg aus.
1876: Ein folgenreicher Kompromiss
Bis heute ging keine Wahl knapper aus als jene von 1876 – und kaum eine war so folgenschwer. Der Demokrate Samuel Tilden erzielte zwar landesweit mehr Stimmen als der Republikaner Rutherford B. Hayes. Ihm fehlte aber die nötige Mehrheit im Electoral College. In drei Bundesstaaten des Südens war die Zuteilung der Elektoren umstritten, und Teile der Demokraten drohten offen mit Gewalt.
Nach einem erbitterten Streit im Kongress einigten sich beide Parteien darauf, dass die ausstehenden Elektoren dem Republikaner Hayes zugeteilt würden – er wurde Präsident. Im Gegenzug erklärten sich die Republikaner bereit, die Truppen der Bundesregierung aus den Südstaaten abzuziehen, die dort seit dem Ende des Bürgerkriegs 1865 stationiert waren. Der Schritt markierte den Beginn der jahrzehntelangen, von rassistischem Terror gegen die Schwarzen geprägten Herrschaft der Demokraten im Süden.
Für seine Gegner war Hayes aufgrund der Umstände seiner Wahl ein illegitimer Präsident. Sie nannten ihn – nach dem englischen Wort «fraud» für Betrug – «His Fraudulency» oder «Rutherfraud». Hayes trat nicht für eine zweite Amtszeit an.
1936: Die New-Deal-Wahl
Ganz anders die erste Wiederwahl von Franklin Delano Roosevelt im Jahr 1936: Es war die Definition eines Erdrutschsiegs. Der Demokrat erzielte knapp 61 Prozent der Wählerstimmen und 523 von 531 Stimmen im Electoral College. Sein republikanischer Gegner Alf Landon gewann einzig die acht Wahlmänner der Bundesstaaten Maine und Vermont. Die noch nicht sehr ausgereiften Umfragen hatten zuvor ein knappes Rennen vorausgesehen.
Roosevelts Sieg erlaubte ihm, seinen «New Deal» fortzuführen, der die politische Landschaft der USA auf Jahrzehnte prägte. Das Reformprogramm beendete die Laissez-faire-Politik von Roosevelts republikanischen Vorgängern, die angesichts der schweren Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre immer umstrittener geworden war. Roosevelt führte unter anderem eine staatliche Rentenversicherung und eine Arbeitslosenversicherung ein. Beides erwies sich als sehr beliebt.
Roosevelt wurde 1940 für eine dritte und 1944 für eine vierte Amtszeit gewählt. Er starb 1945 im Amt. Der nach seinem Tod beschlossene 22. Verfassungszusatz begrenzt die Amtszeit des US-Präsidenten seither auf zwei Amtsperioden.
1948: Die Zeitungsente
Noch am Wahltag schien die Sache klar: Der republikanische Gouverneur von New York, Thomas Dewey, würde sich gegen den Demokraten Harry Truman durchsetzen – und den amtierenden Präsidenten aus dem Weissen Haus verdrängen. Die meisten Meinungsforscher waren sich in dieser Hinsicht so sicher, dass sie schon einige Wochen vor dem Wahltermin damit aufhörten, Umfragen durchzuführen. Das Magazin «Life» druckte eine Geschichte über die künftige Dewey-Regierung, und die Zeitung «Chicago Tribune» schrieb am Wahlabend auf ihre Titelseite des nächsten Tages: «Dewey besiegt Truman».
Das Foto des grinsenden Truman, der eine dieser Titelseiten in der Hand hält, ging in die Geschichte ein – weil eben alles ganz anders kam. Der von seinen Gegnern für unbeliebt gehaltene Präsident schaffte die Wiederwahl mit einer komfortablen Mehrheit von 303 zu 189 Stimmen im Electoral College, auch wenn der Abstand bei den Wählerstimmen deutlich geringer war. Truman überstand auch den Nachteil, dass die Demokraten in den Südstaaten gespalten waren und mit Strom Thurmond einen Drittkandidaten aufstellten, der für die Beibehaltung der Rassentrennung kämpfte.
2000: Alles in der Schwebe
Die Wahl von 2000 war zuletzt Gegenstand vieler Debatten – weil sie besonders den Demokraten als Warnung dafür dient, wie ihr Kandidat eine Mehrheit der Wählerstimmen gewinnen, die Wahl aber unter umstrittenen Umständen trotzdem verlieren kann.
In der Wahlnacht hatten die TV-Sender George W. Bush, den republikanischen Gouverneur von Texas, fälschlicherweise zum Sieger über den scheidenden Vizepräsidenten Al Gore erklärt. Gore hatte Bush bereits telefonisch gratuliert – zog dann aber das Eingeständnis seiner Niederlage wieder zurück, weil das Ergebnis des für das Electoral College entscheidenden Bundesstaats Florida so knapp war, dass die Stimmen neu ausgezählt werden mussten.
Damit begann ein langer Kampf vor den Gerichten. Er bestand darin, dass die Republikaner die Auszählung von ausstehenden Stimmen zu verhindern versuchten, die das Rennen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zugunsten des Demokraten entschieden hätten. Wochenlang war nicht klar, wer die Wahl gewonnen hatte und ob der allfällige Verlierer die Niederlage akzeptieren würde.
Die Entscheidung fällte schliesslich der Oberste Gerichtshof des Landes: Mit einer konservativen Mehrheit von 5:4 Stimmen verfügten die Richter, dass die verbleibenden Stimmen nicht mehr ausgezählt werden durften. Bush hatte zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 537 Stimmen mehr als Gore. Trotzdem akzeptierte der Vizepräsident das Urteil.
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