Verschobener Jahreszyklus Wegen des milden Winters sind Zecken früher unterwegs als sonst
Die warmen Wintermonate lassen Zecken früher aktiv werden. Dem Zecken-Hotspot Zürich droht damit ein Jahr der Blutsauger. Fachleute empfehlen, Schutzmassnahmen schon jetzt ernst zu nehmen.

Lukas Bammatter traute seinen Augen kaum, als er genauer hinschaute, was auf dem Kopf seines Hundes herumkrabbelt: eine Zecke. Eine Zecke Mitte Februar. Bammatter ist Co-Leiter der Fischerei- und Jagdverwaltung beim Kanton Zürich und viel in der Natur unterwegs.
Bei seiner Arbeit erlebe er schon länger, dass sich viele Entwicklungen in der Natur verschoben hätten. «Aber Zecken bereits Mitte Februar, das hat mich schon erstaunt.»

Tatsächlich heisst es in der einschlägigen Literatur, dass in unseren Breitengraden frühestens ab März, eher noch ab April mit Zeckenstichen gerechnet werden müsse. So schaltet etwa das Bundesamt für Gesundheit (BAG) seinen Lagebericht zu den gemeldeten Fallzahlen erst im März auf.
Die subjektive Wahrnehmung von Lukas Bammatter wird auch von anderer Seite gestützt. Werner Tischhauser, Vizepräsident der Liga für Zeckenkranke Schweiz, stellt fest: «Wegen der immer milderen Temperaturen findet die klassische Winterpause der Zecken gar nicht mehr statt.»
Auch Tischhauser hat Kenntnis davon, dass Zecken bereits aktiv geworden sind. So erzählte ihm eine Kollegin, dass sie beim Gärtnern im Tessin von einem dieser winzigen Spinnentiere gestochen wurde. Doch werden die Zecken nicht nur früher aktiv, sie bleiben es auch bis im November oder Dezember.
Aktiv ab sieben Grad Celsius
Die bei uns mit Abstand am häufigsten auftretende Zeckenart, der Gemeine Holzbock, wird bei Temperaturen über sieben Grad aktiv. In warmen Wintern verfallen sie daher nicht, wie eigentlich üblich, in eine Winterstarre.
Das bedeutet wiederum, dass sie ihren Zyklus vom Ei zum adulten Tier statt in drei bis vier Jahren in zwei bis drei Jahren durchlaufen. Da bei milden Temperaturen zudem weniger Individuen sterben, bevor sie geschlechtsreif sind, gehen Fachleute davon aus, dass sich die Zecken dieses Jahr stark vermehren. Zumal es bereits im letzten Winter zu warm war.

Das ist gut für die Zecken, aber schlecht für die Menschen und Tiere. Während Lukas Bammatter bisher seinen Hund ab April oder Mai vor Zeckenbissen schützte, wird er bereits jetzt damit beginnen.
Er verabreicht seinem Hund eine Kautablette, die rund drei bis vier Monaten wirkt. Sie verhindert zwar nicht, dass sich die Zecken festbeissen, aber sie lassen sich sehr rasch wieder fallen. Dadurch wird eine Übertragung von Krankheiten unwahrscheinlich.
Hunde und Katzen erkranken ohnehin relativ selten wegen Zeckenstichen. Doch kann es auch sie treffen. Zudem kommt – auch wegen des Klimawandels – die bisher mehr im Süden heimische Braune Hundezecke bei uns vereinzelt vor. Sie kann bei Hunden Babesiose auslösen, eine Infektionskrankheit, welche die roten Blutkörperchen zerstört.
Noch nicht auf dem Radar
Werner Tischhauser befürchtet, dass viele Menschen das Risiko, von einer Zecke gestochen zu werden, noch nicht auf dem Radar haben. Er rät dringend dazu, die empfohlenen Massnahmen bereits jetzt zu beachten.
Konkret: breite Waldwege bevorzugen, den Kontakt mit Gras und Sträuchern vermeiden, bedeckende Kleidung tragen, Zeckenschutzmittel verwenden und Körper und Kleidung nach einem Spaziergang absuchen.
Wurde man von einer Zecke gestochen, sollte man diese mit einer Zeckenschere oder einer Zeckenkarte schnell entfernen und die Stichstelle desinfizieren. Bei Symptomen, speziell wenn sich um die Stichstelle ein roter Kreis zu bilden beginnt, muss ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden.
Zecken mitten in der Stadt Zürich
Zecken leben mittlerweile im ganzen Kanton Zürich, auch mitten in der Stadt Zürich, wie das Zeckenmodell des BAG zeigt.

Tischhauser hat an der Entwicklung der Präventionsapp «Zecke» mitgearbeitet, die vom BAG mitgetragen wurde. Sie erhält neben allgemeinen Informationen auch eine Meldeplattform für Zeckenstiche und Zeckensichtungen. Dort sind unter anderem die Zecken-Hotspots der letzten Monate zu sehen: Uetliberg, Käferberg, Irchel.
Gefährliche Krankheiten
Dass die Zeckenprävention insbesondere vom BAG stark unterstützt wird, hat damit zu tun, dass Zecken schwere Krankheiten übertragen können. Tischhauser will keine Panik verbreiten: «Bei weit über neunzig Prozent der Stiche passiert gar nichts.»
Doch erlebt er eben als Vizepräsident der Zeckenliga, welche Folgen es haben kann, wenn doch etwas passiert: Bei Borreliose ist es wichtig, dass sie früh erkannt und mit Antibiotika behandelt wird. Sonst kann sie langwierige und schwere Folgen haben.
Auch die gefährliche Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kann durch Zecken übertragen werden. Gegen sie gibt es eine Impfung, zu der Fachleute wie Tischhauser dringend raten. Sie muss innert neun bis zwölf Monaten dreimal wiederholt werden und hält dann laut BAG zehn Jahren an.
Auch hier gilt: Wer noch nicht geimpft ist und sich oft im Freien aufhält, holt die Impfung am besten möglichst bald nach. Denn die Zecken sind schon hungrig.
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