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Meinung

Replik zur Biodiversität
Wölfe? Nein, Schafe schaden der Pflanzenvielfalt

Massnahmen, die zum Schutz vor dem Wolf ergriffen werden, lassen die Schafsömmerung ökologisch verträglicher werden: Schafe werden von Grindelwald zur Bäregg hinaufgeführt.
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Das gute Schaf hilft der Biodiversität, indem es Blüemliwiesen schafft? Und der böse Wolf gefährdet diese Biodiversität wieder? Das hat Felix Jauch von der Vereinigung zum Schutz von Jagd- und Nutztieren vor Grossraubtieren in der Zentralschweiz in einem Gastbeitrag behauptet. 

Doch so einfach ist es nicht! Zunächst gilt es, das Fressverhalten von Schafen zu verstehen: Schafe sind Feinschmecker. Sie suchen die besten Kräuter und Gräser und fressen diese besonders gründlich ab. Wenn man sie lässt, gehen sie dem frischen Gras nach, und dieses befindet sich im Sommer in den höchsten Lagen.

Den Schafen mag ich die feinen Kräuter ja gönnen, doch für die botanische Vielfalt ist dieses Weideverhalten leider negativ. Botaniker bestätigen, dass Schafweiden verhältnismässig artenarm sind. Ebenso ist bekannt, dass Schafe bevorzugt an exponierten, windigen Lagen übernachten, weil es dort am wenigsten lästige Insekten gibt. Leider sind genau an diesen Lagen besonders empfindliche Vegetationstypen vorhanden. 

Das Herdentier Schaf will sich aufgrund seines Herdentriebes partout nicht gleichmässig verteilen.

Frei weidende Schafe wären ökologisch nur dann verträglich, wenn sie sehr wenige wären und sich gleichmässig im Weidegebiet verteilen würden. Beides entspricht leider nicht der Realität: Die ökonomischen Sachzwänge in der Landwirtschaft führen dazu, dass grosse Herden geschaffen werden. Und das Herdentier Schaf will sich aufgrund seines Herdentriebes partout nicht gleichmässig verteilen. Darum sind frei in den Alpen weidende Schafe leider nie förderlich für die Biodiversität. 

Dazu kommt: Die meisten Schafalpen liegen hoch, sehr hoch. Nämlich oberhalb der natürlichen Waldgrenze. Dort liegen alpine Wiesen, die auch ohne Beweidung alpine Wiesen bleiben. Dass alles verbuscht und vergandet, sobald die Schafe weg sind, ist ein Märchen.

Damit Schafe für die Biodiversität wirklich förderlich sind, müssen sie konsequent geführt werden: Die Weidedauer muss begrenzt werden (nicht zu kurz, nicht zu lang), die Schlafplätze sind gezielt zu wählen, auch Altgrasbestände müssen beweidet werden, die empfindliche Pioniervegetation muss von der Beweidung ausgenommen werden. All das machen Schafe leider nicht freiwillig. Dazu braucht es Fachkräfte, seit Jahrtausenden bekannt als Hirten. Und für deren Rückkehr hat erst der Wolf gesorgt. Denn geht der Wolf, geht mit ihm auch der Hirte. 

Im 20. Jahrhundert weideten Schafe weitgehend frei und unkontrolliert in den Bergen. Erst der Wolf brachte ein Umdenken. Weideten vor 20 Jahren noch 60 Prozent der Schafe völlig frei und unkontrolliert in den Alpen – mit den bekannten negativen Folgen für die Biodiversität –, sind es heute lediglich noch 16 Prozent. Die übrigen Schafe sind mittlerweile behirtet und eingezäunt. Diese Massnahmen, die eigentlich zum Schutz der Schafe vor dem Wolf ergriffen werden, schaffen zugleich die Voraussetzung, dass die Schafsömmerung ökologisch verträglicher wird. 

Die treibende Kraft hinter dieser positiven Entwicklung ist zweifelsfrei der Wolf. Ohne ihn wäre die Behirtung und Einzäunung der Schafe nie in diesem Ausmass vorangetrieben worden. Ihn für den Biodiversitätsverlust verantwortlich zu machen, entspricht nicht den Tatsachen. Der Wolf ist vielmehr ein Förderer der Biodiversität im Berggebiet, indem er einen notwendigen Strukturwandel vorantreibt. Die Zeit der Schaf-Romantik ist vorbei.

David Gerke ist Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz, Schafzüchter und langjähriger Schafhirt z Alp im Wallis und in Graubünden.