Hermann Burgermeister (76)Nach 42 Jahren FCZ fährt der legendäre Masseur jetzt Uber
Von Köbi Kuhn bis Yassine Chikhaoui massierte er alle: Wie ein überzeugter Junggeselle aus dem Thurgau beim FC Zürich zur Kultfigur wurde – und wie es ihm heute geht.
Hermi? Ja, klar kennen sie Hermi. Jeder im Drüü und im Vieri kennt Hermi. Und Hermi sitzt ja auch schon da im Kafi Ferdinand, nippt an seinem Getränk und wartet auf die Journalisten, die seine Geschichten hören wollen.
Geschichten aus 42 Jahren Fussball, aus 42 Jahren FC Zürich. Hermi ist Hermann Burgermeister, als Masseur und später Materialwart eine Legende im Club. Er knetete die Waden Hunderter Spieler, von Köbi Kuhn in den 70ern bis Yassine Chikhaoui in den 2010ern. 2017, mit 69, hörte er auf. Heute ist er 76 und Uber-Fahrer.
Das Wort Legende wird im Fussball oft gebraucht. Burgermeister mag es nicht. Vor allem nicht an sich selbst. «Hast jetzt du gesagt», antwortet er, wenn jemand sagt, er sei eine. Aber es ist halt schon nicht ganz verkehrt. Roger Berbig, einst GC-Goalie und später Präsident des Clubs, sagte einmal: «Hermann Burgermeister gehört zu Zürich wie das Grossmünster.»
Dabei sagte ihm sein Vater einst, er würde es in Zürich keine zwei Wochen aushalten. Vor 50 Jahren war das, der junge Hermann, in Uttwil im Kanton Thurgau aufgewachsen, hatte zu Hause alles, aber auch schon ein Herz für die Stadt und ihre Clubs, er mag auch den ZSC. «Ich sagte ihm, ich werde es dir beweisen», erzählt er nun. Fortan war er nur noch zu Besuch im Thurgau.
Zuerst arbeitete Burgermeister als Heizungsmonteur, dann als Chauffeur, er hatte in Romanshorn aber auch eine Ausbildung zum Masseur absolviert. Beim Fussballspielen lernte er Timo Konietzka kennen, den damaligen FCZ-Trainer, so kam er zum Club. Als der eigentliche Masseur ausfiel, sprang er ein, zuerst bloss vorübergehend.
Die Spieler aber fanden ihn gut. Kuhn höchstpersönlich ging zu Präsident Edi Nägeli, um sich für Burgermeister starkzumachen. Dabei sei Kuhn gar nicht gern zur Massage gekommen, sagt Burgermeister. Die Waden, die er in seiner Karriere am meisten knetete, waren die von Karl Grob, gemäss der FCZ-Datenbank mit über 700 Einsätzen Rekordspieler des Clubs. Der frühere Goalie verstarb im Frühling 2019, ein paar Monate vor Kuhn.
Es gab nur Platz für eines: Den FCZ
Burgermeister massierte und massierte, erst für 700 Franken monatlich, dann sagte er zu Nägeli, er könne davon nicht leben, verlangte mehr und bekam 1500. Die gelbe Perskindol-Jacke wurde zu seinem Markenzeichen. Ob er gesponsert war? Natürlich nicht. Und ob er je daran gedacht habe, als Werbeträger von Perskindol Geld zu verlangen? Nein, habe er nicht. «Im jugendlichen Leichtsinn», sagt er und lacht.
Wichtig war Burgermeister ohnehin bloss der FCZ, er lebte für diesen Club, war der Erste im Trainingszentrum und der Letzte, der ging. Teilweise kam er nach Auswärtsspielen um 4 Uhr morgens nach Hause, dann schlief er zwei Stunden und machte sich wieder an die Arbeit. Für viel anderes blieb da kein Platz, Burgermeister ist Junggeselle («überzeugter»), eine lange Partnerschaft führte er nie.
Im Lauf der Jahre wurde Burgermeister in der Fussballschweiz zur Kult- und für viele Spieler zur Vaterfigur. Als Jerren Nixons Frau im Triemli lag und ein Kind erwartete, stand Burgermeister beim Training mit Nixons Telefon an der Seitenlinie und wartete auf den wichtigen Anruf. Als Shabani Nonda Schmerzen verspürte, fuhr Burgermeister mitten in der Nacht nach Oerlikon, um ihn zu massieren. Und als Kresimir Stanic mit Alkohol am Steuer schwer verunfallte, war es Burgermeister, der das der Mannschaft mitteilte.
In all den Jahren gab es Geschichten, die Burgermeister zu schaffen machten, viele Spieler öffneten sich ihm auf der Liege. Mit einigen entstanden Freundschaften, eng befreundet war er besonders mit den Granden von früher, Kuhn, Grob oder Heinz Lüdi, den er heute oft noch auf Ibiza besucht. Grob musste er auch mal frühmorgens und nach dem Ausgang aufgabeln und nach Hause bringen.
Der 13. Mai 2006 als Höhepunkt
Burgermeister ging mit dem FCZ durch all die Höhen und Tiefen. Er war dabei an jenem 13. Mai 2006, als Gigi Oeri, die Präsidentin des FC Basel, schon mit dem Meistershirt neben ihm stand, Verteidiger Iulian Filipescu dann aber für einen der bleibendsten Momente im Schweizer Fussball sorgte. Noch in der Kabine versprach Präsident Sven Hotz «allen, die da waren» eine Meisterprämie, Burgermeister sah sie nie. Und doch war es der schönste Moment seiner Karriere, weil der FCZ den Titel gewann, erstmals nach 25 Jahren wieder.
Der traurigste folgte neun Jahre später, der FCZ musste in die Challenge League. Als der Abstieg feststand, versuchten Fans, die Kabine im Letzigrund zu stürmen. Burgermeister sagt, er habe geweint damals. Ein Jahr später, beim Wiederaufstieg, war es nicht Captain Yanick Brecher, der den Pokal in die Luft hob, es war Burgermeister. «Die Mannschaft hat das gewollt», sagt er nur. Für ihn war der Aufstieg eine Genugtuung.
Im Oktober wird Burgermeister 77, er plaudert nicht mehr wie früher und doch sitzt er über eine Stunde im Café im Kreis 3 und erzählt aus seinem Leben. Den FCZ sieht er noch bei Heimspielen, Auswärtsfahrten macht er nicht mehr mit. Manchmal sei ihm langweilig, sagt er, darum fahre er Uber, sieben Tage die Woche, fürs Feriengeld und Ibiza. Noch heute isst er am gleichen Ort wie damals, jeden Mittag, selbst kocht er nicht. Bald zieht er ins Altersheim.
Über Burgermeister ist ein Buch erschienen, er wurde vom Club mehrfach geehrt, war mit ihm in Liverpool, Madrid und Mailand und dabei, als die Zürcher 1968 Pelés Santos bezwangen. Die Fans sangen beim Abschied: «Meister, Burgermeister!» Das genoss Burgermeister, aber er will nicht wie einer wirken, der das Rampenlicht sucht. Tat er auch nie.
Es ging ihm immer nur um den FCZ. Seinen FCZ.
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