Nächstes Kapitel im WettskandalEr war Italiens Hoffnung, nun wird Sandro Tonali lange gesperrt
Die stolze Fussball-Nation setzte auf den 23-Jährigen, er sollte sie zurück zu Glorie führen. Jetzt wird ihm seine Spielsucht zum Verhängnis – selbst die EM ist gelaufen.
Gerade war Sandro Tonali noch ein Wunderkind, geküsst von der Fortüne aller Götter, rundum bejubelt, Hoffnungsträger der Azzurri – ach was: die Garantie für baldige Glorie. Mit 23 Jahren. Den saudischen Besitzern von Newcastle war der Norditaliener im Sommer siebzig Millionen Euro plus Bonus wert, gerundet: 80 Millionen.
In Italien nennt man ihn seither «Mister 80 milioni». Und wenn man die Berichte aus dem Norden Englands richtig deutet, dann brauchte Tonali nur ein paar Spiele, um sich auch dort in die Herzen der Fans zu spielen, wie davor schon bei der AC Milan, seinem Leibsverein, wo man eigentlich in einer romantischen Anwandlung gedacht hatte, er würde den Farben für ewig treu bleiben. Doch wer mag schon lamentieren bei 80 Millionen Euro?
Nun ist alles anders. Nach einer schnellen Sequenz von Ereignissen steht Tonali bereits vor seinem ganz persönlichen Saisonende. Nicht wegen einer Verletzung, wie das im Sport vorkommt. Sondern wegen illegaler Wetten auf den Sport, in dem er selbst aktiv ist.
Wie der stets gut informierte Fussballinsider Fabrizio Romano am Mittwochnachmittag bereits mitteilte, wird der italienische Fussballverband den Mittelfeldspieler für zehn Monate sperren: Tonali hat regelwidrig auf Fussballspiele gesetzt.
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Der italienische Verband bestätigte diese Sperre am Donnerstagmittag. Zudem muss sich Tonali nach einer Vereinbarung zwischen dem Sportgericht des italienischen Verbandes (FIGC) und seinen Anwälten über einen Zeitraum von acht Monaten einer Therapie unterziehen, wie FIGC-Präsident Gabriele Gravina mitteilte.
Eigentlich steht auf dem Verstoss eine viel höhere Strafe: nämlich «mindestens drei Jahre Sperre», so steht es im Reglement. Doch Tonali hat sich selbst angezeigt, kaum hatte ihn die Polizei über die Ermittlungen der Turiner Staatsanwaltschaft informiert. So konnte er seine Position markant verbessern, mit einer Flucht nach vorne also. Leugnen hätte ohnehin nichts gebracht, die Indizien waren in seinem Fall offenbar besonders erdrückend. Tonali gestand seine Spielsucht ein, von der er sich heilen wolle. Und er erzählte den Ermittlern von der Praxis auf diesen illegalen Plattformen.
Milde Strafe trotz Wetten auf den eigenen Club
Die Zusammenarbeit mit der Sportjustiz gereicht ihm jetzt zu diesem milden Vergleich. Mild nimmt sich die Sperre auch deshalb aus, weil Tonali im Gegensatz zu Nicolò Fagioli von Juventus Turin, der eine Sperre von sieben Monaten aushandeln konnte, auf Spiele jener Vereine gewettet hat, für die er selbst aktiv war: auf Brescia und auf Milan also. Allerdings, so beteuerte er es vor den Ermittlern, wettete er nur auf Siege seiner Vereine. Das bewahrt ihn vor dem noch viel gravierenderen Vorwurf, er habe womöglich Sportbetrug begangen.
Doch die Saison seines hoffnungsfrohen internationalen Durchbruchs ist vorbei. Denn eine solche Sperre gilt europaweit, gegenfirmiert vom europäischen Fussballverband (Uefa): Sie weitet sie sich auch auf die Premier League aus, auf die Champions League und, sollte das für Italien überhaupt ein Thema werden: für die Europameisterschaft in Deutschland.
Da Newcastle am Mittwoch in der Königsklasse Dortmund empfing, wollte man in Italien möglichst vor Spielbeginn den erzielten Deal präsentieren und so verhindern, dass die Engländer Tonali noch einmal einsetzen. Doch dieses Vorhaben konnte in dieser knappen Zeit nicht mehr umgesetzt werden. Tonali begann als Ersatz und wurde in der 65. Minute eingewechselt. Weil es in dem Verfahren nur noch um Einzelheiten geht, war sein Einsatz eine unziemliche Forcierung.
Tonali wurde am Wochenende im Spiel Newcastles gegen Crystal Palace noch eine Herzung der Anhänger gewährt: Er wurde in der 69. Minute eingewechselt, unter Applaus. Am Ende durfte er sogar noch eine Ehrenrunde drehen – ein kleiner Abschied. In Italien gab es darauf sarkastische Kommentare, weil er bei seiner Runde vor Werbetafeln von Wettbüros posierte.
Überhaupt sind die Gemüter in dieser Affäre stark gespalten. Es stehen sich zwei Denkschulen gegenüber: die, die finden, diese reichen, jungen Fussballer seien einfältige Schnösel, wenn sie sich ihres Glücks nicht gewahr seien und ihr Schicksal verspielten; und jene, die sagen, schliesslich sei das Wetten in Italien weit verbreitet, es sei deshalb nur bigott, wenn man nun wieder empört sei, dass auch die Fussballer wetteten.
Corona angezeigt: Zwei Spieler wehren sich
Laut ist die Kontroverse auch um jene schillernde Figur, mit der dieser neue Wettskandal an die Öffentlichkeit geraten ist. Fabrizio Corona, früher Besitzer einer Agentur für Paparazzi und seit seiner Haftentlassung Betreiber des Onlineportals Dillingernews, sieht sich mit zwei Verleumdungsklagen konfrontiert: Stephan El Shaarawy von der AS Roma und Nicolò Casale von Lazio haben Corona angezeigt, weil der sie in seinem langen Reigen von Verlautbarungen des illegalen Wettens bezichtigt hatte – ohne Belege. Die zwei Namen stehen nicht auf der Liste der Verdächtigten.
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