Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Stürmer-Legende Wynton Rufer
Er schreibt: «Wenn ich in die Schweiz komme, dann zu GC.» Und geht zum FCZ

Collage mit FC Zürich-Logo, einer Menschenmenge mit FCZ-Flaggen und dem Porträt eines jungen Fussballspielers in einem aufgerissenen Papierrahmen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Nach gescheitertem GC-Wechsel prägte Wynton Rufer beim FC Zürich die 1980er-Jahre. Und ging später doch noch zum Stadtrivalen.
  • Die Militärdienstzeit in der Schweiz bremste seine sportliche Entwicklung.
  • Der Neuseeländer überlebte 2019 einen Herzstillstand dank schneller medizinischer Hilfe.

Die Antwort kommt per E-Mail. Wynton Rufer bittet um ein paar mögliche Daten für das Video-Interview. Die Signatur: Oceania Player of the Century. Bei seiner nächsten Nachricht ist die Signatur erweitert, zuoberst steht nun: Bundesliga Legend. Klar, der Name Wynton Rufer ist auch zu finden, die anderen beiden Hinweise hätten aber ausgereicht, um den Absender zu identifizieren.

Rufer ist als aktiver Stürmer eine der grossen Figuren im Fussball. Und bis heute ein prächtiger Geschichtenerzähler, der gern von seiner Karriere berichtet, von seinen Bekanntschaften mit Pelé, Johan Cruyff oder Franz Beckenbauer. Oder über seine Zeit in der Schweiz, über die Rufer sagt: «Eigentlich hätte ich drei Jahre früher aus der Schweiz weggehen müssen.»

Sein Vater ist Zürcher, er wanderte 1957 nach Neuseeland aus. Der Sohn kommt noch heute fast jedes Jahr zurück in die Schweiz. «Ich habe noch Familie in Zürich», erzählt Rufer. Und jährlich findet die Schnee-Fussball-WM in Arosa statt, an der der 62-Jährige immer wieder teilnimmt. In der Schweiz nahm auch einst seine Karriere richtig Fahrt auf – und geriet ein erstes Mal ins Stocken.

Die erste Station im Sommer 1982: der FC Zürich. Dabei wollen ihn eigentlich die Grasshoppers, deren Verantwortliche extra für ein Treffen nach Wellington reisen. Einen Vertrag will der damals 19-jährige Rufer nicht unterzeichnen, er schreibt ihnen von Hand ein Versprechen auf einen Papierfetzen: «Wenn ich in die Schweiz komme, dann zu GC.» Erst wolle er noch die WM abwarten und ob nach dieser noch andere Angebote reinflattern würden.

Eine Woche später reist auch eine Delegation des FCZ nach Wellington. Sie lädt die Familie ins beste Restaurant der Stadt ein, bringt Blumen, Kuhglocken, Schokolade mit – und einen zweiten Vertrag. Für den Bruder. «Der wusste gar nichts davon. Der war gar nicht da», sagt Rufer und lacht. Am nächsten Tag habe er ihm gesagt: «Du kommst jetzt mit nach Zürich.» «Mit dem Vertrag für meinen Bruder konnte ich nicht mehr Nein sagen.»

Wynton Rufer spielt im Militärtenue Fussball auf einem Feld, 21. Oktober 1987. Dynamische Pose beim Balltreten.

Unterschrieben wird um vier Uhr morgens. Der FCZ hat natürlich das ganze Nachtessen bezahlt – auch für die fünf Freunde, die Rufer spontan zum Treffen mitnahm.

Einer, der kiffte und Frauen nachstellte, sagt der FCZ-Masseur

Seine Zeit in der Schweiz ist geprägt von vielen Toren, Discobesuchen, Aufregern. Und auch von der Rekrutenschule. In seiner Zeit beim FCZ bekommt Rufer den Schweizer Pass – und wird ins Militär berufen. «Danach habe ich kaum mehr gespielt und keine Tore mehr gemacht.» Unter der Woche Dienst, am Wochenende keine Energie, der FCZ rutscht ohne seinen Toptorschützen in der Tabelle ab.

Sportlich wird es unruhiger. Rufer spielt die WM-Qualifikation mit Neuseeland – ohne Einverständnis des FCZ. Es gibt noch keine koordinierten Länderspielpausen. Hinzu kommt ein neuer Trainer: Hermann Stessl. Das Verhältnis ist bald zerrüttet. Rufer wird suspendiert. Der damalige FCZ-Masseur Hermann Burgermeister beschreibt den Stürmer in seinem Buch als einen, der kiffte, Frauen nachstellte oder auch einmal über ein Wochenende nach Ibiza reiste und dem Club meldete, er sei krank.

Rufer wechselt für anderthalb Jahre zum FC Aarau. Ottmar Hitzfeld lockt ihn. Wie auch später zu GC. Zwischen dem FCZ und Aarau wäre aber fast schon Gladbach gekommen. Rufer reist nach Deutschland, übernachtet im Haus des damaligen Trainers Jupp Heynckes, hat ein Probetraining – und überzeugt. Der Vertrag liegt bereit. FCZ-Präsident Sven Hotz verlangt zwei Millionen Franken, Gladbach bietet 800’000 D-Mark, umgerechnet etwa 500’000 Franken. Der Wechsel platzt. So erzählt es Rufer.

