Bestes Start-up der Schweiz«Wir überspringen das Huhn»
Mit der Firma Planted forscht Judith Wemmer an veganen Lebensmitteln. Ihr Ziel: Ein Rindsfilet, für das kein Rind sterben muss.
Ihr Geheimnis sind die Fasern. Damit es sich beim Kauen anfühlt wie echtes Poulet, muss die Textur stimmen. Und tatsächlich: Man merkt fast nicht mehr, dass das in Stückchen zerpflückte und marinierte Fleisch zwischen den Zähnen kein Hühnerfleisch ist, sondern Fleischersatz der Firma Planted.
Bei Planted, einem 2019 als ETH-Spin-off gegründeten Unternehmen, sitzt Judith Wemmer in der Geschäftsleitung. Dort ist sie für Patente, regulatorische Themen und die Produktentwicklung zuständig. Vergangene Woche konnte sie beim Swiss Economic Forum in Interlaken als bestes junges Produktionsunternehmen einen über 25’000 Franken dotierten Preis entgegennehmen.
Auch wenn Planted mittlerweile ebenfalls in Deutschland, Österreich und Frankreich erhältlich ist: Produziert wird weiterhin in der ehemaligen Maggi-Fabrik im zürcherischen Kemptthal. Acht Tonnen pro Tag, mit 120 Mitarbeitenden an Bord.
«Für mich war es ein natürlicher Schritt, nur noch pflanzliches Fleisch zu essen.»
Judith Wemmer betrachtet ihre Arbeit als eine Mission. «Mittlerweile bin ich Vegetarierin. Für mich war es ein natürlicher Schritt, nur noch pflanzliches Fleisch zu essen», sagt sie. Geboren in Deutschland und aufgewachsen in Langnau am Albis ZH, stiess Wemmer nach abgeschlossenem Doktorat in Lebensmittelverfahrenstechnik an der ETH im vergangenen Jahr zu Planted.
Das Pflanzen-Poulet besteht aus Gelberbsen, Rapsöl und Wasser – also aus dem, was Nutztiere fressen. «Wir lassen sozusagen das Huhn weg», sagt Wemmer. Für sie ist klar: Proteinreiche Nahrungsmittel zuerst den Tieren zu füttern und diese nachher zu essen, sei «weder ökologisch noch ethisch sinnvoll».
Statt dem Stoffwechsel des Tieres sorgt das ausgeklügelte, von Planted entwickelte Extrusionsverfahren für die faserige Textur. Eine dickflüssige Masse wird dabei mit viel Druck durch eine Düse gepresst.
Edles Fleisch steht für Wertschätzung
Bei Wemmer, die von sich selber sagt, sie sei eine Geniesserin, kommt zu Hause mehrmals wöchentlich Planted auf den Tisch. Tierisches Fleisch isst die 30-Jährige mittlerweile nur mehr aus beruflichen Gründen. Als Verantwortliche für die Produktentwicklung muss sie möglichst genau nachempfinden können, was jemand spürt, der in ein saftiges Stück Rindfleisch beisst.
Planted rechnet damit, dass die Konsumenten künftig gerne pflanzliche Filets oder Entrecotes kaufen würden. Das Unternehmen forscht darum intensiv an der Herstellung von grösseren Stücken. «Beim Fleischessen geht es nicht nur ums Sattwerden», sagt Wemmer. Fleisch habe daneben eine kulturelle und eine soziale Bedeutung: «Wenn Menschen Besuch haben, wollen sie Wertschätzung ausdrücken, indem sie ein grosses, edles Stück Fleisch servieren.»
Vegi-Fleisch entspricht dem Zeitgeist
Ob nun gross wie ein Steak oder bereits mundgerecht zerkleinert: Bei der Entwicklung von Vegi-Fleisch werden traditionelle und innovative Verfahren angewandt. Köche und Wissenschaftlerinnen arbeiten dafür Hand in Hand. Judith Wemmer rechnet damit, dass Ende Jahr erste Prototypen vorliegen werden.
Bis das «Planted Beef Tenderloin» – so unser Vorschlag, wie so ein Produkt dann vielleicht heissen könnte – dann aber in genügend grosser Menge verfügbar ist, wird es laut der Wissenschaftlerin vermutlich mindestens 2023 werden.
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