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ZSC-Talent aus Italien
Als er mit zwölf nach Zürich kam, sprach er kein Wort Deutsch

19.10.2024; Zuerich; Eishockey National League - ZSC Lions - EV Zug:
Nic Balestra  (Zug) Alessandro Segafredo  (ZSC)
(Roger Albrecht/freshfocus)
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In Kürze:
  • Alessandro Segafredo debütierte in der Champions Hockey League mit einem Tor.
  • Der Italiener zog mit zwölf Jahren in die Schweiz, um seinen Hockeytraum zu verfolgen.
  • Er lebt jetzt mit Vinzenz Rohrer in einer Wohngemeinschaft in Oerlikon.
  • Am Weg seines WG-Kollegen nimmt er sich ein Vorbild.

Es sind aufregende Tage für Alessandro Segafredo. Am Mittwoch debütierte er in der Champions Hockey League für die ZSC Lions und steuerte zum 5:1 in Klagenfurt gleich ein Tor bei. Am Freitag und Samstag bestritt er in Kloten (2:3 nach Penaltys) und im wilden Heimspiel gegen Zug (5:4) seine ersten zwei National-League-Partie in vollen Stadien. «Für mich ist es ein Traum, der wahr geworden ist», sagt er am Samstag spät vor der ZSC-Garderobe mit leuchtenden Augen. «Ich probiere einfach, es zu geniessen und so viel wie möglich zu lernen.»

Fürs Spiel in Klagenfurt reisten seine stolzen Eltern aus Asiago an und sahen, wie er mit hartnäckigem Nachsetzen einen Abpraller verwertete. Am Wochenende konnten sie nun nicht kommen, sie führen zu Hause eine Bar. In der Kleinstadt in der Hochebene Venetiens, bekannt als Wintersportort, für seinen Bergkäse und sein Hockeyteam, wurde Segafredo gross. Doch inzwischen hat er, der kürzlich seinen 20. Geburtstag feierte, fast sein halbes Leben in der Schweiz verbracht. Über sechs Autostunden von seiner Familie entfernt.

Segafredo war elf, als er Ambris Juniorentrainer Dimitri Tsigurow in einem Juniorencamp in Aosta in den italienischen Alpen auffiel. Der Russe lockte ihn in die Leventina, und so zog Segafredo in zartem Alter aus, um seinen Traum vom Hockeyprofi zu verfolgen. Seine Eltern und seine zwei Jahre ältere Schwester Samantha, die inzwischen Medizin studiert, blieben in Asiago und sprachen ihm aus der Ferne Mut zu, wenn er gerade schwere Zeiten durchmachte oder unter Heimweh litt. Bereut hat er den Schritt nie.

Von Ambri zu den ZSC Lions

In der U-13 Ambris tat er sich gleich hervor, in einem Spiel gegen die ZSC-Junioren schoss er gemäss eigenen Angaben fünf oder sechs Tore. Die Zürcher luden ihn zu ihrer Auswahl für den Ausflug ans traditionelle Pee-Wee-Turnier in Québec ein und überzeugten ihn, zu ihnen zu wechseln. «In Ambri war es auch cool, aber der ZSC ist europaweit bekannt als guter Hockeyclub», sagt er. Also kam er mit zwölf nach Zürich, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen.

In Zürich fand Alessandro Segafredo eine neue Heimat. Drei Jahre wohnte er bei Nachwuchschef Edgar Salis.

Segafredo erzählt seine verblüffende Geschichte in fast akzentfreiem Schweizerdeutsch. «Die ersten sechs Monate besuchte ich eine Sprachschule. Danach ging ich hier regulär in die Sekundarschule», sagt er. «In diesem Alter lernt man Sprachen schnell.» In Asiago war er schon zweisprachig aufgewachsen, weil seine Mutter in Südafrika geboren ist und mit ihm Englisch redete. Nur sein Hochdeutsch sei etwas holprig, sagt Segafredo schmunzelnd. Inzwischen ist er in seinem letzten Jahr am Sport-KV in der United School of Sports.

Als er nach Zürich kam, wohnte Segafredo zuerst in einer Gastfamilie im Zollikerberg. Später nahm ihn ZSC-Juniorenchef Edgar Salis bei sich zu Hause in Höngg auf. «Wir hatten ein freies Zimmer. Also fragte ich meine Familie, ob es okay ist, wenn er zu uns kommt. Alle sagten Ja, und damit hatte ich auf einen Schlag drei statt zwei Söhne», sagt Salis lächelnd.

Segafredo wohnte insgesamt drei Jahre bei der Familie Salis, mit einer Saison Unterbruch, die er im nordamerikanischen Juniorenhockey in Seattle und Winnipeg verbrachte. «Sie wurden für mich wie eine zweite Familie», schwärmt der Italiener. «Eggi und seine Frau sind extrem gute Menschen und haben mir viel geholfen. Und ihre beiden Söhne wurden für mich wie zu meinen kleinen Brüdern.» Sie spielen beide auch im ZSC-Nachwuchs und sind 15 und 13.

Inzwischen bildet Segafredo mit dem Österreicher Vinzenz Rohrer eine Wohngemeinschaft in Oerlikon. Weil sie beide schon früh als Junioren in die Schweiz kamen, gelten sie als Eishockeyschweizer. Bei den ZSC Lions spielten sie schon in der U-13 miteinander, nun sind sie auf der höchsten Stufe angekommen. «Dass wir jetzt zusammen fürs Spiel ins Stadion fahren, ist wunderbar. Davon träumten wir früher, jetzt ist es Realität geworden.»

Salis: «Er hat einen riesigen Torhunger»

Sorgte Segafredo in jungen Jahren als fleissiger Goalgetter noch für mehr Aufsehen, ist ihm der sechs Tage ältere Rohrer inzwischen voraus. Der flinke Stürmer etablierte sich bereits letzte Saison in der National League und wurde zu einem wichtigen Stück im Meisterpuzzle. Salis traut aber auch Segafredo den Durchbruch zu: «Er hat einen riesigen Torhunger und einen exzellenten Schuss», sagt der ehemalige Verteidigerhüne. «Als Junior war er noch etwas puckverliebt, aber inzwischen hat er sich auch taktisch enorm verbessert.»

Sein WG-Partner sei für ihn mit seinem Weg ein Vorbild, sagt Segafredo über Rohrer. «Ich kenne niemanden, der so gut ist im Besserwerden wie er. Er arbeitet unglaublich hart an sich. Er ist ein Beispiel für mich damit, was er täglich alles macht, um zu sich zu verbessern.» Segafredo hält kurz inne und fügt leicht verlegen an: «Das habe ich ihm noch nie gesagt. Aber jetzt wird er wohl erfahren, wie ich über ihn denke.»