Lohndumping-Vorwurf an Swiss «Wir werden durch billige Arbeitskräfte ersetzt»
Die Airline engagiert Personal aus Lettland – zu einem Viertel des Lohns der Schweizer Angestellten. Die Gewerkschaften fordern, dass der Vertrag mit Baltic Air aufgelöst wird.
Die Swiss betreibe Lohndumping: Das werfen die Gewerkschaften Kapers, Aeropers, VPOD, SEV Gata sowie der Kaufmännische Verband der Airline mit Sitz in der Schweiz vor. Sie protestieren in einem gemeinsamen Schreiben dagegen, dass die Swiss Flugzeuge und Besatzungen der Air Baltic mieten will.
Die Gewerkschaften machen das Management der Swiss für die aktuellen Personalprobleme verantwortlich. Die aktuellen Engpässe seien voraussehbar gewesen, schreiben sie in einem Protestbrief an den Geschäftsführer Dieter Vranckx und die Swiss-Geschäftsleitung.
Nachdem das Personal der Swiss in der Krise einen grossen Beitrag geleistet habe, würden nun Arbeitsplätze ausgelagert. Dieser Entscheid sei hinter dem Rücken der Gewerkschaften getroffen worden. Und dies, obwohl die Sozialpartner in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Gespräche geführt hätten, um die Situation zu entschärfen. Von einem Partner aus dem Ausland sei nie die Rede gewesen. Nun aber versuche die Swiss Fakten zu schaffen.
Letten verdienen einen Viertel
Die Gewerkschaften verurteilten den sogenannten Wetlease – also die Miete von Flugzeug und Besatzung bei einer anderen Fluggesellschaft – aufs Schärfste. Sie fordern die Swiss auf, nur mit Partnern solche Verträge abzuschliessen, die sozialverträgliche Anstellungsbedingungen und Gesamtarbeitsverträge hätten.
Bei allen Drittanbietern seien Lohnkostenvergleiche vorzulegen. Die Swiss müsse ihre Entscheidung über den Wetlease-Vertrag mit Air Baltic revidieren. Er untergrabe die Zusammenarbeit der Sozialpartner in der Schweizer Luftfahrt. Ferner rufen die Gewerkschaften die Swiss dazu auf, in der Schweiz die Anstellungsbedingungen deutlich zu verbessern, um am Arbeitsmarkt attraktiv zu sein.
«Die Anstellungsbedingungen für temporär engagiertes Personal müssen den hiesigen entsprechen.»
Die Arbeitsbedingungen bei Air Baltic seien weitaus schlechter als jene bei der Swiss. Darauf weisen die Gewerkschaften hin. Bei der lettischen Fluggesellschaft gilt etwa die 6-Tage-Woche. Dadurch kann die Airline ihre Flüge flexibler planen. Und die Löhne betragen – sowohl beim Cockpit- als auch beim Kabinenpersonal – rund ein Viertel von jenen in der Schweiz.
So verdienen die Mitarbeitenden in der Kabine bei der Air Baltic lediglich zwischen 900 und 1500 Euro. Bei der Swiss liegt der Brutto-Einstiegslohn bei 3400 Franken. Ähnlich im Cockpit: Während ein frischgebackener First Officer in Lettland mit 1600 Euro rechnen kann, erhalten die neuen Pilotinnen und Piloten in der Schweiz circa 6000 Franken pro Monat. Hinzu kommen bei den Gastarbeitenden aus Lettland Tagespauschalen von bis zu 50 Euro, wenn die betreffende Person fernab von zu Hause in der Schweiz arbeiten muss.
«Wir werden durch billige Arbeitskräfte ersetzt», kritisiert Sandrine Nikolic-Fuss von der Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers. Sie befürchtet, dass die vorerst auf den Winter befristete Kooperation mit Air Baltic verlängert werden könnte: «Dieses Thema wird uns noch lange begleiten», prophezeit sie. Ihre Forderung ist klar: «Die Wetlease-Verträge müssen sozialverträglich ausgestaltet sein. Und die Anstellungsbedingungen für temporär engagiertes Personal müssen den hiesigen entsprechen.»
Swiss geht nicht auf Forderungen ein
Die Swiss werde nicht auf die Forderungen der Gewerkschaften eingehen, teilte das Unternehmen mit. Die Kooperation mit Air Baltic stabilisiere den Flugplan und entlaste die Kabinenmitarbeitenden. Um Kosteneinsparungen gehe es dabei nicht. Die Sozialpartner seien über den Entscheid informiert worden. Da es sich aber um eine rein unternehmerische Massnahme handle, müssten sie nicht weiter in den Prozess eingebunden werden.
Bei den Gewerkschaften verfolgt man die aktuelle Entwicklung mit Sorge. Die Lufthansa-Gruppe schliesse unrentable Fluggesellschaften – bloss, um kurz darauf Gesellschaften mit optimierter Kostenstruktur aus dem Boden zu stampfen, sagt Sandrine Nikolic-Fuss. «Solches Geschäftsgebaren beobachten zu müssen, ist sehr belastend.» Für eine Fluggesellschaft wie die Swiss müsse das Ziel sein, möglichst nachhaltig, sozial- und umweltverträglich zu wirtschaften. «Mir scheint, dass die Reise derzeit in die komplett falsche Richtung geht.»
Mit Material der SDA
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