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Der Fall Sandro Tonali
Er war süchtig, schockte die Nation – nun ist Italiens Fussballjuwel zurück

Sandro Tonali von Newcastle United applaudiert den Fans nach dem Premier-League-Spiel gegen Brentford im St. James’ Park, Newcastle.
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In Kürze:
  • Tonali wurde wegen illegaler Sportwetten für zehn Monate vom Fussball ausgeschlossen.
  • Der Mittelfeldspieler verzichtete während seiner Therapie sieben Monate aufs Handy.
  • In einer englischen Fabrik half er spielsüchtigen Arbeitern mit seiner Geschichte.
  • Nach überstandener Spielsucht glänzt Tonali wieder bei Newcastle United.

Spielsucht, illegale Wetten und polizeiliche Ermittlungen: Es war ein Herbstnachmittag im Oktober 2023, als eine Nachricht den italienischen Fussball wie ein Schlag in die Magengrube traf. Sandro Tonali, das grosse Mittelfeldtalent, wurde für knapp ein Jahr gesperrt. Der Fall weckte Erinnerungen an den «Calciopoli-Skandal» von 2006, bei dem Juventus Turin wegen Spielmanipulationen den Zwangsabstieg hinnehmen musste. Zusammen mit Nicolò Fagioli und Nicolò Zaniolo wurde Tonali verdächtigt, auf Fussballspiele gewettet zu haben – eine Praxis, die in Italien als Fussballer illegal ist.

Während Zaniolo straffrei davonkam, weil er zwar auf illegalen Plattformen gewettet hatte, jedoch nicht auf Sportereignisse, und Fagioli nur mit einer siebenmonatigen Sperre belegt wurde, traf es Tonali härter: Er wurde für zehn Monate ausgeschlossen. Fagioli gab zudem an, dass ihm Tonali geholfen habe, eine illegale Wett-App auf sein Handy zu laden. Das Urteil fiel für Tonali aber trotzdem relativ mild aus, da er mit den Ermittlern kooperierte und nur auf Siege seiner eigenen Vereine (Brescia und Milan) gewettet hatte. Dies bewahrte ihn vor dem Vorwurf, dass er womöglich Sportbetrug begangen habe.

Besuch beim Psychologen statt Teilnahme an der EM

Für den damals 23-Jährigen stellte die Sperre nicht nur eine persönliche Tragödie dar, sondern auch einen grossen Rückschlag in seiner sportlichen Karriere. Der Wechsel von Milan zu Newcastle im Sommer 2023, der ihn mit einer Ablösesumme von 70 Millionen Euro (inklusive Boni) zum teuersten Italiener der Fussballgeschichte machte, war kurz vor dem Skandal erfolgt. Auch in der Nationalmannschaft sollte der Regisseur aus der Lombardei eine zentrale Rolle spielen.

Sandro Tonali feiert sein Tor für Italien im UEFA Nations League Viertelfinale gegen Deutschland in Mailand.

Aufgrund seiner Frisur und seiner Spielübersicht wurde er häufig mit Andrea Pirlo verglichen, seine physische Präsenz und kämpferische Einstellung erinnerten an den in Italien nicht weniger populären Gennaro Gattuso. Doch anstelle von grossen Auftritten in der Premier League und einer Teilnahme an der Europameisterschaft 2024 fand sich Tonali in psychologischer Behandlung wieder – eine Massnahme, die ihm vom italienischen Fussballverband auferlegt wurde, nachdem er sich zusammen mit Fagioli als spielsüchtig geoutet hatte.

Der Weg zur Heilung: Therapie und Selbsthilfe

Tonali äusserte sich nun im Podcast «Cronache di Spogliatoio» zu seiner Therapieerfahrung und dem Umgang mit seiner Sucht. Zu Beginn ging er viermal in der Woche zum Psychologen. Medikamente durfte er aufgrund der Anti-Doping-Regeln nicht zu sich nehmen. Um sich mental zu entlasten, verzichtete er sieben Monate lang auf sein Handy und konsumierte keine Medien. Einzige Ausnahme: die Spiele von Newcastle. Die Trainingszeiten wurden auf das Handy der Freundin geschickt. Wenn er mit seiner Familie in Kontakt treten wollte, geschah dies ebenfalls über sie, die mittlerweile seine Verlobte ist.

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Während seiner Therapie traf Tonali auf einen italienischen Unternehmer, der eine grosse Fabrik in England besitzt. «Er beschäftigt mehr als tausend Mitarbeitende», erzählt er, «und einige von ihnen sind spielsüchtig. Er bat mich, die Fabrik zu besuchen. Viele dieser Arbeiter verdienten rund 1700 Pfund im Monat (1830 Franken), die zu einem Grossteil bereits am nächsten Tag wieder verspielt waren – darunter auch Familienväter.»

Tonali berichtete, wie er vielen dieser Arbeiter die Augen öffnete und er ihnen Tipps gab, wie sie ihre Spielsucht überwinden könnten. «Ich möchte es nicht mit dem Papst vergleichen, aber sie sahen in mir jemanden, der es geschafft hat, aufzuhören.» Noch heute erhält er Nachrichten, in denen ihn Menschen um Hilfe bitten. «Ich kann nicht für alle da sein, da es zu viele Anfragen sind. Aber die Erfahrungen, die ich in dieser Fabrik gemacht habe, haben mich stark geprägt.»

Schulbesuch als Schicksalsmoment

Zu Tonalis weiteren Auflagen gehörte eine Reihe von Besuchen an Schulen, um mit Kindern über seine Erfahrungen zu sprechen. Dass er in dieser Funktion auch an seine Grenzen stiess, weil er nicht allzu viel ausrichten konnte, zeigte ein Besuch im süditalienischen Bari. «Ich traf einen 15-jährigen Jungen und hörte ihm genau zu. Er verwendete Begriffe, die man nur kennt, wenn man viel mit Glücksspiel zu tun hat. Als er mich um ein Foto bat, stellte ich ihm konkrete Fragen. Sein Blick sagte mir: ‹Du hast mich erwischt›.» Tonali betont, dass er den Jungen nicht blossstellen wollte, doch in seinen Augen habe er eine Reaktion auf seine Worte bemerkt. Er habe den Jungen danach nie wieder getroffen.

Tonali kritisiert die fehlenden Hürden, um heutzutage ins Glücksspiel einzusteigen. «Alles, was man braucht, ist ein bisschen Geld – vielleicht eine Karte. Leider ist es heutzutage nicht schwer, in das Glücksspiel einzutauchen.» Die vielen Werbungen von Glücksspielanbietern gerade in den sozialen Medien und an Sportveranstaltungen seien für junge Menschen zudem auch sehr verführerisch.

Rückkehr auf den Platz für Newcastle und Italien

Mittlerweile ist Tonali auch sportlich zurück in der Spur. Auf dem Fussballplatz brilliert er für Newcastle und gehört zu den unbestrittenen Stammspielern der «Magpies». Zuletzt gewann er den League Cup und traf in der Premier League sehenswert gegen Brentford.

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Auch in die Squadra Azzurra hat sich der 24-Jährige zurückgekämpft. Trainer Luciano Spalletti setzt wieder fix auf ihn. Sein grösster Traum bleibt es, mit Italien Weltmeister zu werden. Nach der verpassten Europameisterschaft wird er alles daran setzen, beim Turnier 2026 in den USA, Kanada und Mexiko zu glänzen.

Nervös machen lässt sich Sandro Tonali davon nicht. Er hat schon ganz andere Herausforderungen gemeistert.

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