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Interview zu den kantonalen Wahlen
«Wut ist ein guter Mobilisator»

«Nun schlägt das Pendel zurück, aber gedämpft»: Politologin Cloé Jans.
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Frau Jans, die SVP hat am Wochenende bei den kantonalen Wahlen stark zulegen können. Was steckt Ihrer Einschätzung nach dahinter?

Vor allem die Themen, die derzeit dominieren: Die Zuwanderung – auch verbunden mit dem Wohnungsmangel – mobilisiert die SVP-Wählerschaft. Bemerkenswert finde ich aber auch etwas anderes.

Was?

Trotz der geopolitisch und wirtschaftlich extrem turbulenten Zeiten herrscht eine relativ grosse Stabilität. Klar: Es hat am Wochenende einen Rechtsrutsch gegeben. Aber keine monumentalen Umwälzungen. 2019 kam es zu viel stärkeren Verschiebungen. Nun schlägt das Pendel zurück, aber gedämpft. Dies sieht man etwa bei den Grünen: Sie haben 2019 drei Schritte nach vorne gemacht, jetzt machen sie einen zurück. Bei der SVP ist es umgekehrt.

Kann die SVP auch von der CS-Krise profitieren?

Eine Umfrage, die wir für die SRG machten, zeigt: Man schreibt den bürgerlichen Parteien in dieser Sache keine grosse Glaubwürdigkeit zu – auch der SVP nicht. Die politische Empörung ist aber an den politischen Polen links und rechts besonders hoch. Und Wut ist bekanntlich ein guter Mobilisator. Gut möglich, dass dadurch SVP-Sympathisanten wählen gingen, die vor vier Jahren noch darauf verzichtet hatten.

«Stabil bleiben ist für die SP durchaus ein Erfolg, wenn Sie die langfristige Entwicklung anschauen.»

Cloé Jans

Deutlich verloren hat am Wochenende die FDP. Muss sie fürchten, dass ihr die SVP einen Teil der Wählerinnen und Wähler wegschnappt?

Das kann durchaus sein, aber nicht im grossen Stil. Denn die Wechselströme von und zur SVP sind relativ gering. SVP-Sympathisanten wählen entweder diese Partei oder gar nicht. Alle anderen wählen kaum je SVP. Für die Volkspartei entscheidend ist also die Mobilisierung.

Ist es vor diesem Hintergrund erfolgversprechend, wenn die SVP versucht, die Schuld für die CS-Krise der FDP in die Schuhe zu schieben?

Das ist eine geschickte Strategie, um die eigene Basis zu mobilisieren. Diese ist nämlich nicht nur gegenüber der politischen Elite kritisch eingestellt, sondern auch gegenüber Grosskonzernen.

Dasselbe sollte eigentlich der SP gelingen mit ihrer konzernkritischen Wählerschaft. Ihr Wahlerfolg hielt sich am Wochenende aber in Grenzen. Sind Sie überrascht?

Immerhin blieb die SP stabil.

Wäre angesichts der CS-Krise und des Wohnungsmangels nicht mehr zu erwarten?

Stabil bleiben ist für die SP durchaus ein Erfolg, wenn Sie die langfristige Entwicklung über mehrere Jahrzehnte anschauen. Die grossen Volksparteien sind im Niedergang, während kleine Bewegungsparteien aufkommen. Dies beobachtet man nicht nur in der Schweiz.

Auch die Grünen müssen sich Sorgen machen: Nachdem sie bis 2021 fast alle kantonalen Wahlen gewonnen haben, verlieren sie jetzt – im nationalen Wahljahr – ausnahmslos. Ihre Erklärung?

Auch dies ist der Themenkonjunktur geschuldet. Das Klima bleibt zwar eine der grossen Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer. Aber es gibt jetzt andere Prioritäten wie die Versorgungssicherheit, die in Konkurrenz dazu treten. Man kann von Klima 2.0 sprechen: Wie kann man nachhaltig und gleichzeitig wirtschaftsfreundlich sein?

Die Grünliberalen können im Gegensatz zu den Grünen weiterhin zulegen.

Sie sind geradezu die Verkörperung von Klima 2.0 – nachhaltig und wirtschaftsfreundlich gleichzeitig. Entsprechend gut läuft es ihnen bei den kantonalen Parlamentswahlen. Hingegen bekunden sie Schwierigkeiten, in die Regierungen zu kommen.

«Politiker spalten sich von ihrer Volkspartei ab und gründen ein eigenes Mouvement – etwa Pierre Maudet.»

Bleibt noch Die Mitte. Sie möchte ja eigentlich in den Städten gewinnen, verliert nun aber in Genf 2,8 Prozentpunkte. Muss Parteipräsident Gerhard Pfister über die Bücher?

Auch Die Mitte leidet unter dem Trend weg von den etablierten Volksparteien. Kommt hinzu, dass Die Mitte ja aus der CVP und der BDP hervorgegangen ist. Meistens kommen fusionierte Parteien unmittelbar nach der Fusion nicht auf die addierten Stimmen der früheren Einzelparteien. Die Mitte kommt dem aber relativ nahe. Ihre Bundeshausfraktion schaffte es in einer krisengeprägten Legislatur insgesamt jedoch bisher nicht, thematisch grosse Pflöcke einzuschlagen.

Was ist Ihnen an den kantonalen Wahlen vom Wochenende sonst noch aufgefallen?

Der Trend zu neuen Bewegungen. Wie in Frankreich und Italien ist dies jetzt auch in Genf und im Tessin zu beobachten: Politiker spalten sich von ihrer Volkspartei ab und gründen ein eigenes Mouvement – etwa Pierre Maudet. Das ist spannend und treibt die Zersplitterung des Parteiensystems weiter voran.