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Meinung

Mamablog: Kindheitserinnerungen
Woran unsere Kinder wohl zurückdenken werden?

Abenteuerliche Ferienerlebnisse, besonders emotionale Momente oder doch hauptsächlich kleine Alltäglichkeiten – was bleibt am ehesten haften? 
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Ein oranger Zahnbecher mit Mäusegesicht.

Dieser lange Nachmittag, an dem ich stundenlang Ameisen in ein Sandkesseli zu locken versuchte.

Das improvisierte Kino im Kirchgemeindehaus.

Die Spinnen an den hölzernen Wänden einer Walliser Ferienwohnung.

Wenn ich an meine frühe Kindheit denke, an die Zeit, bevor ich zur Schule ging, tauchen nur wenige und scheinbar zufällige Erinnerungsschnipsel auf. Natürlich weiss ich auch noch, dass ich zu Weihnachten einmal ein Bäbi-Wägeli bekam oder wie ich die ersten Male auf den Skiern herumrutschte. Aber davon gibt es Fotos. Und sobald Bilder oder Erzählungen der Eltern im Spiel sind, kann man sich ja nie sicher sein, ob man nicht eigene mit «Second Hand»-Erinnerungen vermengt oder aus letzteren (vermeintlich) eigene erst gänzlich kreiert – etwas, das in unserem Kopf gern passiert.

Warum ausgerechnet diese Dinge?

Vom Mäusezahnbecher gibt es kein Foto. Auch meine Jagd auf Ameisen, das Kino in der Kirche und die Spinnen an den Wänden waren zu unbedeutend, als dass man sie fotografisch festgehalten oder in die familiäre Sammlung mündlicher Überlieferungen aufgenommen hätte. Ich bilde mir daher ein, dass sie tatsächlich eigene, frühe Erinnerungen sind. Und frage mich, warum ich ausgerechnet – von allen Dingen – sie abgespeichert habe.

Was in unserer Erinnerung hängen bleibt, sei kein Zufall, heisst es. Gerade emotionale Momente sollen am stärksten haften bleiben. Besonders, wenn wir sie als negativ empfinden. Dazu gibt es zwar in meinem inneren «Album» ebenfalls dies und das. Der kranke Dackel meiner Grossmutter etwa, oder die strenge Lehrerin, die mir mein Zeichenheftli wegriss und an die Wand warf, weil Rechnen auf dem Plan stand. Doch beides gehört in eine Zeit, in der ich bereits etwas grösser, mein Erinnerungsvermögen wohl anders gefestigt war. Die «Bilder» von davor dagegen… Na ja, es muss doch Hunderte andere, auch relevantere Dinge gegeben haben, die sich stattdessen in meinem Kopf hätten festgraben können.

Wirklich schöne Momente aufbewahren

Dies lässt mich wundern, was unsere Kinder einmal aus ihren frühen Jahren abrufen können. Sind es, wie vielleicht eher zu vermuten, die grossen, schwierigeren Emotionen? Der Schlüsselbeinbruch in den Ferien? Der traurige Tod unseres ersten Büsis? Oder werden sich auch – oder gar stärker – Momente und Dinge von vordergründig unbedeutender Alltäglichkeit in ihre Köpfe einbrennen? Wie dieser eine Zahnbecher, von dem ich als ihre Mutter nicht einmal mehr wissen werde, dass es ihn gab? (So geht es meiner Mutter heute mit dem Mäusebecher von damals, wie ich auf Nachfrage erfuhr.)

Vielleicht wird es nicht der Freizeitpark sein, die Hüpfburg oder der Geburtstagskuchen, aus denen sich unsere Kinder einmal das Bild ihrer frühen Jahre zurechtzimmern.

Auch wenn man sich wünscht, die Kinder könnten vor allem schöne und bedeutende Momente «aufbewahren»: Manchmal finde ich die Zufälligkeit meiner frühen Erinnerungen auch entlastend. Da sind also Fragmente von Spinnen auf einer Holzvertäfelung. Aber keine Kindergeburtstagsfeste, keine Abenteuerspielplatzbesuche, kaum klassische Ferienerlebnisse – obwohl auch diese Dinge alle stattgefunden haben. Und selbst wenn Ameisenjagden und lustige Zahnbecher eine dünne Beweislage für eine zufriedene Kindheit bilden: Ich glaube, sie war doch eigentlich recht gut. Nur basiert dieses Gefühl eher auf einer Art Soundtrack im Hintergrund. Es lässt sich nicht an diese oder jene erinnerte Begebenheit festnageln.

Der Soundtrack der Kindheit

Vielleicht wird es also auch nicht der Freizeitpark sein, die Hüpfburg oder der Geburtstagskuchen (den man damals spätabends glaubte, noch backen zu müssen), aus denen sich unsere Kinder einmal das Bild ihrer frühen Jahre zurechtzimmern. Das hiesse dann auch, dass dieses Bild gar nicht so davon abhinge, wie erfolgreich man war bei der Verfolgung des im Elternkopf doch immer schwelenden Wunsches: ihnen einen vor Ereignissen glitzernden Alltag zu bescheren. Das nimmt doch zumindest organisatorischen Druck.

Wie aber wird ihr Kindheits-Soundtrack denn dann zur schönen Komposition? Der Weg dahin ist wohl ähnlich individuell, nicht rundum beeinflussbar und schwer zu greifen, wie die Entstehung der Musik im eigenen Kopf – oder die Antwort auf die Frage, auf welchen vergessenen Zwischentönen sie basiert. Denkbar, dass es meinem Hirn schlicht einfacher gefallen ist, sich an diesen ja doch recht konkreten Zahnbecher zu erinnern. Mit Griffen übrigens, die Ohren waren. Geschenkt hatte ihn mir meine Mutter und ich fand ihn einfach toll. Nur manchmal bin ich heute nicht mehr sicher, ob die Maus nicht doch ein Elefant war.

Da fällt mir ein, ich könnte den Kindern mal neue Zahnbecher kaufen.