Gastkommentar Wölfe schaden der Pflanzenvielfalt und dem Klima
Blumenreiche Alpweiden machen rund ein Drittel aller Weideflächen in der Schweiz aus. Gehen diese Rückzugsorte für bedrohte Insekten, Schmetterlinge, Kleintiere und viele seltene Vogelarten verloren, dann erleidet das Ökosystem einen irreparablen Schaden.
Unsere Vorfahren hegten und pflegten die Alpweiden und förderten so unsere unvergleichlich schöne und vielfältige Alpenflora. Schafe und Ziegen helfen mit, diese ökologisch wertvollen Lebensräume zu erhalten. Und in Zeiten des Klimawandels stellt sich sogar heraus, dass diese Weiden nicht nur für die Biodiversität, sondern auch für das Klima ein Segen sind.
Neueste Forschungsarbeiten zeigen, dass der Boden unter artenreichem Wiesland wesentlich mehr CO₂ bindet als Waldbäume und deren Untergrund. Insgesamt speichern Böden laut Professor Rob Jackson von der Stanford University weltweit mehr Kohlenstoff als die gesamte pflanzliche Biomasse. Und in Böden kann Kohlenstoff über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende verbleiben, wohingegen das CO₂ aus Pflanzen nach deren Absterben wieder in die Atmosphäre gelangt. Wenn Wiesland in Wald übergeht, entweicht eine grosse Menge CO₂ aus dem Boden. Je nach Studie binden Wiesenböden zwischen 8 Prozent und 55 Prozent mehr CO₂ als Waldböden.
Forscher von Alpfor – einer Forschungsgruppe am Botanischen Institut der Universität Basel – fanden, dass Grünerlen jährlich über 1000 Hektaren aufgegebener Alpen überwuchern. Diese invasive Art ist besonders schädlich, denn das meterhohe dichte Gebüsch reduziert die Pflanzen- und Insektenvielfalt um über 50 Prozent, verbraucht 20 bis 25 Prozent mehr Wasser als Blumenwiesen und gibt zudem Lachgas an die Umwelt ab. Die Messungen der Forscher zeigten eine 35-mal höhere Emissionsrate an Lachgas als bei Wiesland. Dieses Treibhausgas ist rund 300-mal schädlicher als CO₂. Nicht zuletzt, so stellten die Forscher fest, bieten die Grünerlen auch keinen Lawinen- oder Erosionsschutz. Ihr Mehrverbrauch an Wasser führt zur Wasserreduktion in Flüssen und damit auch zu einem Rückgang bei der Energiegewinnung mit Wasserkraftanlagen.
Um bestehende Alpwiesen zu erhalten, braucht es wieder mehr frei weidende Schafe und Ziegen, keine Wölfe oder Bären.
Wie verschiedene Versuche von Alpfor zeigten, ist die Entfernung der Grünerlen schwierig. Das Abschneiden fördert ihr Wachstum sogar noch. Die Büsche sterben jedoch ab, wenn Engadinerschafe die Rinde der austreibenden Erlen frühzeitig im Jahr abfressen. Eine elegante und kostengünstige Methode, um grosse Flächen zugunsten des Klimas und der Biodiversität zurückzugewinnen.
Im Sommer weiden kleine Wiederkäuer vorwiegend in der Nacht. Um die Verbuschung effizient zu bekämpfen, sollten sich die Tiere daher vor allem nachts frei und ungehindert bewegen können. Aktuell werden sie jedoch in enge Nachtpferche gebracht, um ihnen einen vermeintlichen Schutz vor Wölfen zu bieten. Weil die Schafe Tag und Nacht von den Wölfen bedroht und so ihre Gesundheit und ihr Ernährungszustand beeinträchtigt werden, bringen immer mehr Schafhalter ihre Schafe gar nicht mehr auf die Alp oder holen sie von dort frühzeitig zurück. Allein im Wallis wurden seit 2010 schon mehr als 30 Alpen aufgegeben oder anderweitig genutzt.
Um bereits verbuschte Flächen zurückzugewinnen und bestehende Alpwiesen zu erhalten, braucht es wieder mehr frei weidende Schafe und Ziegen, keine Wölfe oder Bären. Es existieren keinerlei wissenschaftliche Belege, welche Grossraubtieren einen positiven Effekt auf die Waldverjüngung attestieren. Ihre Präsenz führt vielmehr zu einer Reduktion der Pflanzen- und Insektenvielfalt und zur Entstehung klimaschädlicher Flächen.
Es wäre Zeit, dass die Natur- und Umweltschutzverbände das Versagen ihrer Grossraubtierpolitik eingestehen und endlich die hier aufgezeigten wirksamen Massnahmen zur Förderung von Biodiversität und Klimaschutz unterstützen.
Felix Jauch ist Vorstandsmitglied der Vereinigung zum Schutz von Jagd- und Nutztieren vor Grossraubtieren in der Zentralschweiz.
Korrektur vom 13.1.2023: In einer früheren Version dieses Artikels stand, die Grünerle sei ein Neophyt. Die Grünerle ist jedoch eine einheimische invasive Art.
Fehler gefunden?Jetzt melden.