Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Fahndung per Gesichtserkennung
Wird die Bundes­polizei zum «Big Brother»? 

Gesichtserkennung ist ein Reizthema: Ein Aktivist fordert ein Verbot der Technologie.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Schon bei der Bekanntgabe des Projekts gab es eine Panne. Der Bundesrat musste Ende Mai seine Medienmitteilung über die Anschaffung von Gesichtserkennungs-Software zurückziehen. Darauf publizierte die Bundeskanzlei eine korrigierte Fassung.

Es geht dabei um Afis, das automatisierte Fingerabdruck­identifikations-System des Bundesamts für Polizei Fedpol. Es dient der Verbrecherfahndung und soll um ein Modul für den sogenannten Gesichtsbildabgleich ergänzt werden.

Ursprünglich stand in der Meldung der beruhigende Satz: «Es handelt sich dabei nicht um ein System zur Gesichtserkennung, denn diese ist in der Schweiz gesetzlich verboten.»

In der korrigierten Version heisst es jetzt, beim Gesichtsbildabgleich komme eine «Technologie der Gesichtserkennung» zum Einsatz. Und dafür bestehe «bereits heute die rechtliche Grundlage».

Heikle Wörter

Gesetzlich verbotene «Gesichtserkennung» oder gesetzlich erlaubter «Gesichtsbildabgleich»? Schon die Wortwahl ist offensichtlich ein Minenfeld. 

Mit gutem Grund: Automatisierte Gesichtserkennung, wie sie die chinesischen Machthaber etwa zur Identifikation von Personen auf Überwachungsvideos einsetzen, ist eine hochumstrittene und missbrauchsanfällige Technologie. 

Sie kann dazu dienen, Kriminelle zu finden. Sie könnte aber auch das Ende der Privatsphäre bedeuten.

Die Stiftung TA-Swiss, die sich mit gesellschaftlichen Folgen des technischen Wandels befasst, hat dazu eine Umfrage gemacht. Sie zeigt: Die Bevölkerung ist zutiefst gespalten. Ein Drittel befürwortet den Einsatz, ein Drittel spricht sich dagegen aus. Der Rest ist sich noch unsicher, wohl auch weil darüber noch wenig bekannt ist.

Und nun will der Bundesrat das Fahndungssystem der Bundespolizei Fedpol für 26 Millionen Franken erneuern und um eine Funktion erweitern, die er explizit nur Gesichtsbildabgleich genannt haben will.

Eine Million gespeicherte Bilder

Die Afis-Datenbank enthält Finger- und Handabdruckdaten von 900’000 Menschen. Die Daten stammen von den polizeilichen Erkennungsdiensten. Polizei, Migrations-, Grenz- und Zollbehörden können darauf zugreifen, um Personen zu identifizieren.

Breaking News? Ausgewählte Leseempfehlungen? Downloaden Sie hier unsere News-App und bleiben Sie mit den Push-Nachrichten stets auf dem Laufenden. Sie haben bereits unsere App? Empfehlen Sie sie gerne an Freunde und Familie weiter.

Afis ist also das System, das es ermöglicht, Fingerabdrücke an einem Tatort einer Person zuzuordnen, die schon einmal erkennungsdienstlich erfasst wurde. Afis enthält aber bereits jetzt zusätzlich eine Million Gesichtsbilder von rund 390’000 Personen. Nach einem erfolgreichen Abgleich von Fingerabdrücken spuckt das System auch gleich ein Gesichtsfoto der Person aus.

Nur: Bisher war es nicht möglich, ein Bild einer Überwachungskamera mit den in Afis gespeicherten Porträts abzugleichen und so auf die Spur von Verdächtigen zu kommen. Der vom Bundesrat beschlossene Ausbau der Software soll das nun möglich machen.

Das Fedpol sagt dazu: «Beispielsweise kann in einem Strafverfahren Bildmaterial einer verdächtigen Person mit in Afis gespeicherten erkennungsdienstlichen Bildern abgeglichen werden.» Um das zu illustrieren, hat das Fedpol extra ein Erklärvideo erstellt.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Kann das Fedpol aber künftig auch als «Big Brother» Livebilder aus Überwachungskameras in Echtzeit mit der Afis-Datenbank abgleichen? 

Das Fedpol sagt klar Nein: «Afis ist kein System zur Überwachung.» Es werde nur bei einem konkreten Verdacht einzelfallweise erhobenes Bildmaterial mit der Datenbank verglichen. «Es erfolgt also keine Echtzeit-Gesichtserkennung», betont das Fedpol, «hierfür besteht keine rechtliche Grundlage.»

Ist im Gesetz aber überhaupt geregelt, ob und wie die bereits vorhandenen erkennungsdienstlichen Porträts genutzt werden dürfen?

Das Fedpol erklärt, die gesetzliche Grundlage dafür bestehe bereits seit 2013: «Das Strafgesetzbuch und die Verordnung über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten gestatten Gesichtsbildabgleiche.»

Es braucht ein Gesetz

Die St. Galler Strafrechtsprofessorin Monika Simmler ist da anderer Meinung. Gegenüber der NZZ sprach sie von einem «Strafprozessordnungs-Roulette». 

Auch nachdem sie die Stellungnahme des Fedpol gelesen hat, bleibt sie dabei: «Gesichtsbilderkennung durch den Bund ist sehr wahrscheinlich unrechtmässig, weil sie nur sehr unbestimmt und nur auf Verordnungsebene geregelt ist.»

«Das Bundesgericht verlangt bei automatisierten Abgleichen eine gesetzliche Grundlage mit einer detaillierten Regelung.»

Monika Simmler, Strafrechtsprofessorin der Uni St. Gallen

Gesichtserkennung ist laut Simmler ein schwerer Grundrechtseingriff, der eine detaillierte Grundlage auf Gesetzesstufe benötigt, also einen Beschluss des Parlaments. 

«Das Bundesgericht verlangt bei automatisierten Abgleichen eine solche gesetzliche Grundlage mit einer detaillierten Regelung», sagt Simmler. «Die gibt es für das Fedpol aber nicht.» Simmler verlangt deswegen eine Regelung in der Strafprozessordnung.

Auf Monika Simmlers Kritik reagiert das Fedpol mit dem Hinweis auf den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Adrian Lobsiger. Er sei in einer Ämterkonsultation über das Projekt Gesichtserkennung informiert worden und habe sich damit einverstanden erklärt. Im Übrigen verfolge das Fedpol «die Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich genau».