Er geht später trotzdem nach Deutschland – zu Werder Bremen. Trifft dort auf Otto Rehhagel. «Weltklasse. Ein sensationeller Typ.» Bremen wird Meister, gewinnt den DFB-Pokal, Rufer trifft im Final, wird Torschützenkönig und Werder siegt im Europapokal der Pokalsieger. «Ich kriege heute noch Einladungen aus Bremen.»

Nach sechs Jahren zieht es ihn weiter. Nach Japan – die J-League lockt. Pierre Littbarski ist da, Gary Lineker auch. Thomas Bickel spielt in Kobe. «Das Geld war Wahnsinn – alles netto. Die zahlten alle Steuern. Das war Wahnsinn.»

Wynton Rufer und Wilfried Lemke feiern den Sieg der Werder Bremen im Europapokal der Pokalsieger 1992 im Estadio da Luz, Lissabon.

Es folgt ein halbes Jahr bei Kaiserslautern, nochmals unter Rehhagel. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga ist Schluss: Seine Frau will nicht in Deutschland bleiben. «Sonst wäre ich nochmals deutscher Meister geworden. Meine Frau hat mir einen weiteren Bundesligatitel geklaut», sagt Rufer – und lacht.

Eigene Fussballakademie in Auckland

Nach zwei Jahren Pause heuert er 1997 als Spielertrainer in Neuseeland an. Er wird zweitbester Torschütze. Und schiesst eines der schönsten Tore seiner Karriere. «Die sind alle so blöd, die haben keine Ahnung, schlechte Fussballer», sagt er über die damaligen Gegner, wieder lachend. Das Tor ist ihm noch ganz genau im Kopf. Seine Auckland Kingz spielen gegen die Newcastle Breakers. «Die Flanke kommt hinter mich. Ich drehe mich um 270 Grad, linker Fuss, Volley – Tor des Jahres.» Er buchstabiert: «K. I. N. G. Z. Wynton Rufer. Gibt es auf Youtube!» Später seien gar Wissenschaftler gekommen, um ihn zu fragen, wie er das gemacht habe. Seine nächste wilde Episode.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Rufer bleibt in Neuseeland, heute betreibt er in Auckland eine Fussballakademie. «Ich musste zuletzt viele Interviews geben», sagt Rufer. Der Neuseeländer Chris Woods, heute Toptorschütze von Nottingham Forest, dem Überraschungsteam der Premier League, hat sieben Jahre in Rufers Akademie gelernt.

Auch bei der Fifa ist Rufer lange engagiert, zusammen mit grossen Namen wie Johan Cruyff, Franz Beckenbauer, Bobby Charlton und Pelé. «Wir waren alle im selben Football Committee. Jedes Jahr mindestens zweimal ein Treffen.» Etwas Stolz mischt sich in die Stimme.

Rufer unterbricht seinen angefangenen Satz. «Siehst du da?» Er lacht, zeigt auf sein Shirt. Auf der linken Brust steht: Pelé. Das grosse Vorbild? «Pelé im normalen Leben. Und Jesus.» Im ersten Wiederholungskurs des Militärs lernte er ein Mitglied der Heilsarmee kennen, der ihn zum Glauben brachte – und damit auch weg von den Eskapaden.

Sein Herzstillstand schockt die Familie

In seiner Zeit in der Schweiz heiratet Rufer seine Partnerin Lisa, mit der er zwei mittlerweile erwachsene Söhne hat. 2019 steht die Familie unter Schock. Rufer erleidet auf offener Strasse einen Herzstillstand. Schnelle Erste Hilfe verhindert seinen Tod.

Während seiner Erzählung rückt er den Stuhl nach hinten und streckt seine strammen Waden in die Kamera seines Laptops. Das Bild ist verpixelt, zu erkennen ist wenig.

Rufer gibt nicht auf, zieht seine kurzen Hosen etwas hoch und zeigt auf seinen Oberschenkel. «Siehst du, da?», er deutet auf zwei Streifen, die noch etwas weisser sind als sein schon eher blasser Teint. «Hier haben sie Haut weggenommen. Für die Verbrennungen an der Wade.» Dies sei beim Reanimieren passiert, durch den Einsatz des Defibrillators.

Seine nüchterne und leicht süffisante Analyse: «Glück, dass ich überlebt habe. Schlecht, dass ich diese Verbrennungen hatte.» Heute, sechs Jahre später, geht es Wynton Rufer bestens.

In regelmässigen Abständen porträtieren wir die Zürcher Fussballidole von damals. Über wen würden Sie gern einen Text lesen? Teilen Sie uns Ihre Vorschläge über marcel.rohner@tamedia.ch oder loris.brasser@tamedia.ch mit.