Zoom: Yoshinori MizutaniUnheimlich viele Sittiche
Der japanische Fotograf Yoshinori Mizutani zeigt in «Tokyo Whispers», wie sich die Natur in der Grossstadt einnistet.
Im Grossraum Tokio leben nicht nur 37 Millionen Menschen, sondern auch zahllose Halsbandsittiche. Die kleinen Vögel mit ihrem giftgrünen Gefieder sind hübsch; allerdings haben sie sich in den letzten Jahren stark vermehrt und bilden mittlerweile ganze Schwärme. Vermutlich stammen sie von ausgewilderten Haustieren ab.
Der 37-jährige Fotograf Yoshinori Mizutani erschrak, als er den Vögeln in seiner Nachbarschaft begegnete – die schiere Menge und ihr unheimlicher Lärm liessen ihn an Hitchcocks «Die Vögel» denken. Dieses ambivalente Gefühl – Faszination einerseits, Unbehagen andererseits – floss in seine Serie «Tokyo Parrots» ein. Das Blitzlicht, mit dem er in der Dämmerung fotografierte, die Buntheit der Sujets und der farbige Himmel im Hintergrund schaffen eine beinahe surreale Atmosphäre.
Wie sich die Natur im urbanen Umfeld einnistet, ist eine Frage, die Mizutani generell interessiert. Selber auf dem Land aufgewachsen, nimmt er nicht nur die Sittiche Tokios, sondern auch urbane Kormorane sowie die Yusurika, die Schmetterlingsmücke, in den Fokus. Wie Lichtflecken tanzen die Insekten auf seinen Bildern, ein fliegender Teppich aus Punkten, die an Schneeflocken erinnern.
Mizutanis ästhetische Hinwendung zu einer Natur, die sich ihren Weg in die Domäne des Menschen bahnt, hat etwas Meditatives. Das zeigt sich vor allem in der Serie «Sakura», die der japanischen Kirschblüte gewidmet ist.
Durch Bewegungen der Kamera verschwimmen die Konturen zu leuchtenden Schlieren. Mizutani schreibt, dass er so seinen eigenen Blick imitiere, der von einer Blüte zur nächsten wandere. Damit lässt er die millionenfach fotografierte Kirschblüte nicht nur in einem neuen Licht erscheinen – er beweist auch, wie die Fotografie, die angeblich nur den Augenblick festhält, das Vergehen der Zeit abbilden kann.
In einer ursprünglichen Version dieses Artikels wurden die Vögel fälschlicherweise als Wellensittiche bezeichnet. Der Text wurde darum aktualisiert.
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